Der Christbaum: Eine kleine Kulturgeschichte

Autor: Ronald Schwarzer

Wir brauchen dringend ein gemeinsames Fundament für unsere Gesellschaft

Autor: Christian Klepej

Deutschlands gemütliche Machtergreifung von 2024/25

Autor: Leo Dorner

Wenn alle untreu werden

Autor: Dieter Grillmayer

Zeichen der Hoffnung für den Westen

Autor: Karl-Peter Schwarz

Rumänien als Probelauf für die Abschaffung der Demokratie in Europa?

Autor: Wilfried Grießer

Die Woken und ihre Geschichten

Autor: Karl-Peter Schwarz

Brandmauern gegen rechts: EU-Länder werden unregierbar

Autor: Werner Reichel

EU am Scheideweg: Markt- oder Planwirtschaft?

Autor: Andreas Tögel

Langsam, aber sicher wird die Freiheit in Europa rückabgewickelt

Autor: Christian Klepej

Alle Gastkommentare

Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung. 

weiterlesen

Ukraine, Neutralität und der Herr Kurz

Ist Sebastian Kurz endgültig die letzte, die vergangene Zukunft der ÖVP? Ist der Mann von allen guten Geistern verlassen? Reihum gibt der Mann nämlich Interviews, in denen er die Neutralität der Ukraine vorschlägt. Ja, er schickt zur Belehrung über selbige sogar schon Diplomaten nach Kiew. Kurz meint nun offenbar – wenige Jahre nachdem die Volkspartei richtigerweise die Neutralität mit Mozartkugeln verglichen hatte! –, die Welt solle am österreichischen Wesen genesen. Es wäre ziemlich gut, würde der junge Mann wenigstens ein bisschen Geschichte lernen, bevor er sich gar so peinlich exponiert.

Gewiss: Ich kann mir schon vorstellen, dass von Raiffeisen bis zur Gasindustrie viele auf dem jungen Minister und wohl auch seinem Parteiobmann draufsitzen. Alle bangen sie um ihre Geschäfte.

Aber alle diese bangenden Manager vergessen, dass bei einem Zusammenbruch der internationalen Ordnung ihre Geschäfte noch tausendmal mehr beim Teufel sind, als wenn man ein bisschen Mut und Grundsatztreue zeigt. Und diese Ordnung kollabiert mit Sicherheit total, wenn Armeen wieder folgenlos in andere Länder einmarschieren können. Wer da zur Tagesordnung übergehen will, vergisst die entscheidenden Grundlagen, auf denen auch seine Geschäfte stattfinden.

Diese Geschäftemacher vergessen überdies, dass Russland jede Maßnahme viel mehr spüren wird. Und dass es schon heute in völlig unerwartetem Umfang unter den scheinbar noch sehr harmlosen Beschlüssen leidet. Sie übersehen völlig die Wirkungen, die jetzt schon die Bankmaßnahmen und die Einreiseverbote für einige russische Drahtzieher haben.

Denn große Geldmengen sind in den letzten Wochen insbesondere auch von Russen aus Russland abgezogen worden. Moskau kann seine Refinanzierung ab Mitte des Jahres nicht mehr sicherstellen. Russische Anleihen werden inzwischen sogar als weit schlechter angesehen denn selbst griechische. Viele Investitionen in Russland sind abgesagt worden. Würde Russland nun im Gegenzug seine Gas- und Öllieferungen stoppen, wäre das Land überhaupt blitzschnell bankrott – was Putin daher nur täte, wenn er völlig wahnsinnig wäre. Die Ersatzlieferanten von (verflüssigtem) Gas für spätere Jahre stehen seit ein paar Wochen in Europa geradezu Schlange, was in wenigen Jahren das russische Gaseinkommen total schrumpfen lassen wird. Und auch die Halbinsel Krim hat sich für Russland als teures Fass ohne Boden erwiesen.

Nachdem Russland gerade in Sotschi schon so viel Geld relativ sinnlos ausgegeben hat, steht es also ziemlich katastrophal da. Die Sanktionen und die Sanktionsdrohungen der USA und aller westeuropäischen Staaten zeigen erstaunliche Wirkung. Das und nur das macht Hoffnung, dass sich zumindest die Krim nicht wiederholen wird. Ganz eindeutig sind die internationalen Verbindungen der Weltwirtschaft heute weit enger und dichter, als sie jemals vor den beiden Weltkriegen waren. Das wird nun Putin – trotz aller Popularität, die er mit seiner nationalistischen Scharfmacherei im Inland gewinnt, – zunehmend klar. Das könnte ihn auch von weiteren Abenteuern abhalten.

Das ist die beste Nachricht dieser letzten Wochen. Neben der Standfestigkeit des Westens lässt die Globalisierung mit großer Wahrscheinlichkeit jetzt in Moskau wieder die Rationalität obsiegen.

Neutralität hat es 1955 nur nach dem  Abzug der Sowjets gegeben

Umso dümmer sind jene Stimmen insbesondere in Österreich, die täglich Angst vor Russland äußern und die darum betteln, nur ja nichts Kritisches gegen die Invasoren zu sagen. Umso dümmer ist es – für einen Außenminister, einen Regierungschef, einen Bundespräsidenten – nicht ständig den zentralen Satz zu sagen, den gerade Repräsentanten eines kleinen Landes ständig sagen müssten: Es ist einzig und allein Sache jedes Landes selber, wie es sich außen- und sicherheitspolitisch orientiert; die Zeiten von Einfluss-Sphären sind vorbei.

Erschütternder Weise hört man in Österreich nie diesen Satz in aller gebotenen Deutlichkeit. Statt dessen vernimmt man regierungsoffizielle Lächerlichkeiten über eine Neutralisierung der Ukraine.

Schlimm. Sollen die Mozartkugeln jetzt auch bei den Schwarzen die nationale Ersatzdoktrin werden? Nur weil es die Kronenzeitung so will und weil die (in Sachen Neutralität einst durchaus vernünftigen) Blauen schon umgefallen sind?

Jede vernünftige Außenpolitik wüsste: Erst wenn aus der ukrainischen Führung der klare Wille zur Neutralität kommt oder zumindest eine klare Anfrage, hat man das Wort in den Mund zu nehmen, und hat man die Geschichte der Neutralität möglich objektiv darzulegen. Aber wahrscheinlich ist ja dieses Wissen um die Neutralität in der Generation von Kurz und seinen „strategischen Beratern“ verloren gegangen.

Würden Österreich wirklich gefragt, dann hätte es ohne Herumreden klarzumachen:

  • dass die Neutralität Belgiens im 20. Jahrhundert gleich zweimal blitzschnell von einmarschierenden Truppen weggewischt worden ist;
  • dass die Schweiz nicht wegen der Neutralität, sondern wegen ihrer starken Rüstung zweimal frei geblieben ist;
  • dass Westeuropa UND Österreich zwischen 1945 und 1989 einzig wegen der Stärke der USA und dann der Nato frei geblieben sind;
  • und vor allem dass die österreichische Neutralitätserklärung von 1955 eine ganz spezifische Geschichte hat.

Denn es war damals bei Schwarz wie Rot ganz selbstverständlich: Vor jedem Gedanken an eine aus „freien Stücken“ erklärte Neutralität muss es den kompletten und restlosen Abzug aller fremden Truppen geben. Insbesondere der sowjetischen mit ihren bösen Übergriffen, die bei vielen Österreichern sogar die Nazi-Katastrophe und ihre Verbrechen in den Hintergrund gedrängt hatten.

Der Abzug der Besatzer, aller Besatzer und nicht etwa die Neutralität war damals zehn Jahre lang das Ziel aller Österreicher (außer der Kommunisten). Obwohl es jedem einzelnen damals viel schlechter gegangen ist als heute. Obwohl noch in den 50er Jahren Hunderttausende junge Menschen auswandern mussten (nicht nur ein Frank Stronach). Kein Österreicher hätte eine Neutralität nur westlich der Enns akzeptiert. Dieser Teil Österreichs wäre bei einer sowjetischen Okkupation des Ostens mit Sicherheit sofort der Nato beigetreten.

Aber rätselhafterweise bleibt all das ungesagt.

  • Als ob es nicht schon genügt, dass sich österreichische Parlamentarier lächerlich machen, die verlangen, dass Österreich auf Saudiarabien „einwirkt“, sich besser zu benehmen.
  • Als ob es nicht schon genügt, dass sich FPÖ-Abgeordnete und ein Ewald Stadler als apologetische Staffage für das russische Krim-Referendum hergegeben haben.
  • Als ob es nicht schon genügt, dass die Neos ernsthaft die EU-Mitgliedschaft Russlands und der Türkei verlangen.

Es ist manches Mal recht schwer, ein Österreicher zu sein.

 

zur Übersicht

Kommentieren (leider nur für Abonnenten)

Teilen:
  • email
  • Add to favorites
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter
  • Print




© 2024 by Andreas Unterberger (seit 2009)  Impressum  Datenschutzerklärung