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Wolfgang Kulterer ist ein gebrochener Mann. Er wird auf Jahre hinter Gefängnismauern verschwinden. Es scheint zwar unbestritten, dass er nie etwas für sich selbst genommen hat. Trotzdem steht die – neuerliche – Verurteilung des Mannes zu Recht außer Diskussion. Sein schriftliches Geständnis war nur noch der Abschluss einer persönlichen Tragödie. Was aber noch viel gravierender ist: Selten ist die Dramatik der Schnittstelle zwischen Politik und Wirtschaft und der einseitige Missbrauch der Macht so offenkundig geworden.
In der Hypo ist mehr aufgebrochen als nur ein System Kulterer. Auf der Anklagebank müssen genauso die politischen Systeme aus Kärnten, Bayern und Österreich sitzen. Alle drei haben dazu beigetragen, dass der Schaden durch die Bank immer noch größer wurde.
Angefangen hat es in Kärnten. Kulterer hat vor ein paar Tagen in einem privaten Gespräch zugegeben, dass er als Bankchef dem ständigen Drängen der Großmannssucht und des politischen Balzgehabes des Jörg Haider immer wieder sträflich nachgegeben hat. Haider hat die Bank offenbar für sein Privatvermögen gehalten. Er hat geglaubt, über ein großes internationales Geldinstitut zu kommandieren. Dessen Tätigkeit ihm politisch nützlich sein sollte. Und Kulterer hat gehorcht.
Da in Osteuropa aber schon lange vorher andere (meist ebenfalls österreichische) Geldinstitute aktiv geworden waren, blieb für die Hypo nur das besonders riskante Geschäft vor allem auf dem Balkan. Ohne allzu sehr Vorurteilen nachhängen zu wollen, so kann man wohl schon sagen, dass in Südosteuropa der Hang zu – nennen wir es höflich: Luftgeschäften besonders groß ist. In Polen, Tschechien, der Slowakei oder den baltischen Staaten verhalten sich Geschäftspartner im Schnitt jedenfalls korrekter als jene auf dem Balkan (Gauner gibt’s überall). Eine Zeitlang konnte man auch Ungarn zum korrekten Teil der Reformstaaten rechnen. (Das ist heute wohl nicht mehr möglich, seit dort sehr gezielt gegen Ausländer vorgegangen wird.)
Gewiss würgen auch andere heimische Banken an osteuropäischen Investitionen. Aber sie haben offensichtlich doch ein wenig mehr Verantwortungsbewusstsein gezeigt. Privatwirtschaftliche Banken in Deutschland wie Österreich haben sich nachweislich deutlich vernünftiger verhalten als jene im Eigentum von politisch regierten Körperschaften. Sie taten das offensichtlich schon deshalb, weil sie rein bilanzorientert handeln, weil sie nicht von politischen Interessen oder auch vom Größenwahn eines Landeshauptmanns zusätzlich angetrieben werden. Obwohl sie gleichzeitig auch noch eine ordentliche Bilanz präsentieren sollten.
Jedenfalls hat in der Epoche von Jörg Haider die Hypo Alpe-Adria sehr riskant agiert. Und Kulterer ließ sich letztlich immer unter Druck setzen. Obwohl er oft Nein sagen hätte müssen, tat er das, was etwa auch bei der Bawag viele getan haben: Sie haben ständig dem Big Boss zugestimmt (ob sie innerlich dagegen waren oder nicht, ist schon egal). Sonst wären sie ja bald ihren Posten los gewesen. Und an dem hing ja de facto ihre ganze soziale und persönliche Existenz. Ein Mann ist offenbar nur durch seinen Beruf etwas wert.
Was bei Kulterer besonders handgreiflich ist: Denn er wurde jetzt – nach Jahrzehnten der Ehe – nicht nur vom Glück, sondern auch noch von seiner Frau verlassen.
Der Hypo ging es nach ihm aber nicht besser. Es folgte bald der Wechsel ins bayrische Eigentum, wo die Luftgeschäfte munter weitergingen. Die Bayrische Landesbank und die dahinter stehende Landesregierung glaubten, ähnlich wie das schon zuvor Kärnten versucht hatte, mit Brachialgewalt den Balkan-Bankenmarkt erobern zu können. Aber sie kamen naturgemäß noch mehr verspätet, als es ohnedies schon die Kärntner waren. Und sie kannten naturgemäß noch weniger den Balkan und ließen sich daher naturgemäß reihenweise in dubiose Geschäfte mit dubiosen Partnern ein.
Bis dann die Krise kam und die Hypo naturgemäß krachte. Sie wurde von den Bayern sofort mit spitzen Fingern an die österreichische Regierung abgeschoben. Und die war so blöd, sich die schwer marode Bank andrehen zu lassen. „Man kann doch Kärnten nicht in Konkurs gehen lassen“, sagte mir damals der amtierende Finanzminister Pröll, als ich meinte, für insolvente Unternehmen gebe es eine logische Folge: eben die Insolvenz.
Dabei müsste bei der von der Regierung bis heute abgelehnten Insolvenz eben auch Bayern seine Forderungen an die Hypo abschreiben. Ebenso wie Raiffeisen und viele andere. Und in Kärnten könnte man nicht mehr alles auf Haider abschieben. Das würde dem Steuerzahler sehr nützen. Aber da die Regierung kein großes Aufsehen will, wird dieser halt in den nächsten Jahren noch viel mehr bluten müssen.
Genauso teuer kommt uns die dritte Periode der Hypo: die der Verstaatlichung. Nach dieser wurden dort keine riskanten Geschäfte mehr gemacht, sondern der – neuerlich – politische Eigentümer sorgte für das Gegenteil: für völlige Lähmung. Mehr als drei Jahre geschah im Grunde nichts mehr. In der Bank hielt sich jeder bedeckt. Solange nur jeden Monat ein Gehalt bezahlt wurde. Wofür, blieb und bleibt freilich eher unklar.
Kulterer hat Gesetze gebrochen, kein Zweifel. Und er ist dafür zu bestrafen. Nur macht es wahnsinnig zornig, dass die noch viel teureren Fehler der Nach-Kulterer-Zeit, dass die Verbrechen der Politik ganz offensichtlich ohne jede strafrechtliche Konsequenz bleiben. In Bayern, in Wien und in Kärnten. Überall bräuchte es eine politische – und eine strafrechtliche Aufarbeitung der Taten von Politikern, die Banken kontrollierten.
Auch in Kärnten. Denn Haider hat ja die Riesenhaftungen für die Hypo nicht allein beschlossen, sondern mit der ganzen Landesregierung. Also mit Rot und Schwarz. Und die damaligen Landesräte haben sich nicht alle in einer Alko-Fahrt selbst getötet.
Aber wenn man das ordentlich aufarbeiten würde, müsste man ja auch die Geschäfte vieler anderer Landesregierungen aufarbeiten. In Banken, in Stromfirmen oder in Flughäfen. Da kümmert sich die Justiz doch lieber um Meinungsdelikte . . .
PS: Weil wir die Bawag erwähnt haben: Auch dort kann die unbestreitbare Schuld des verurteilten Bawag-Generaldirektors Elsner überhaupt nichts daran ändern, dass noch mehr der eigentliche Hintermann zu bestrafen wäre. Also der damalige Gewerkschaftspräsident Verzetnitsch. Dieser ist eindeutig der Hauptverantwortliche für den Schaden am Vermögen der Gewerkschaftsmitglieder. Er musste aber nie auf einer Anklagebank sitzen. Dorthin setzt man in Österreich ja offenbar nur die Elsners und Kulterers.