Acht Lehren aus vier neuen Kriegen
13. Juni 2014 16:25
| Autor: Andreas Unterberger
Lesezeit: 5:00
Binnen weniger Wochen sind gleich an vier Orten dramatische Kriege entbrannt, mit denen noch vor wenigen Monaten niemand gerechnet hat. Weder Medien, noch Politik, noch die Öffentlichkeit. Lediglich einige Gelehrte in ihren Hinterzimmern haben da oder dort die Gefahren in ihrer ganzen Dimension gesehen. Umso dringender ist es, aus diesen neuen Kriegen Lehren zu ziehen. Denn sie haben das Zeug, sich zu einem neuen Weltkrieg zu entwickeln.
Aber es geht um die richtigen Lehren. Die haben aber weder Papst (der in altmarxistischer Weise skurrilerweise der Wirtschaft die Schuld an den Kriegen zuschiebt), noch die Freiheitlichen (die sich ebnso skurril als Agenten Russlands entpuppen) noch die Medien (die zwar gerne aufgeregt sind, aber immer nur politisch korrekt, daher enorm eingeengt denken) noch die Regierungen Europas (die außer den Lügen vor dem nächsten Wahltermin nichts mehr im Kopf haben). Niemand gibt auch nur andeutungsweise die richtigen Antworten.
- Es geht um den Konflikt in der Ukraine.
- Es geht um den islamistischen Vorstoß im Irak und in Syrien.
- Es geht um die sich quer durch Afrika von Nigeria über Zentralafrika bis zum Sudan ziehende blutige Front, an der der Islam dort in seinen verschiedensten Formen vorstößt.
- Und es geht um die gewaltige Kriegsgefahr in Fernost. Die Auseinandersetzungen dort hat der von einem Rückgang des Wirtschaftswachstums bedrohte chinesische Nationalismus rund um einige unbewohnte Inseln (in Wahrheit natürlich um die dortigen Bodenschätze) gegen Japan, die Philippinen, Vietnam, Taiwan und Südkorea begonnen. Diese Länder schließen sich nun offensichtlich gegen China zusammen.
Gewiss kann jetzt nicht ein einziger Artikel sagen, wie alle die Konflikte wieder friedlich beizulegen wären. Es geht aber um wichtige Erkenntnisse, die man aus diesen Kriegen ziehen muss, anstelle des heuchlerischen Mitleids, das die EU-Wahlkämpfe beherrscht hat. Es geht um Erkenntnisse, die eine unabdingbare Grundlage jeder Strategie sein sollten.
- Erstens ist kein einziger der neuen Kriege auf die zwei Totalitarismen des 20. Jahrhunderts zurückzuführen, also auf Nationalsozialismus oder Kommunismus. Obwohl sich unsere öffentliche Debatte und die Justiz ganz auf den Kampf gegen den Nationalsozialismus konzentrieren. Sie kommen nur wieder einmal um 80 bis 90 Jahre zu spät. Die demonstrierenden Fensterzertrümmerer erst recht. Österreich hat sich immer schon auf den letzten und vorletzten Krieg konzentriert, statt die Bedrohungen der Zukunft zu sehen.
- Diese Bedrohungen sind ganz andere, neue – oder eigentlich uralte: die Aggressivität des Islam als totalitäre Religion und die des expansiven Nationalismus. Die Geschichte der letzten Jahrhunderte ist wieder da.
- Drittens machen die anscheind aus heiterem Himmel entstandenen Konflikte eine Besinnung auf die Notwendigkeiten eines eigenen Heeres deutlicher denn je im letzten Vierteljahrhundert. Die Phrase „Niemand bedroht uns, es wird nie wieder Krieg geben“ hat ausgedient. Das gilt für viele europäische Länder wie auch Österreich. Überall werden diese Konfrontationen mit Panzer und Flugzeugen geführt. Viele europäische Länder rüsten hingegen weiter ab. Und bei uns ist das Bundesheer überhaupt total demontiert worden (dafür streitet sich halb Österreich um die Austragung des nächsten Song-Contests – dafür hat das Land offenbar genug Geld).
- Viertens: In allen vier Konflikten wird nach den USA als einziger Helfer in letzter Not gerufen. Oft von den gleichen Leuten, welche die westliche Supermacht sonst tagaus, tagein beschimpfen. Amerika allerdings wird von einem Präsidenten geführt, der dadurch groß geworden ist, dass er gegen die amerikanischen Engagements in Übersee gewettert hat. Daher ist seine gegenwärtige Ratlosigkeit zwar logisch, aber ein zusätzlicher Grund für die alten Kräfte, die neuen Kriege zu beginnen.
- Fünftens sollten sich viele europäische Länder viel genauer anschauen, was da an Gefährlichem unter dem religiösen Deckmantel des Islam auf ihrem eigenen Gebiet stattfindet.
- Sechstens können wir etwas Trost daraus schöpfen, dass Schiiten und Sunniten noch erbitterter gegeneinander vorgehen, als (vorerst) gegen Europa und Afrika.
- Siebentens, das ist für viele eine besonders schmerzende Erkenntnis: Gegen das, was in den letzten Monaten in Gang gekommen ist, waren die Diktatoren von Ägyptens Mubarak bis zu Iraks Saddam geradezu Gold. Insbesondere in Syrien hatten die Minderheiten unter dem Diktator Assad ein viel sicheres Leben als unter der formalen Mehrheit. Sosehr die Demokratie der Diktatur vorzuziehen ist (und sosehr innerhalb der Demokratie die direkte der bloß repräsentativen vorzuziehen ist), sosehr ist doch klar, dass solche Diktatoren auch eine nützliche Funktion haben können. Es gibt in Wahrheit nur zwei Gründe, sich in ein Land von außen einzumischen: wenn Diktatoren andere Länder bedrohen oder angreifen (was Saddam allerdings getan hat); oder wenn sie in großem Umfang Menschenrechtverletzungen begehen. Alles andere geht das Ausland nichts an. Klar ist freilich in Rechtsstaaten, dass sich Medien empören können und sollen.
- Achtens wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Teil der Auseinandersetzungen nicht passiert, wenn die Welt endlich vor Ausbruch eines Kriegs ein klares Ja zu friedlicher, geordneter und überwachter Selbstbestimmung sagen würde (für menschenleere Inseln vor China ist das freilich kein Rezept). Aber von Amerika bis Spanien sagt der Westen nach wie vor Nein zu jeder friedlichen Grenzänderung. Mit einer geordneten Form der Selbstbestimmung wären in Nahost und Afrika die radikalen Waffenträger nicht mehr jene, die etwa den Sunniten scheinbar mehr Rechte brächten, die sich als einzige gegen die Diktatur der schiitischen Landesteile im neuen „demokratischen“ Irak wenden. Vielmehr hätten - beispielsweise - die Sunniten in Teilen des Irak längst ihr eigenes Reich, das mit großer Wahrscheinlichkeit viel weniger aggressiv wäre.
Wird die Welt endlich wenigstens einen Teil dieser Erkenntnisse akzeptieren? Ich zweifle.
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