Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung. 

weiterlesen

Was ist liberal?

Die Volkspartei will liberaler werden, heißt es allenthalben. Würde sie das nur! Die ÖVP wird jedoch das Gegenteil, also linker und nicht liberaler.

Es sei denn, man spricht Amerikanisch, wo liberal (betont auf der ersten Silbe) das dort unbekannte „sozialdemokratisch“ bedeutet. Mehr Staatseinfluss, mehr Steuern, reglementierte Schulen, Bevorzugung von Schwulen. Die europäische Bedeutung von liberal (betont auf der letzten Silbe) heißt jedoch etwas ganz anderes: Weniger Staat – gleichgültig ob es um den Staat in seiner europäischen oder seiner nationalen Ausprägung geht –, niedrigere Steuern, mehr Freiheit und Vielfalt.

Wenn die Salzburger und steirische ÖVP sich neu, linker positionieren wollen, dann mögen sie nur. Die ÖVP ist ja auch schon davor von dem famosen Josef Pröll etliche Kilometer zum amerikanischen liberal hingeleitet worden. Selbstmord, auch politischer, ist ja straffrei.

Aber es ist einfach eine intellektuelle Zumutung, wenn ein Herr Haslauer, ein Herr Drexler und offensichtlich auch zwei oder drei neue Minister ihren Linksmarsch als liberal bezeichnen. Wenn sie – und die linken Mainstream-Medien – mit liberal nicht mehr liberal, sondern liberal meinen. Was sie offenbar nicht wissen: Rot, Grün und Pink sind schon erfunden. Da ist kein Platz mehr.

In jedem anderen Land der Welt hingegen hat der klassische Liberalismus vereint mit dem Konservativismus, zu dem auch das nationale und identitäre Denken gehören, die Mehrheit. Nur in Österreich nicht. Meinen die meist sehr provinziellen ÖVP-Wender, dass es ausgerechnet hierzulande nur noch linke, aber keine liberalen und konservativen Menschen mehr gibt? Oder verwechseln sie gar veröffentlichte mit öffentlicher Meinung?

Der große Vordenker des liberalen Denkens, Friedrich August Hayek, sieht zwar viele Ähnlichkeiten zwischen konservativ und liberal. Er hat sich aber primär immer deshalb als Liberaler bezeichnet, weil die Konservativen den Linken leider nur zeitweiligen Widerstand leisten. Liberale wüssten hingegen immer, wofür sie stehen. Während Konservative nach verlorener Schlacht oft das für richtig hielten, was die Linken durchgesetzt haben, wird das ein Liberaler nie tun. So Hayek in einem hochinteressanten Text.

In der Folge einige Punkte, wo etliche Schwarze heute glauben, durch Linksrücken liberal zu werden. Wo sie aber eben bestenfalls liberal werden, also sozialdemokratisch mit der Betonung auf der ersten Silbe.

Gesamtschule

Gegen die Neue Mittelschule sprechen aus liberaler Sicht schon die weit höheren Kosten für die Gesamtschule bei schlechteren Ergebnissen als die einstige Hauptschule. Dieser Kosten hat sich aber einst nicht nur die SPÖ, sondern auch die Pröll-Amon-ÖVP berühmt.

Statt des linken Prinzips von höheren Kosten (wie immer zu Lasten der Steuerzahler) und von noch mehr Egalität wären natürlich auch beim Schulthema ganz andere Grundsätze liberal (und richtig): öffentliche Sparsamkeit, individuelle Freiheit und mehr Leistung. Es ist mehr als erstaunlich, dass all die progressiven Anhänger der Gesamtschule die katastrophalen Ergebnisse der NMS im Inland und fast aller Gesamtschulen im Ausland einfach wegignorieren.

Jetzt werden die Schulen halt einfach nicht mehr getestet – und die „Liberalen“ schweigen. Ebenso wie sie zu den wirklichen Gründen schweigen, warum Finnland als einziges europäisches Gesamtschulland bei internationalen Tests gut abscheidet: Dort gibt es nämlich im Vergleich zu Österreich kaum ein Zehntel der Zuwanderer aus fremdsprachigen Kulturen.

Besonders unliberal an jeder Gesamtschule ist aber noch etwas ganz anderes: der mit ihrer Einführung verbundene Zwang. Liberal wäre ganz eindeutig das Gegenteil. Also dass jeder (je nach Alter: Eltern, Schüler) völlig frei den Schultyp auswählen können soll. Dass es schon ab dem sechsten Lebensjahr eine Vielfalt vom Staat gleich behandelter Schul- und Unterrichtsformen gibt; und dass es erst recht ab dem zehnten Lebensjahr mehr als die gegenwärtigen zwei Formen gibt. Aber keinesfalls nur eine einzige Form.

Das rot-grün-pinke Projekt einer Gesamtschule (oder wie sie von manchen sprachlich getarnt wird: einer „gemeinschaftlichen“ Schule) ist natürlich das absolute Gegenteil von einer solchen Wahlfreiheit.

Meinungsfreiheit

Kein einziges Mal hat sich einer der jetzt angeblich „Liberalen“ (ob in der ÖVP oder bei den Neos) gegen die fortschreitende Einschränkung der Meinungsfreiheit durch Strafgesetze gestellt. Dabei ist Meinungsfreiheit wohl überhaupt einer der obersten liberalen Werte. Diese Einschränkung erinnert lebhaft an Metternich mit seiner Zensur. Sie geschieht durch Gummiparagraphen nach Art der „Verhetzung“ oder den Ungeist der Political correctness.

Immer wieder muss man die „Liberalen“, die links für liberal halten, an Voltaire erinnern, der bis zum letzten die Meinungsfreiheit verteidigt hat. Er hat das gerade dann getan, wenn mit deren Hilfe ein totaler Unsinn gesagt wird, wenn Meinungsfreiheit für total Unrichtiges verwendet wird.

Abgesehen von der philosophischen Erkenntnis, dass zumindest in der diesseitigen Welt ohnedies niemand die ganze Wahrheit kennt: Die einst so bitter erkämpfte Meinungsfreiheit wird ja nur dann relevant, wenn jemand einer dummen oder falschen Meinung ist.

Vertragsfreiheit

Ein besonders wichtiger Teil der Freiheiten, für die wirklich Liberale immer gekämpft haben, ist die Vertragsfreiheit. Diese soll nun nach Wunsch breiter Teile der EU-Kommission durch ein sogenanntes „Diskriminierungsverbot“ auch im privaten Bereich dramatisch eingeschränkt werden. Nach Wunsch dieser immer stärker links beherrschten EU-Kommission wird man künftig als Arbeitgeber oder Wohnungsvermieter selbst beweisen müssen, warum man nicht den sich bewerbenden Schwulen oder Moslem angestellt beziehungsweise die Wohnung gegeben hat. Andere Bewerber kann man hingegen argumentationslos abweisen.

Das ist eine ganz dramatische Einschränkung der Vertragsfreiheit. Diese ist bisher dankenswerterweise auch zwei Mal von der ÖVP, als sie noch nicht so fortschrittlich-linksliberal war, abgelehnt worden.

Jetzt aber lässt sie – offenbar fortschrittlich geworden – auf EU-Ebene dem extrem links agierenden Sozialministerium unwidersprochen freie Bahn. Was der SPÖ die nächste Attacke auf die individuelle Freiheit ermöglicht (auch wenn man vor den EU-Wahlen wohlweislich nicht davon spricht).

Steuern

Da wurde vor der Wahl liberal versprochen, dass es mit der ÖVP keine Steuererhöhungen geben werde. Nach der Wahl legte der ÖVP-Obmann höchstpersönlich und ohne kommunizierte Not solche vor.

Die Steuerfrage ist übrigens von den hier aufgezählten der einzige Punkt, wo die Neos tatsächlich liberal im klassischen Sinne sind. Ansonsten positionieren sie sich ja leider meist links von der ÖVP.

Schwulenehe

Ein wirklich Liberaler würde bis heute vehement dagegen protestieren, dass seit einigen Jahren eine neue Gruppe ohne jeden Grund Privilegien zu Lasten Dritter bekommen hat. Diese Privilegien, welche die Schwulenaktivisten erkämpft haben, sind die Eintrittsrechte in Billigmieten zu Lasten von Wohnungseigentümern; sind die Gratis-Witwer-Pensionen, die sie nun Pröll und Gusenbauer sei Dank von uns erhalten.

Davon redet jedoch keiner der angeblich Liberalen. Vordergründig wird vielmehr um die Lächerlichkeit gestritten, ob Schwule nun „Nachnamen“ oder „Familiennamen“ haben. Was seit der prinzipiellen Kursänderung unter Josef Pröll nun schon wirklich wurscht ist.

Noch absurder ist: Die konservativen Katholiken kämpfen jetzt stark dagegen, dass schwule Verpartnerungen auf Standesämtern stattfinden. Statt dass sie gerade als Katholiken gegen JEDE Zeremonie auf Standesämtern eintreten. Genauso wie es jeder wirklich Liberale täte. Was diese Katholiken offenbar nicht mehr wissen: Die staatlichen Eheschließungen in der heutigen Form sind in Österreich erst im 20. Jahrhundert eingeführt worden – als Kampfinstrument gegen die religiöse Eheschließung.

Genauso kommen wirklich Liberale zu dem Schluss: Der Staat sollte absolut nichts mit irgendeiner privaten Zeremonie zu tun haben. Christen können eine solche in der Kirche veranstalten, und jeder andere, wo er sonst will. Am Donauturm, im alten Rittersaal, im Hubschrauber, im Gasthaus-Festsaal, in der Moschee.

Der Staat selbst hat hingegen so wie bei der Geburt, bei der Scheidung und beim Tod überhaupt nichts zu organisieren. Und schon gar nicht peinlich-schwülstige Hochzeitsreden eines Beamten. Der Staat hat ohne jede Zeremonie zu beurkunden und die rechtlichen Voraussetzungen zu prüfen. Aus.

Übrigens: Eheschließungen gingen einen liberalen Staat auch dann nichts an, wenn nicht ohnedies mindestens jede zweite Ehe in Trümmern, also meist Scheidungen enden würde.

Wenn sie dann gar kein Argument mehr haben, holen dann die Schwulen-Aktivisten ihr letztes Argument hervor: Aber Homosexuelle würden sich doch so brav und fürsorglich umeinander kümmern. Nun, glauben wir halt diese Behauptung (auch wenn wir keine statistische Evidenz dafür gefunden haben). Fragen wir lieber: Wenn das der Grund für die finanzielle Freizügigkeit des Staates sein soll – was ist dann mit all jenen, die sich ebenfalls brav und fürsorglich umeinander kümmern, aber ohne eine Ehe abschließen zu können oder wollen?

Was ist etwa mit den alt gewordenen Geschwistern, die sich in weit größerer Zahl um einander kümmern? Sollen die etwa gar vorgeben, eine inzestuöse Beziehung zu haben? Was ist mit den Bewohnern eines Klosters? Warum bekommt jener Mönch, der immer gekocht und geputzt hat, dann nicht auch eine Witwerrente nach dem anderen Mönch, der staatlicher Schulprofessor gewesen ist?

Witwenrenten

Ein wirklich Liberaler würde auch längst schon dagegen kämpfen, dass kinderlose Ehepartner eine fette Witwer- oder Witwenrente bekommen. Ohne dass für diese jemals ein Cent eingezahlt worden wäre. Warum bitte? Warum bekommen solche Hinterbliebene über ihre Eigenpension hinaus noch eine zweite Pension? Wo war ihre Leistung?

Bei der Einführung der Witwenrenten im 19. Jahrhundert hat man natürlich nur an die Versorgung von Witwen gedacht, die den Großteil ihres Arbeitslebens mit der Kinderaufzucht verbracht haben und die deswegen ohne Eigenpension dagestanden sind. Oder an die bei einem Arbeitsunfall früh verstorbenen Familienerhalter. Damals ist man ja meist vor dem Pensionierungsdatum gestorben. Damals hat ja fast jede Ehe Kinder in die Welt gesetzt oder zumindest diese Absicht gehabt. Da war es logisch und einfacher, gleich alle Witwen zu versorgen.

Das ist heute gewiss nicht mehr der Fall. Viele Ehen bleiben kinderlos. Die Gratis-Witwenrente ist sicher nicht für die Luxuspartnerin gedacht, die ohne Arbeitstätigkeit das Leben an der Seite des Karriere-Mannes verbringt und die sich nicht mit Lästigkeiten wie Kindern abgibt. Die dann aber eine dicke Witwen-Pension erhält.

Liberal heißt zum Unterschied von Interessenpolitik eben immer, nach rationalen, sparsamen und gerechten Lösungen zu suchen. Eine Berechtigung für solche Witwenrenten gibt es in einer liberalen Perspektive immer nur, wenn Kinder betreut worden sind.

Liberal vs. konservativ

Auch hier deckt sich übrigens eine echt liberale Sichtweise so wie in der Schulfrage weitgehend mit einer wertkonservativen. Nur haben skurrilerweise die Verbands-Konservativen – etwa die Familienverbände – nie nach der Abschaffung von Witwenrenten für Kinderlose gerufen. Dabei gäbe es wahrscheinlich nur so mehr Geld für Mehrkinderfamilien.

PS: Zeigt nicht der Wahlerfolg der Neos den Trend zu linker Liberalität? Nein, denn in den nie präzise werdenden Wortschwall des Matthias Strolz projiziert jeder etwas total anderes hinein. Und kaum werden die Neos präziser, dann wird bei ihnen wie einst bei Heide Schmidt liberal ganz offenkundig auch auf der ersten Silbe betont. Das kann man an der pinken Unterstützung für die Zwangsgesamtschule genauso ablesen wie an ihrer undifferenzierten Unterstützung für alle schwulen Anliegen.

PPS: Wer in den letzten Monaten nach irgendwelchen Positionslichtern des ÖVP-Obmannes zu den einschlägigen Streitpunkten sucht, der wird keine finden. Er hat sich ja von einem skurrilen PR-Berater ins Finanzministerium treiben lassen, wo er sich als schwer überfordert zeigt. Und schweigt ansonsten überall, wo die schlingernde ÖVP dringend Führung bräuchte.

 

zur Übersicht

Kommentieren (leider nur für Abonnenten)

Teilen:
  • email
  • Add to favorites
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter
  • Print




© 2024 by Andreas Unterberger (seit 2009)  Impressum  Datenschutzerklärung