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Der letzte der drei größten Nachkriegsösterreicher ist tot

Fritz Molden war in mehrfacher Hinsicht eine der größten Persönlichkeiten der Nachkriegszeit: als begeisterter wie kämpferischer Österreicher und als unbeirrbarer wie echter Liberaler, der seine Wurzel im kampfbereiten Katholizismus hatte, also im weitaus härtesten Gegner der nationalsozialistischen Okkupanten. Seine katholische Fundierung war für Molden völlig kompatibel mit seinem liberalem Denken (das ja nichts mit der Karikatur des Liberalismus zu tun hatte, wie er heute bei linken Gruppierungen wie dem Lif irrlichtert).

Moldens Haltung und seine Lebensgeschichte haben mich in vielen Gesprächen und Begegnungen tief beeindruckt. Daran kann auch die Tatsache nichts ändern, dass er als Unternehmer, Herausgeber oder Verleger letztlich angesichts zu weit gesteckter Ziele kaufmännisch praktisch immer gescheitert ist.

Seine ersten großen Verdienste hat sich Molden im katholischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus erworben. Er wurde damals in etliche lebensgefährliche Abenteuer verwickelt, über die er ebenso gut schreiben wie erzählen konnte. Verurteilungen und Lebensgefahr konnten ihn jedenfalls nie in seinem Glauben an Österreich ins Schwanken bringen.

Gerade in diesem überzeugten Glauben wurzelte sein Engagement für eine klar prowestliche Orientierung dieses Landes. Ihm war klar, dass es ein freies und unabhängiges Österreich angesichts der großen Bedrohung von seiten der "dank" Hitler nach Mitteleuropa vorgestoßenen Roten Armee nur mit aktiver Rückendeckung durch die USA und die CIA geben konnte. Das begreifen zwar manche der heutigen Linken und im Dienste der SPÖ stehenden Zeithistoriker nicht. Das ist aber bei historischer Betrachtung ganz eindeutig.

Gemeinsam mit seinem Vater hat Fritz Molden auch enorme Verdienste um den österreichischen Journalismus erworben. Die beiden waren die ersten – und lange die einzigen –, die an Parteien, Besatzungsmächten und Bundesländerkaisern vorbei unabhängigen Journalismus gemacht haben. Von Otto Schulmeister bis Gerd Bacher sind die interessantesten Köpfe dieser Branche durch seine Schule gegangen. Moldens Journalismus war fast automatisch ein liberaler – und er wurde wegen seiner geistigen Unabhängigkeit von allen Parteien vehement bekämpft.

Molden berichtete in unseren Gesprächen oft von den Problemen der Familie im Kampf um ein Wiedererscheinen der „Presse“ (sein Vater wählte nach dem Krieg sicherheitshalber diesen Ursprungstitel aus 1848, da der 1938 verwendete Name „Neue Freie Presse“ nach 1945 möglicherweise als „Deutsches Eigentum“ gesehen werden konnte, das dann vom sowjetischen Zugriff bedroht war. Hitler hatte ja 1938 das „Judenblatt“ sofort einstellen lassen). Insbesondere der SPÖ-Innenminister Helmer verhinderte lange durch Verweigerung von Papierkontingenten das Erscheinen der „Presse“.

Unkontrollierte Stimmen waren den Machthabern zutiefst suspekt. Auch die anderen Parteien blickten damals voller Abneigung auf die Moldenschen Zeitungen. Woran die Tatsache nichts änderte, dass Fritz Molden unmittelbar nach Kriegsende für die Regierung gearbeitet hatte.

Die „Presse“ steckte dann, als ihr Erscheinen von der Politik nicht mehr verhindert werden konnte, von Anfang an fast immer in ökonomischen Problemen. Aber solange sie unter Moldens Verantwortung erschien, hatte sie dennoch immer Distanz zu den Parteien und Machtträgern gehalten. Dass das später anders werden sollte, hatte dann mit Molden nichts mehr zu tun. Für ihn waren jedenfalls Medien völlig undenkbar, die politische Inserate und Kooperationen akzeptieren. Zu Moldens Zeit hatte die „Presse“ nicht einmal Partei-Inserate angenommen. Die heutigen verdeckten Bestechungen waren damals überhaupt undenkbar.

Zusammen mit seinem Bruder Otto hat Fritz Molden auch für die Schaffung des Forums Alpbach als geistigem Hort des jungen Nachkriegsösterreichs viel getan. Das Forum war damals zwar viel kleiner als das heutige Alpbach. Es war aber intellektuell unabhängig, was nicht nur aus Österreich, sondern ganz Europa absolut faszinierende Denker angezogen hat. Alpbach war noch kein steriles Regierungs-, Kommerz- und Proporzprojekt, das nur mit zahllosen Stipendiaten Relevanz simulieren kann.

Für die heutige politische Linkskorrektheit völlig undenkbar war Moldens großes Engagement für Südtirol. So wie für Gerd Bacher und Bruno Kreisky gilt aber auch in Hinblick auf Molden: Viele aufrechte Österreicher haben in den 60er Jahren ohne Zögern mit dem bombenlegenden Freiheitskampf der Südtiroler kooperiert. Niemand von ihnen hatte Zweifel, dass das der richtige Weg war. Und man sollte sie auch heute nicht haben: Hat doch der bombenlegende Freiheitskampf entscheidend zum Südtirol-Paket mit seiner weitgehenden Autonomie und dem Stopp der Zwangsitalianisierung geführt.

Freilich wurde damals aus Sicherheitsgründen über diese Kooperation mit dem Freiheitskampf nicht viel geredet. Zum Unterschied von den italienischen Carabinieri und von der Justiz der Besatzungsmacht haben die Südtiroler und ihre österreichischen Helfer auch eines immer beachtet: Sie haben strikt Menschenleben verschont. Die grässlichen Folterungen und Morde durch den italienischen Geheimdienst bleiben hingegen bis heute ein Makel in der europäischen Geschichte. Erst jetzt hat ein wichtiges Buch von Hubert Speckner neue Details zu all dem bekanntgemacht.

So wie sich Fritz Molden vor und nach 1945 für ein unabhängiges Österreich einsetzte, so engagierte er sich dann vier Jahrzehnte später auch vehement gegen die von der SPÖ lancierte internationale Diffamierung Kurt Waldheims. Diese hatte ja damals Österreich politisch schwer geschadet. Der Erfolg der Moldenschen Bemühungen (an denen unter anderen auch Hugo Portisch und Paul Lendvai teilnahmen) hielt sich freilich in Grenzen.

Neben dem Kampf gegen die wirtschaftlichen Schwierigkeiten seiner Zeitungen, seiner Druckerei, seines Verlages, die Fritz Molden zweifellos zum Teil auch selbst verschuldet hat, aus denen die Familie aber immer erstaunlich unbeschadet wiedererstand, gab es noch einen letzten politischen Kampf in seinem Leben: Den um die Bewahrung des Textes der Bundeshymne. Der stammte ja von seiner Mutter Paula von Preradovic. Diesen Kampf gegen linke Feministinnen hat Molden freilich wie so manche andere in seinem Leben verloren.

Bis dann schließlich nur noch die Kämpfe gegen vielerlei Krankheiten sein Leben bestimmten.

Umso mehr ist für die Nachwelt festzuhalten, dass Fritz Molden zusammen mit Franz Olah und Leopold Figl zu jenen drei Männern gehört, die zweifellos am meisten für dieses Nachkriegsösterreich getan haben. Es sind jene drei Männer, auf die man als Österreicher für die Epoche jener historischen Schnittstelle zwischen NS-Diktatur, kommunistischer Diktatur und Demokratie am meisten stolz sein darf. Hinter deren Lebensleistung muss bei jeder objektiven Betrachtung kleinliche Kritik an Randaspekten ihres Lebens verschwinden – die natürlich immer möglich ist.

PS: Vor allem Nachgeborenen ist das Lesen von Büchern Moldens sehr zu empfehlen. Denn Molden hatte nicht nur viel Historisches zu erzählen. Er hat es immer auch sehr spannend getan.

PPS: Mehr als erstaunlich blieb den ganzen Todestag über das Schweigen von Bundeskanzler wie Vizekanzler zum Ableben Moldens. Sitzen in deren Kabinetten nur noch zeithistorisch völlig ahnungslose Jungtussis und Jungbuben, wenn den beiden schon selber der Name Molden offenbar nichts sagt? Umso mehr: Hut ab vor dem Bundespräsidenten, der eine sehr ordentliche Würdigung verfasst hat (oder verfassen ließ).

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