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Not in my Backyard oder das Wiener Florianiprinzip

Die Wiener Politik wird immer stärker von einem sich verengenden Kirchturmshorizont geprägt. Diese Denkweise zeigt sich vor allem, seit immer mehr Macht an die Bezirke gegangen ist. Zwar war auch schon die Trennung zwischen Wien und Niederösterreich vor fast einem Jahrhundert ein Unsinn; diese Trennung hat ja seither viele Probleme zwischen Wien und den großen Umlandgemeinden ausgelöst. Aber noch viel schlimmere Konsequenzen hat die zunehmende Verschiebung wichtiger Entscheidungen vom Rathaus an die 23 Bezirke während der letzten Jahrzehnte.

Politiker haben eine überragende Priorität: die eigenen Wähler. Für einen Bezirkspolitiker sind das naturgemäß nur die im Bezirk wohnenden Menschen und nicht etwa die Wiener oder Niederösterreicher aus anderen Wahlsprengeln. Dies gilt auch dann, wenn diese beruflich oder als Klienten, Patienten und Kunden mit dem betreffenden Bezirk viel zu tun haben. Dies gilt auch dann, wenn Unternehmen, Ärzte, Anwälte und sonstige Dienstleister in diesem Bezirk arbeiten und Kunden dorthin anziehen. Sie alle haben aber dort kein Wahlrecht und sind für die lokalen Politiker daher irrelevant.

Diese Entwicklung führt zwischen den beiden Bundesländern und zwischen den Wiener Bezirken zu immer absonderlicheren Situationen.

Zwischen Wien und Niederösterreich leiden etwa Hunderttausende darunter, dass alle Wiener U-Bahnen an den Stadtgrenzen enden. Dabei sind Klosterneuburg, Purkersdorf, Schwechat und insbesondere der Süden bis Baden de facto schon untrennbar geschlossenes Wiener Siedlungsgebiet. Die Menschen arbeiten in einer Gemeinde, in einem Bezirk. Sie wohnen in einem anderen. Und kaufen in einem dritten ein. Für sie ist aber alles eine Einheit.

Für die Gemeinden und (in Wien) die Bezirke jedoch nicht. Dort wird immer nur nach den Bedürfnissen der eigenen Wähler geplant.

Dabei ist Wien eigentlich gleichzeitig Land, Politischer Bezirk und Gemeinde. Die Kompetenzen der Wiener Bezirke sind nur administrative Ausgliederungen einer verfassungsrechtlich einheitlichen Stadtverwaltung. Die Verfassungslage wird aber zunehmend ignoriert.

Je kleinteiliger solche Körperschaften werden, umso absurder sind die Ergebnisse dieser Fehlentwicklung. Das ist umso mehr der Fall, je stärker die Ausgaben-Verantwortlichkeit von den Einnahmen getrennt ist. Dadurch schauen politische Gremien nicht mehr auf die Folgen der eigenen Entscheidungen für die Steuereinnahmen.

Das Steuereinkommen ist in Österreich stark auf die Arbeits- und Einkaufsplätze hin orientiert. So ist Vösendorf (mit der Shopping City Süd) eine der reichsten Gemeinden Österreichs. Wohnort ist es aber nur für ganz wenige der Menschen, die dort ihr Geld lassen.

Besonders deutlich sieht man die Dummheit eines solchen Systems an Hand der Kurzparkbezirke. Hat sich die Einführung der Kurzparkzonen für die regionalen Arbeitsplätze anfangs durchaus positiv ausgewirkt, so drohen nun politische Entscheidungen zum gegenteiligen Effekt zu führen.

In den letzten Jahren hatten die sich immer mehr ausdehnenden Kurzparkzonen durchaus positive Wirkungen für Unternehmen in den betroffenen Gebieten. Viele Autofahrer konnten wieder zu Geschäften, Ärzten usw. fahren. Sie konnten dort ein, zwei Stunden ihre Einkäufe und Konsultationen erledigen und dann wieder wegfahren und den Parkplatz für den nächsten Nutzer räumen. Das hat die Stadt in der Konkurrenz mit dem Umland gut positioniert.

Viele Ziele sind halt nur mit dem Auto gut erreichbar; man braucht – wenn es nicht um die direkte Umgebung einer U-Bahn-Station geht – mit dem Auto vielfach deutlich weniger Zeit ans Ziel; man kann mit Gehbehinderten zum Arzt fahren; und nur sehr wenige Menschen haben Lust, sich nach einem Einkauf mit Säcken bepackt in öffentliche Verkehrsmittel zu zwängen. Nicht einmal Grüne tun das, obwohl sie immer behaupten, wie toll doch die „Öffis“ wären.

Die flächendeckenden Kurzparkzonen sind eine deutliche Verbesserung im Vergleich zu früheren Zeiten. Jene Zeiten sind freilich manchen aus dem Gedächtnis verschwunden. Damals sind Beamte und Angestellte oft schon eine Stunde vor Arbeitsbeginn in die Stadt gefahren, um nur ja einen der Gratisparkplätze zu bekommen. Sie haben dann halt im Auto gefrühstückt und Zeitung gelesen. Alle Parkplätze waren voll, auch in zweiter Spur standen Fahrzeuge. Jene hingegen, die Geld ins Stadtzentrum gebracht hätten, wurden abgeschreckt.

Währing und Döbling sind derzeit (noch) nicht Kurzparkzone. Sie sind die weitaus zentrumnächsten Gebiete ohne Pickerlpflicht. Ihre Situation ist nur mit der Parteipolitik erklärbar. Sie sind nämlich (so wie auch das etwas außerhalb liegende Hietzing) schwarz regiert und haben daher auf ein unsensibel vorgebrachtes Diktat der rotgrünen Stadtregierung negativ reagiert.

Diese Dummheit beider Seiten hat in den genannten Bezirken nun sehr negative Folgen: Sie sind heute von stadtfremden Autos total zugeparkt. Diese bleiben oft wochenlang am gleichen Platz stehen. Dennoch reagieren die Bezirke nicht, weil sie nicht mehr aus ihrer parteipolitischen Fixierung herauskommen.

In Währing ist beispielsweise sogar ein Antrag von Gewerbetreibenden und Geschäften abgewiesen worden, wenigstens lokal eine kleine Kurzparkzone einzurichten, damit Kunden parken können. Etliche Betriebe haben daraufhin zugesperrt und den Bezirk verlassen. Egal. Sie waren ja keine Wähler.

Die flächendeckenden Kurzparkzonen in anderen Bezirken sind hingegen – vorerst – ein voller Erfolg. Statt nur eines Ganztagnutzers (ohne Beitrag zur Wertschöpfung) können so im Laufe eines Tages fünf bis zehn verschiedene Autofahrer Geld in die innerstädtische Gastronomie, zum Handel oder zu irgendwelchen Dienstleistern tragen.

Aber jetzt schlägt die Kurzsichtigkeit der Bezirkspolitiker zurück: In rapidem Tempo beschlagnahmen sie die Kurzparkplätze und reservieren sie für die Bezirksbewohner. Diese lassen dann ihr Auto oft die ganze Woche dort stehen. Hingegen werden die für die Unternehmen viel wertvolleren Kurzzeitbesucher wieder abgeschreckt.

Nun werden manche einwenden: Aber die Bezirksbewohner zahlen ja für ihr „Bezirkspickerl“. Das ist ein typisch politisches Argument. Denn das, was die Menschen fürs Pickerl zahlen, ist deutlich weniger als das, was Bezirksfremde schon binnen einer halben Stunde zahlen würden. Daher ist das Bezahlargument absolut unsinnig.

Dennoch werden die für Bezirksbewohner exklusiv reservierten Parkplätze, die vor zwei Jahren erfunden worden sind, nun rapide ausgedehnt. Auf Anordnung der grünen Stadträtin Vassilakou und vor allem auf intensiven Wunsch der betroffenen Bezirke können nun schon 20 Prozent aller Parkplätze für Bezirksbewohner reserviert werden. Und alle Pickerl-Bezirke machen mit, ob rot, ob schwarz, ob grün regiert.

Die schwarze Josefstadt war übrigens die erste mit diesem Unsinn. Gerade in diesem kleinen, aber dicht besiedelten Bezirk, in dem es zugleich besonders viele Lokale, Theater, Ordinationen und auch Geschäfte gibt, stößt man bei Kritik an diesem „Fremde Autos brauch ma net“ rasch auf die Gegenfrage: Aber wohin sonst mit dem eigenen Auto der Bewohner?

Dem ist freilich gleich zweierlei entgegenzuhalten. Erstens: Niemand hat um seine Miete (oder den Kaufpreis einer Wohnung) schon das automatische Recht miterworben, zusätzlich um weniger als 50 Cent pro Tag, also fast gratis, ständig acht Quadratmeter öffentlichen Grundes exklusiv nutzen zu können.

Zweitens zeigen sich gerade in der Josefstadt die schweren Defizite der Politik: Sie hat im ganzen Bezirk nur zwei (noch dazu eng beieinanderliegende) öffentliche Garagen errichten lassen. Das ist viel zu wenig. Dabei gäbe es viele Möglichkeiten, im achten Bezirk oder an dessen Grenzen Garagen zu bauen. Insbesondere gilt das rund um das Theater, dessen Provinz-Besucher nun oft schon über eine Stunde vorher anreisen! Etwa unter dem Piaristenplatz könnte man eine Garage errichten (wobei natürlich das prachtvolle Barock-Bild von Kirche und Kloster komplett unverändert bleiben müsste), unter dem Schmidt-Platz, oder insbesondere unter dem Schönbornpark. Bei diesem könnte übrigens im Zuge eines Garagenbaus endlich auch die seit Jahren völlig desolate Umfassungsmauer wiederhergestellt werden.

Natürlich gibt es gegen jedes Garagenprojekt Widerstände. Aber wenn jetzt die Politik den Anrainern das ganzjährige Fast-Gratis-Parken vor der Haustür garantiert, wird der Widerstand natürlich noch größer werden. Was dazu führen muss, dass Wien wieder wie einst total zugeparkt sein wird. Die Arbeitsplätze werden halt noch rascher ins Umland – oder auch ins Ausland – abwandern.

Aber den Bezirkspolitikern mit ihren Kirchturmhorizont ist es ja gleich. Dass dadurch ständig noch mehr Wertschöpfung vertrieben wird, wirkt sich ja weder auf die Bezirke noch deren Budgets aus. Und das Rathaus ignoriert diese Auswirkungen offensichtlich auch.

Glaubt es doch, mittels innerparteilichem Druck sich das Geld auf dem Weg des Finanzausgleichs vom Bund – trotz dessen explodierender Schulden – holen zu können. Weshalb sich das Rathaus alle vielleicht mancherorts unpopulären Anstrengungen erspart, Wien – für Arbeitsplätze wie Autofahrer – wieder interessanter zu machen. Und es unterstützt daher die Ausbreitung des Floriani-Prinzips. Auch wenn sich dieses am Ende immer als ein abgrundtief dummes erwiesen hat.
Heiliger Sankt Florian
Verschon unser Haus!
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Ich schreibe regelmäßig Kommentare für die unabhängige und rund um die Uhr aktuelle Informationsseite „Vienna.at“.

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