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Freundschaft!

Die Wiener Holding betreibt den 24-Stunden-Sender „W24“ für alle UPC-Kabelhaushalte. Da alle Wiener auch Zwangskunden dieser Holding sind, dürfen sie dieses Fernseh-Vergnügen mitfinanzieren. Aber dafür bekommen sie auch einiges geboten. Zum Beispiel eine vierstündige Übertragung vom Mai-Aufmarsch auf dem Wiener Rathausplatz.

Live. Und ungeschminkt. Aber unendlich begeistert. Und so durfte der geneigte Zuseher sich an mancherlei Blüte der poetischen Parteirhetorik erfreuen, die ihm sonst entgangen wäre.

Beim Interview mit den Genossen der SP Döbling etwa ging’s um den sozialen Wohnbau, der im vornehmen 19. besonders wichtig ist, denn, so bemerkte die bildhübsche Interviewerin ein bisschen traurig: „Ist halt immer noch ein Villenbezirk, Döbling....“ Nicht lange und die junge Dame wird die „Zeit im Bild“ moderieren. Intelligenz der Fragestellung und richtiger Blickwinkel prädestinieren sie für eine große Karriere.

Und dann die SP aus Ottakring. Jener Bezirk, aus dem die meisten Prominenten stammen, wie W24 uns frohlockend mitteilte – nämlich Ulli Sima, Christian Oxonitsch und Michael Häupl. Diese Bezirksabordnung kam nicht allein. Sie brachte als Festgeschenk die deutsche „Bolschewistische Kurkapelle“ mit. Man ist ja kosmopolitisch – denn, so verkündete man via Lautsprecher über den ganzen Rathausplatz: „Gemeinsam kämpfen wir für ein Miteinander über – (man höre und staune!) – die Bezirksgrenzen hinaus!“

Freilich verdankt man der W24-Übertragung auch (unkommentiert gebliebene) Bilder vom stillen Protest. Da trugen einige Teilnehmer Straßenschilder mit der Aufschrift „1., Platz der Arbeitslosen“ zur Kundgebung und hielten sie den Parteigranden vor die Nase. Und Transparente mit Aufschriften wie: „Wer bei der Bildung spart ist dumm. Bumm.“ Oder „Buenas Noches Companeros! Wer hat uns verraten?“

Wer weiß, dass sich die Mitarbeiter der Wiener Holding in Listen eintragen müssen, in denen sie sich zur Maiaufmarsch-Teilnahme schon im Vorhinein verpflichten, und auch gleich angeben müssen, wie viele ihrer Angehörigen mitmarschieren werden, wundert sich nicht, dass nicht alle Maimarschierer wirklich glücklich aussahen.

Die Granden auf der Tribüne hingegen strahlten und winkten mit ihren roten Tüchlein. Und allesamt verströmten sie Kampfrhetorik in Richtung Europa. Das sie endlich mit einer Millionärssteuer retten wollen. Und wo sie gegen die herrschenden Neoliberalen kämpfen werden. („Ohne Kampf kein Fortschritt“ hat ja auch die Fraktion Sozialistischer Gewerkschafter am 1. Mai ganzseitig inseriert – als ob zu „Fortschritt“ die Voraussetzungen „Plan“ oder „Anstrengung“ nicht besser passen würden).

Viel Musik wurde gespielt. Nur nicht das schöne Lied: „Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Beste, das es gibt auf der Welt“. Aber den Freund, ihren Spitzenkandidaten, haben Faymann, Häupl und Co. ja auch gar nicht mitgenommen auf den Rathausplatz zu ihrer Einpeitsch-Veranstaltung zur EU-Wahl. Der wurde lieber sang- und klanglos in Kärnten verräumt.

Freundschaft.

  

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