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Die Ukraine kann nur geteilt überleben

Fast stündlich wechseln die Nachrichten aus der Ukraine. Da gibt es einmal unerträgliche Blutbäder und ein andermal Einlenk-Signale. Man sollte sich aber selbst trotz der Wechselhaftigkeit dieser Nachrichtenflut um klare Orientierungspunkte bemühen. Die großteils unerfreulichen Grundwahrheiten reichen von der einzig möglichen Zukunft der Ukraine bis zum Verhalten der EU, österreichischer Parteien und (wieder einmal) des ORF.

Es wäre jedenfalls für alle besser, diesen sieben Fakten möglichst rasch ins Auge zu sehen:

  1. Das wichtigste ist die völlige Zweiteilung der Ukraine in einen prorussischen und einen europäischen Teil. Zwar will kein Teil wirklich die Sezession. Aber jeder Teil will etwas komplett anderes. Es wäre für die Ukrainer zweifellos besser, wenn sie das selbst möglichst bald als unvereinbar erkennen. Das Land besteht aus zwei Teilen, die niemals zusammenwachsen werden. Auch wenn es – möglicherweise – noch gesamtukrainische Wahlen geben sollte. Auch wenn die EU wieder einmal wie einst in Jugoslawien, beziehungsweise heute in Bosnien als letzte begreift, dass eine Trennung für die Menschen der Ukraine der weit bessere Weg wäre als künstliches Festhalten an staatlicher Einheit. Nur um dieser selbst willen. Der westliche Teil des Landes ist übrigens noch bis zu deren Ende Teil der k. und k. Monarchie gewesen. Dessen ist sich zwar kaum noch jemand in Europa oder Österreich bewusst, aber es wirkt bis heute.
  2. Erbärmlich ist das Herumgetue mit Sanktionen gegen ukrainische Akteure. Gerade auf österreichischer Seite wird man den Eindruck nicht los, dass da auch Interessen von Immobilienwirtschaft, Luxusartikelhandel und Banken mitspielen. Zwar sollte man sich nicht der Illusion hingeben, dass mit Sanktionen das (von Moskau massiv gestützte!) Janukowitsch-Regime zu stürzen wäre. Aber spürbare Sanktionen wären ein wichtiges Signal, das es noch Restbestände von Moral in der Politik gibt. In Wahrheit hätte das Regime ja schon unter Quarantäne gehört, als es politische Gegner nach russischer Art auf Jahre weggesperrt hat.
  3. Der Herr Janukowitsch darf keinesfalls mehr Teil einer potentiellen Lösung sein. Nicht nur, weil er von der Körpersprache bis zur Lügenhaftigkeit und zum Zynismus an die alte Sowjetunion erinnert. Er ist vor allem auch seit jenem Zeitpunkt kein Gesprächspartner mehr, seit er gezielt auf seine Bürger schießen ließ und dadurch zahllose Opfer auf dem Gewissen hat. Die EU macht sich schlicht lächerlich, wenn sie jetzt so tut, dass dafür nur ein paar Polizeikommandanten, aber nicht primär der Staatschef und seine Regierung verantwortlich wären. Auch das Argument, man müsse ja trotzdem mit Janukowitsch verhandeln, weil er halt Chef wäre, stimmt nicht. Viel wichtiger wäre es, klare Signale an die diversen Oligarchen zu senden, dass sie Janukowitsch endgültig fallen lassen sollten. Diese sind zwar auch nicht immer erfreuliche Figuren, sie haben aber (noch) nicht bis zum Ellbogen Blut an den Armen. Ihnen muss klar gemacht werden, dass sie sich (und ihre Villen in Wien) dann retten können, wenn sie den von ihnen abhängigen Staatschef feuern. Aber nur dann.
  4. Genauso kritisch muss der Vergleich zum Verhalten einiger westlicher Länder in Libyen oder in Ägypten ausfallen. Damals hat man sehr energisch bis hin zum Einsatz der britischen und französischen Luftwaffe agiert, um dortige Diktatoren zu stürzen. Ganz anders verhalten sich diese Länder in der Ukraine. Es gibt spätestens seit dieser Woche absolut keinen Unterschied mehr an Grauslichkeit zwischen einem Janukowitsch und beispielsweise einem Gadhafi. Und die Gegenseite des jeweiligen Herrschers ist in der Ukraine zweifellos anständiger und erfreulicher, als sie in Nordafrika war. Dort war ja trotz Twitter-Getue und Gerde von einer angeblichen "Facebook-Revolution" nüchternen Beobachtern immer klar, dass der Westen absurderweise undemokratische Fundamentalisten unterstützt.
    Wohlgemerkt: Das ist kein Appell, in der Ukraine militärisch einzugreifen. Das ist aber sehr wohl ein Appell, wenigstens im Rückblick zu erkennen, dass man in Nordafrika einen schweren Fehler begangen hat. Außenpolitik hat nur dann wenigstens irgendetwas mit Gerechtigkeit, mit Moral zu tun, wenn sie Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandelt. Oder hängt der Unterschied ohnedies nur damit zusammen, dass hinter Janukowitsch Russland steht, hinter Gadhafi jedoch niemand gestanden ist? Dann sollte man zumindest ab Kiew verzichten, diese einstigen Interventionen irgendwie positiv anzusehen.
  5. Sehr mies sind freilich auch all jene Stimmen, die in diesen ukrainischen Stunden das Verhalten der EU mit jenem Moskaus gleichsetzen. Die EU hat mit absoluter Sicherheit niemanden zum Einsatz von Scharfschützen aufgefordert oder ermuntert. Sie hat zwar – zu Recht unter klaren Bedingungen! – die Ukraine zur Partnerschaft eingeladen. Russland hingegen will das Land so wie Belarus zur kolonial behandelten Marionette degradieren. Wer diesen Unterschied nicht sieht, ist blind.
  6. Solche Blindheit ist in Österreich offenbar nicht nur auf der Linken zu konstatieren, sondern auch bei der FPÖ. Diese hat sich mit ihrer Russlandliebe auf einen unakzeptablen Kurs begeben. Gewiss teile ich ihre Sympathien etwa für russische Gesetze, die es verbieten, schwule Propaganda vor Kindern zu machen (die dagegen gerichtete Stimmungsmache linker und schwuler Kreise sowie des Raiffeisen-Exponenten Hermann Maier vor Olympia war mehr als widerlich). Aber man darf als Gruppierung, die ihre Rechtsstaatlichkeit betont, niemals Russlands imperialistisches und undemokratisches Verhalten ignorieren.
  7. Die größten österreichischen Widerlichkeiten sind aber wieder einmal beim ORF anzutreffen. Da hetzt etwa ein Armin Wolf gegen die ukrainischen Maidan-Kämpfer, weil dort auch Rechtsgerichtete dabei sind: Wäre der ORF-Anchorman noch rationalen Argumenten zugänglich, müsste man ihn fragen, ob er auch den Fall der Berliner Mauer rückgängig machen will oder zumindest ablehnt, weil dort auch viele rechtsgerichtete Menschen dabei waren? Da lädt man am nächsten Tag einen Politologen der Uni Wien  zum Thema Ukraine ins Fernsehen – verschweigt dabei aber völlig, dass der Mann in Moskau geschult worden ist, dass er noch 1989 in der SED sehr aktiv gewesen ist! Man lernt: Selbst bei einem Land wie der Ukraine kommen ihnen die extremistischen Instinkte durch.

 

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