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Die erste Erregung über die Ausschreitungen rund um den Wiener Hofburgball ist abgeflaut. Umso wichtiger ist es, in aller Ruhe an die klaren Grundsätze eines demokratischen Rechtsstaats zu erinnern, die da bei manchen Medien bedenklich ins Wanken geraten sind. Bei diesen Grundsätzen müssen Gewaltfreiheit und Versammlungsfreiheit ganz an der Spitze stehen. Wer das ignoriert, stellt sich selbst außerhalb von Demokratie und Rechtsstaat.
Wenn eine Partei wie die Grünen mit diesen Grundsätzen auch heute noch (oder wieder?) so wie in ihrer gewalttätigen Gründungsphase Probleme hat, dann ist das mehr als bedenklich. Skandalöse Nähe zu den schweren Ausschreitungen haben neben den direkt verwickelten Jungen Grünen jedenfalls auch der Wiener Klubobmann der Partei und ihr „Justiz(!)sprecher“ durch völlig unakzeptable Wortmeldungen gezeigt.
Aber haben nicht die Grünen genauso das Recht auf Versammlungsfreiheit wie die Blauen? Ganz gewiss. Jedoch sagen das Recht und alle humanen wie liberalen Prinzipien ganz klar: Versammlungsfreiheit darf nicht dazu benutzt werden, um die Versammlung eines anderen zu stören. Die Freiheit des einen endet immer an der Freiheit des anderen.
Das heißt: Die Grünen und ihre Sympathisanten haben rund ums Jahr das Recht auf (friedlich bleibende!) Demonstrationen, und auch zum Zeitpunkt des Balls haben sie das Recht dazu an jedem anderen Ort. Aber es ist selbstverständliche Pflicht der Polizei, eine ordnungsgemäß gemeldete Veranstaltung vor Störungen zu schützen. Oder es zumindest zu versuchen, wie etwa durch eine Platzsperre angesichts von langer Hand geplanter und durch Import deutscher Gewalttäter so gut wie sicherer Störaktionen.
Gewiss sind die von uns zu tragenden Kosten für den Polizeieinsatz mehr als ärgerlich. Aber diese dürfen niemals ein Grund sein, Veranstaltungen zu untersagen. Die Kosten sollten vielmehr bei denen eingetrieben werden, die sich nicht an Regeln des Rechtsstaats halten.
Wären die Kosten der Polizeieinsätze wirklich ein Argument, Veranstaltungen abzusagen, dann müssten auch wöchentlich sämtliche Fußball-Bundesliga-Spiele verboten werden (Spiele der Champions-Liga prinzipiell erst recht, aber da ist Österreich ja leider nur Zuschauer). Denn große Fußballspiele verursachen bekanntlich besonders regelmäßig und besonders teure Polizeieinsätze, auch oft lange nach einem Spiel oder schon vorher. Als Schuldige tun sich übrigens Anhänger-Gruppen der beiden Wiener Vereine gerne besonders negativ hervor (auch wenn mir einer dieser Klubs davon seit Jugendtagen irgendwie ans Herz gewachsen ist).
Wären die Grünen eine voll in der Rechtsordnung angekommene Partei, dann würden sie prinzipiell jede Kooperation mit potenziell gewalttätigen Gruppen stoppen. Dann würde eine wirkliche Parteichefin sofort jene Jungen Grünen aus der Partei ausschließen, die Gewalttäter importiert haben. Dann würde sie selber zurücktreten, sollte sie hinter den Kulissen das alles gutgeheißen haben.
Jedenfalls würde eine rechtsstaatliche Partei die Abhaltung eines Balls ignorieren, solange dort nichts Rechtswidriges passiert. Selbst wenn dieser Ball ihnen zutiefst unsympathisch ist. Ich bin ja auch nie zum FPÖ- (oder früher: WKR-)Ball gegangen. Genausowenig wie ich zu geselligen Veranstaltungen der Grünen oder einer anderen Partei gehe.
Bei der Polizei hatte diesmal ganz offensichtlich der Verfassungsschutz das Kommando übernommen. Polizeipräsident Pürstl hingegen war heuer nie zu hören. Das ist gut so. Hat dieser doch im Vorjahr mit mehr als deplatzierten Kommentaren gezeigt, dass er nur ein braver Bürokrat und Parteisoldat ist, der seiner Aufgabe überhaupt nicht gewachsen ist, nicht einmal verbal. Diesmal hat die Polizei wenigstens versucht, den Ball zu sichern. Während von Pürstl im Vorjahr nur Zynismus zu hören war.
Neben den Grünen haben sich erstaunlicherweise auch die Neos indirekt an die Seite der Gewalttäter gestellt. Sie haben vehement gegen das von der Polizei verhängte Vermummungsverbot protestiert.
Man kann nun gewiss diskutieren, ob ein solches in einem liberalen Rechtsstaat am Platz ist. Freilich darf man bei einer solchen Diskussion nicht ignorieren, dass Vermummungsverbote mit guten – liberalen – Begründungen in immer mehr rechtsstaatlichen Ländern eingeführt werden: wegen gewalttätiger Demonstranten beziehungsweise gegen diese; und wegen der von radikalen Muslims erzwungenen Ganzkörperverschleierung ihrer Frauen. Diese ist ja nicht nur menschenrechtlich überaus bedenklich, sondern auch schon mehrfach zur Tarnung von Attentätern missbraucht worden. Der Schutz der Bürger vor Kriminalität ist jedenfalls immer schon eine zentrale liberale Aufgabe gewesen (weshalb der klassische Liberalismus von den Linken sogar gerne als Nachtwächter-Ideologie denunziert wird). Und es ist jedenfalls ein urliberales Prinzip, sich offen zu seinen Meinungen zu bekennen.
Trotzdem kann man wie die offensichtlich noch immer ganz stark vom linken Gedankengut der Heide Schmidt beeinflussten Neos natürlich auch meinen, dass ein Vermummungsverbot nicht liberal wäre. Nur eines kann man dann sicher nicht, was die Neos getan haben: sich laut über dieses Verbot aufzuregen, aber gleichzeitig kein Wort gegen schwere Gewalttaten und die versuchte Einschränkung der Versammlungsfreiheit zu sagen. Das ist dann nur noch Chuzpe und jedenfalls nicht liberal.
Was passiert eigentlich auf diesem Ball, der neuerdings so viele Hass linker Gruppen erregt wie einst der Opernball? Ich war zwar nie dabei, aber nach allen seriösen Berichten geht es dort so zu wie auf jedem Ball, und es passiert in keiner Weise etwas rechtlich Bedenkliches. Die einst liberale „Presse“ hat dennoch Druck auf die Hofburg-Betreiber ausgeübt, künftig den Ball zu untersagen. Ihr Argument: Dort säßen auch Leute, „die mit der NS-Vergangenheit flirten“.
„Flirt“ als Delikt ohne Konkretisierung und Beweise ist ein mehr als leichtfertiger Vorwurf. Leben wir doch in einem Land, das die strengsten Wiederbetätigungsgesetze hat (die übrigens gerade wieder etliche Menschen auf Jahre ins Gefängnis gebracht haben). Oder weiß die „Presse“ mehr als wir alle? Wurde auf dem Ball Neonazistisches öffentlich gesagt oder getan? Dann sollte sie es konkret mit Namen und Aussagen nennen. Dann ist nach den geltenden Gesetzen gegen die Betreffenden vorzugehen. Aber in einem Rechtsstaat kann es sicher nicht wegen sogenannter Flirts verhängte Kollektivstrafen geben.
Das auf diesem vagen und unsubstantiierten Vorwurf aufbauende Verlangen, Veranstaltungen zu unterbinden, ist einer Qualitätszeitung unwürdig. Hat sie als Motiv bloß diffuse Gefühle, die sie für Moral hält, dann könnte sie ihre Glaubwürdigkeit nur dann wiederlangen, wenn sie auch all jene Veranstaltungen unterbinden will, die im Verdacht stehen, dass dort jemand mit dem Kommunismus flirtet. Dazu ist aber gar nichts bekannt.
Daher muss sich die „Presse“ den Vorwurf gefallen lassen, dass ihr die Opfer des Kommunismus offenbar egal sind, obwohl dieser rund 80 Millionen Menschen umgebracht und einer noch viel größeren Menge das ganze Leben zerstört hat. Das wäre dann auch die endgültige Abkehr von einer großen Geschichte, für die insbesondere, aber keineswegs nur der eben verstorbene Fritz Molden gestanden ist.
Es ist mehr als nachvollziehbar, dass jemandem andere Menschen, etwa die Besucher eines Parteiballs, unsympathisch sind. Aber deswegen etwas verhindern, etwas unterbinden zu wollen, ist nichts anderes als Beweis einer totalitären Gesinnung.
Man kann nur immer wieder den weisen Voltaire-Spruch zitieren, der eine der wichtigsten Grundlagen liberalen und aufgeklärten Denkens ist: Ich lehne voll ab, was sie sagen; ich werde aber alles tun, dass sie es sagen können.
Wenn dieser Grundsatz verloren geht, dann geht auch unser aller Freiheit wieder verloren, um die unsere Vorfahren so hart gekämpft haben.
Ich schreibe regelmäßig Kommentare für die unabhängige und rund um die Uhr aktuelle Informationsseite „Vienna.at“.