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Wunderbar. Die ORF-Journalisten und diverse Kulturinstitutionen demonstrieren und mobilisieren für das Funkhaus in der Argentinierstraße. Völlig zu Recht. Sie bangen um die „Überlebenschancen“ des Gebäudes und um ein „Stück österreichischen Kulturerbes“. Freilich erhebt sich auch leichter Zweifel: Sind sie auch glaubwürdig? Glaubwürdig wären diese Initiativen nämlich erst dann, würden sie auch anderswo für das Wiener Kulturerbe kämpfen. Und nicht nur, wenn es um den eigenen Arbeitsplatz der Radiomenschen ginge.
In anderen Baufragen machen nämlich dieselben ORF-Leute der üblen Mischung aus Profitinteressen und dem Kampf von Rotgrün gegen alles, was die historische Schönheit dieser Stadt betrifft, massiv die Mauer. Dabei geht es jedoch zum Teil um noch weit schlimmere Dinge als um die mögliche Zerstörung des Funkhauses. So sehr man auch dessen architektonische Qualität, aber auch dessen Bedeutung in der österreichischen Zeitgeschichte – man denke nur an das Jahr 1934 – anerkennt. Und es unbedingt schützen will.
Aber sehen wir es einmal positiv: Vielleicht haben die Radiomacher jetzt doch die gewaltige Herausforderung des Kampfes für Wien und gegen diese Interessen begriffen. Vielleich werden sie ab jetzt ihre (hoffentliche) Unabhängigkeit endlich entsprechend nutzen.
In Wien findet derzeit der massivste Angriff auf das Stadtbild statt, den es bisher überhaupt gegeben hat. Es ist eine mehrfache Attacke. Die heutigen Linken haben aus ideologischen Gründen eine Aversion gegen alles Alte; und den Profitinteressen der Grundstückseigentümer sind sowieso alle Gebäude im Wege. Dazu kommt ein Verhalten der Wiener Opposition, das eigentlich nur noch mit Bestechung erklärbar ist. Dazu kommt die geschickte Lobby-Arbeit der (naturgemäß an Geld und Aufträgen interessierten) Architekten.
Die Wiener Bevölkerung fühlt sich zwischen all diesen Interessen total allein gelassen. Sind doch auch die Boulevard-Medien alle rathausfromm geworden. Dass sie bei allem, was sie am Rathaus verdienen, einen massiven Rückgang ihrer Leserschaft vor allem in Wien zu verzeichnen haben, ist zwar die Rache des kleinen Mannes, diesen Medien aber offenbar wurscht.
Es gibt jedenfalls genug Ensembles und Objekte, die dringend eines Engagements bedürften. Dazu gehören die in manchen Bezirken unerträglichen Dachausbauten. Bei allem Bekenntnis dazu, Dachboden zu nutzen, aber die immer öfter entstehenden zwei- bis dreistöckigen Glas-Beton-Konstruktionen auf dem Dach verunstalten Gründerzeit- und andere historische Gebäude bis zur Unkenntlichkeit. Lediglich die EU mit ihren Erdbebenrichtlinien bremst hier noch ein wenig (was zweifellos der Union bei aller Kritik in etlichen anderen Fragen hoch anzurechnen ist).
In letzter Zeit werden nun von diesen Interessen sogar Ringstraßenpalais zerstört, wie dieses unglaubliche Bild aus der Hegelgasse neben dem Hotel Marriott zeigt.
Genauso wichtig sind aber auch die Heurigenorte, deren touristische Bedeutung genausowenig wie jene Wiens innerhalb des Gürtels zu leugnen ist. Immer mehr Häuser werden etwa in Neustift ruiniert. Und fast jedes Mal stößt man auf russische Staatsbürger, die da dahinterstecken, die ihr Geld im Westen in Betongeld stecken wollen. Aber es sind vor allem die Abgesandten des Rathauses, die hauptschuld an der Zerstörung sind. Sie lassen die Bauwerber nicht nur gewähren, sondern ermuntern sie auch noch, diese Heurigenorte durch möglichst brutalen Einsatz von Glas und Beton zu devastieren. Es ist aber auch der (noch) schwarz regierte Bezirk Döbling nicht unschuldig an dieser Entwicklung.
Das Allerschlimmste aber bleibt das mit massivem Geldeinsatz geplante und beworbene Hochhaus neben dem Konzerthaus. Es soll fast doppelt so hoch werden wie das Hotel Intercontinental. Als ob nicht auch schon dieses allein in einem ansonsten wunderbaren Jugendstil- bis Biedermeier-Ensemble extrem hässlich ist.
Offenbar sind alle Rathaus-Parteien bestochen, sonst wäre das wohlwollende Schweigen auch der Opposition nicht zu erklären. Mit professioneller PR wird zur Ablenkung eine Debatte um den Eislaufverein in den Vordergrund gerückt, dessen künftige Lage aber bestenfalls das fünftwichtigste Problem des gigantischen Projekts ist.
Da passt eine Meldung der dem Rathaus ja politisch nicht gerade fernstehenden Nationalbank wunderbar dazu: Die Preise für Immobilien sind in Wien schon um mehr als zwanzig Prozent überhöht. Da will man offensichtlich rasch noch Geld mit russischen Schiebern machen, die sich wohl derzeit als einzige Wohnungen in diesem Hochhausprojekt leisten können und wollen.
Die Radiomacher und die des Wiener ORF-Fernsehsenders fänden also in dieser Stadt exzellente Objekte für scharfe journalistische Berichte vor. Sie brauchen also nicht nur in eigener Sache Stimmung zu machen und nicht nur über die Indianer an irgendeinem Amazonas-Seitenarm berichten.
Die Wiener warten begierig darauf, endlich diese Sendungen zu hören. Sie hören diese nur bisher nie.
Ich schreibe regelmäßig Kommentare für die unabhängige und rund um die Uhr aktuelle Informationsseite „Vienna.at“.