Bitte um mehr Gelassenheit
09. Mai 2014 00:31
| Autor: Andreas Unterberger
Lesezeit: 5:30
Die tägliche Aufregung der Medien und Twitterer jagt ständig ein anderes Schwein durchs Dorf. Diese Aufregung ist aber immer schwerer zu ertragen. sie lässt immer öfter nur noch nach einem rufen: nach mehr Gelassenheit. Nach Wahrung der Relationen. Das heißt zwar oft nicht, dass das kritisierte Verhalten in Ordnung wäre. Aber eine orientierungslose Welt schießt immer öfter mit Kanonen auf Spatzen und ignoriert gleichzeitig die wirklich wichtigen Dinge. Dabei sind diese manchmal extrem positiv.
Der Beispiele für übertriebene Reaktionen gibt es täglich genug.
- Salzburgs Ex-Wohnbaulandesrat (SPÖ) landet vor dem Strafgericht(!), weil er im Gegenzug für Wohnbauförderungen unentgeltliche Plakate für sich verlangt hat. Gehört sich nicht. Keine Frage. Aber gegen das, was sich seit Jahrzehnten in Wien abspielt, was die Herren Faymann und Ostermayer bei ÖBB und Asfinag durchgesetzt haben, können mich die Gratisplakate des Herrn Blachfellner nicht wirklich aufregen. Der Wiener fragt Salzburg ganz offen und auf Grund beklemmender Erfahrungen erstaunt: Sonst hat Blachfellner wirklich nichts von den Baufirmen verlangt?
Solange da nicht in Wien endlich aufgeräumt wird, solange nicht die Causa Faymann/Ostermayer endlich vor einen Richter führt, wirkt die Salzburger Sauberkeit wie von einem anderen Planeten. In Wien hingegen halten ja auch die Gegner der Sozialisten gerne die Hand auf und schweigen, sobald diese gefüllt wird. Siehe etwa Konzerthaus-Hochhausturm.
- Ungehörig ist sicher auch, dass der WKO-Vizepräsident Einpersonen-Unternehmen als „Tagelöhner“ bezeichnet. Aber es ist absurd, dass er deswegen gleich mit Atombomben attackiert wird. Nicht nur von WKO-Präsident Leitl, sondern auch von seiner eigenen Partei, der FPÖ. Und dass er deswegen binnen Stunden sein Amt verliert. Auch der Autor ist übrigens ein Einpersonen-Unternehmer. Über die nicht ganz geglückte Wortwahl des Ex-Vizepräsidenten erregt er sich aber keine Sekunde. Ihn ärgern jedenfalls tausendmal mehr die Bedingungen, unter denen viele Junge gegen ihren Willen zu Einpersonen-Unternehmen werden, weil sich kaum noch ein Arbeitgeber die teure Anstellung leisten kann. Ihn ärgert die doppelte Sozialversicherungslast auf den Schultern der Älteren. Ihn ärgert die gigantische Steuerbelastung.
Jene Bezeichnung ist vor Wahlen vielleicht nicht schlau, sie legt aber den Finger präzise in einen wunden Punkt, über den viel mehr diskutiert werden müsste.
- Mehr als übertrieben ist auch die nationale Aufregung, ob man nun 60 oder 63 Prozent einer Englisch-Aufgabe erledigen muss, um bei einer Zentralmatura noch positiv abzuschneiden. Gewiss war da die Information der Obrigkeit schlecht. Aber ich entsetze mich viel mehr darüber, wie schlecht das Englisch vieler Maturanten ist. Egal ob sie 60 oder 63 Prozent erreichen (wie man das genau messen will, ist mir ohnedies total schleierhaft). Über die schlechten Fremdsprachenkenntnisse der Maturanten wird aber leider weder von Politikern noch Lehrern gesprochen. Weil bei beiden das Englisch meist sehr schwach ist. Dabei wird Englisch bei immer mehr Berufen die Arbeitssprache für den Rest des Lebens der Maturanten sein. Sie werden in Konkurrenz zur restlichen Welt stehen.
- Besonders absurd ist es, dass die Staatsanwaltschaft eine Strafanzeige gegen den FPÖ-Chef wegen einer angeblichen Urheberrechtsverletzung auch nur eine Sekunde lang bearbeitet. Statt dass der Streit sofort auf den Zivilweg verwiesen wird. (Da sind übrigens die Medien einmal in Schutz zu nehmen; sie fanden offenbar das Vorgehen der Staatsanwälte trotz ihrer FPÖ-Aversion selbst für nicht mehr nachvollziehbar und spielten die Sache wohl deshalb eher klein).
- Ebenso absurd ist die Aufregung eines Elternpaares und einiger ORF-Redakteure, weil im Musikunterricht an einer niederösterreichischen Volksschule auch religiöse Lieder gesungen werden. Unsere Sorgen möchte ich haben.
- In die gleiche Kategorie gehört die mediale Aufregung um die Größe der Wohnung des Dompfarrers. Manche seiner Äußerungen und Auftritte sind zweifellos dumm, aber dass er direkt neben dem Dom wohnt und dass er dort 100 Quadratmeter hat, sollte selbst dem tiefsten Boulevard keine Zeile wert sein.
- Noch absurder ist die landauf, landab berichtete Aufregung extrem linker Volkswirte, dass hierzulande Neomarxismus zu wenig gelehrt werde. Und dass die Erben des Ewald Nowotny die Wirtschaftsuniversität beherrschen. Dabei sind die einzigen, die an Wiens Unis nicht zu Wort kommen, die in vielen anderen Ländern Furore machenden liberalen Anhänger der Österreichischen Schule der Nationalökonomie. Die nur noch wegen lauter Verstorbener so heißt (Mises, Hayek, Schumpeter usw.).
Leider keinerlei Reaktion auf das wirklich Wichtige
Während jedes dieser Dinge in den letzten Stunden und Tagen viel zu viel nervenden medialen (und zum Teil auch strafrechtlichen) Lärm verursachte, gingen die weit wichtigeren Dinge total unter, die gleichzeitig bekannt wurden. Sie fachten keinerlei medialen oder „Shitstorm“ an. Oder wie sonst die Aufregungen zum Tage heißen mögen.
- Das war etwa die wirklich brillante Idee der italienischen Lega Nord gegen die Überschwemmung Europa durch Migranten. Sie hat Spots mit Einwanderern aus Angola, Sri Lanka, Indien und Pakistan gedreht, in denen diese Klartext reden. Dass ihr Leben in Europa sehr schlecht sei, dass keine (oft von Film und Fernsehen geschürte) Erwartung sich erfüllt habe, dass sie keine Arbeit finden, dass manche tagelang Hunger leiden, und dass ihre Landsleute ja nicht den Menschenhändlern hineinfallen sollen: „Schlepper sind Mörder“. Wenn die EU Geld in die Hand nähme, um solche Spots in den Heimatländern der Migranten auszustrahlen, würde sie sich viel Geld ersparen. Und vielen Afrikanern und Asiaten große Enttäuschung.
- Kaum Beachtung fand auch das auffallend große Lob des Ungarn Viktor Orban für Angela Merkel und für deren jahrelange Unterstützung. Das Nachbarland Österreich wird hingegen von Orban total mit Verachtung gestraft. Es hat aber auch in der Tat an ihm nur ständig herumgemäkelt – von den linken Medien angefangen bis zum Landwirtschaftsminister (der ja überhaupt kein Fettnäpfchen der Dummheit auslässt). Der letzte, der gute Beziehungen zu Orban hatte, war übrigens ein gewisser Wolfgang Schüssel, falls den noch jemand in der ÖVP kennt.
- Die überhaupt wichtigste und positivste Nachricht kommt aus Ostafrika: Die Piraterie aus Somalia gegen westliche Schiffe ist weitestgehend beendet! Gab es vor drei Jahren noch 243 Kaperungsversuche im Jahr, so waren es im Vorjahr nicht einmal mehr zehn. Es ist völlig klar, worauf dieser sensationelle Erfolg zurückzuführen ist: Von China bis Amerika (und nach einigem Zögern auch Deutschland) hat man militärisch und scharf die Piraten zu bekämpfen begonnen. Man hat nicht mehr auf die Gutmenschen gehört. Piraten haben daher kaum mehr eine Chance. Wenn das kein Grund zur Freude ist!
Wir regen uns wegen der lächerlichsten Dinge auf. Und vergessen die wirklich wichtigen Entwicklungen. Die oft auch sehr positiv sind.
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