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Es geht uns besser! Geht’s uns besser?

Fast stündlich werden wir derzeit mit guten ökonomischen Meldungen überhäuft. In der Tat: Eine Reihe von Wirtschaftsindikatoren zeigt nach oben. Das ist anzuerkennen und Grund zur Freude. Das Jahr 2014 könnte tatsächlich besser werden als die letzten Jahre. Was dieses erhoffte Bessergehen aber wirklich bedeutet, vor allem, wie langfristig es halten kann, wird sofort wieder zweifelhaft, wenn man ein bisschen tiefer in die Daten geht.

Dennoch bleibt vorerst einmal ein gutes Zwischenhoch festzuhalten:

  • Weihnachten 2013 waren keineswegs Krisenweihnachten.
  • Die Umsätze des Handels legten zu.
  • Die österreichischen Wirtschaftsforscher halten für 2016 „mit Anstrengungen“ das „strukturelle Nulldefizit“ für erreichbar.
  • Die Wachstumsprognosen werden reihum noch oben korrigiert, sogar der Zweier vorne gilt dabei als möglich.
  • Europas entscheidende Ökonomie, also Deutschland, hat deutlich mehr Einnahmen im Staatshaushalt als prognostiziert.
  • Irland kann sich seit kurzem wieder auf dem Markt mit Staatskrediten versorgen; Großbritannien ist schon wieder im Wonnemodus; und auch Zypern hat sich erstaunlich rasch wieder erholt (interessant: Alle drei Länder – wozu auch das nicht-EU-Land Island zu rechnen ist – sind nicht so wie Südeuropa durch eine gesamtwirtschaftliche Strukturkrise leidend geworden, sondern wegen des Finanzsektors, der sich aber erstaunlich rasch erholt hat).
  • Der österreichische Nationalbankpräsident verkündet schon das Ende der Wirtschaftskrise.
  • Siemens ist endlich imstande, die ersten ICE-Züge auszuliefern.
  • Die USA fahren ihre Gelddruck-Aktionen ein wenig zurück, nachdem dort vor allem die eigenen Schieferöl- und Schiefergas-Vorräte die Energiekosten verbilligt haben.
  • Und was ganz besonders wichtig ist und als Bilanz mehr zählt als alles andere: Weltweit hat sich in den letzten Jahren trotz Bevölkerungswachstums die Zahl der Menschen, die in absoluter Armut leben, halbiert (was man vor allem in den kapitalistisch orientierten Drittweltländern dramatisch merkt!). Und die weltweite Lebenserwartung ist auf 70 Jahre gestiegen.

Nach mehr als fünf schlechten Jahren hat man große Sehnsucht nach solchen Daten und Informationen. Jede einzelne wird da verständlicherweise mit Freuden begrüßt.

Da fühlt man sich fast als Spielverderber, wenn man daran erinnert, dass wir in den letzten Jahren schon allzu oft Krisen-Ende-Botschaften gehört haben. Es ist aber unabdingbar, neben diese frohen Botschaften auch die viel weniger frohen zu stellen. Denn die sind genauso Faktum. Und sie sind vor allem langfristig wirksam.

  1. In allen Wachstumsanalysen und -prognosen liegt eine Weltregion immer an letzter Stelle. Das ist die EU. Mit anderen Worten: Selbst wenn es in Europa wieder ein wenig aufwärts geht, dann ziehen sämtliche anderen Kontinente dem in jeden Hinsicht alten Erdteil mit seinen vielen Fußmaroden links und rechts davon.
  2. Keine gute Nachricht ist das allzu rasche Steigen der Börsenindizes. Das klingt zwar gut, bedeutet aber eine deutliche Flucht der Menschen in für relativ sicher gehaltene Anlagen. Weil eine Beteiligung an einem Unternehmen handfest wirkt, weil man dem Bargeld immer weniger traut, weil man den Sparbüchern und den vom Staat wie ein Selbstbedienungsautomat behandelten Banken noch weniger traut, und weil man am allerwenigsten darauf baut, das der Staat nicht doch noch den von Rot und Grün geforderten Raubzug auf private „Vermögen“ beginnt.
  3. Die Inflation ist laut den offiziellen Berechnungen des Verbraucherpreises zwar niedrig geblieben, aber die Menschen in den relativ stabilen Ländern flüchten dennoch weiter in Betongeld: Die Immobilienpreise für halbwegs guten Lagen sind neuerlich binnen eines Jahres um satte zweistellige Prozentzahlen gestiegen. Freilich wird bei diesen Fluchtversuchen ignoriert, dass dieser drohende Raubzug gerade die Immobilienbesitzer mit Sicherheit als erstes treffen wird. Das zeigen etwa schon die Wiener Pläne für eine neue Infrastrukturabgabe, die nichts anderes bedeutet als ein Ausweichen der rotgrünen Steuererhöhungspläne auf die Landesebene, nachdem die Linke auf der Bundesebene damit nicht durchgedrungen ist.
  4. Österreich ist nach wie vor im Bereich des Pensionsantrittsalters fahrlässig untätig. Denn die in Aussicht gestellten Erhöhungen des „realen“ Antrittsalters werden wohl maximal zu einem Ausgleich der ständig steigenden Lebenserwartung beitragen. Jedoch nicht zu einer Reform des Systems. Für die Erhöhung des zu einer Stabilisierung einzig wirklich wirksamen gesetzlichen Antrittsalters (insgesamt oder speziell bei den Frauen) gibt es aber keinerlei Beschlüsse. Die müssten jedoch jetzt schon erfolgen, damit die auch vom Verfassungsgerichtshof verlangten langen Vorlauffristen zu laufen beginnen könnten. Daher wird die Regierung neuerlich die Jungen belasten (müssen), sobald sie merkt, dass die angepeilten Maßnahmen zu wenig greifen. Dabei liegt Österreich laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung beim Thema „Generationengerechtigkeit“ schon jetzt nur noch am blamablen 20. Platz unter 29 untersuchten Ländern.
  5. Da gehen etwa im Bereich der Gemeinde Wien trotz aller anderslautenden Versprechungen der Politik mehr Menschen denn je in Frühpension, und zwar tun sie das im Schnitt schon mit 54 Jahren. Das sind in erster Linie Kanzleibedienstete und nicht etwa Krankenschwestern und Müllmänner. Hier wie in vielen Bereichen zeigt sich, dass die angedrohten Erschwerungen der Frühpensionierungen viele Menschen schon vor Inkrafttreten dieser Erschwerungen aus dem Arbeitsleben treiben. Eine total perverse Skurrilität.
  6. Genaue Zuhörer haben es sehr wohl bemerkt: Die Pläne der österreichischen Regierung, 2016 ein Nulldefizit zu erreichen, sind durch die Beifügung des für die meisten Bürger kaum verständlichen Eigenschaftswortes „strukturell“ signifikant aufgeweicht worden. Diese Hinzufügung bedeutet, dass vor allem die gewaltigen Kosten, welche die einstige Kärntner Landesbank Hypo hinterlassen hat, nicht in die Defizitberechnung einbezogen werden. Und etliche andere Ausgaben ebenfalls nicht. Damit tut die Republik so, als ob es nicht der Steuerzahler, sondern der liebe Gott wäre, der Hypo&Co finanzieren müsste.
  7. Da sind selbst die Prognosen eines „strukturellen“ Defizits so optimistisch gestaltet, dass sie von der kleinsten schlechten Nachricht über den Haufen geworfen werden.
  8. In Österreich sind nach den Auswertungen eines gewerkschaftsnahen deutschen Wirtschaftsinstituts in der Periode seit 2008 und besonders im Vorjahr die Arbeitskosten so stark gestiegen wie in keinem anderen EU-Land. Das verringert stark die künftige Wettbewerbsfähigkeit. Und unterscheidet sich total von der Entwicklung in Österreich und Deutschland zwischen 2000 und 2008. Damals sind in diesen beiden Ländern die Lohnkosten weniger gestiegen als in jedem anderen Land. Davon konnten die beiden Länder während der letzten Jahre, also in der Krise stark profitieren. Dieser Vorsprung wird seit 2008 verspielt.
  9. Auch in Deutschland schafft die neue Koalition alles andere als Zuversicht: Dort haben alle(!) Regierungsparteien teure Ausgabenprogramme insbesondere im Pensionsbereich durchgedrückt, so als ob das echte Nulldefizit schon erreicht wäre. Das heißt mit anderen Worten: Selbst die gegenwärtige europäische Konjunkturlokomotive Deutschland wird ihre Kraft verlieren. Dazu kommen die katastrophalen Auswirkungen der Energiewende, die nach den Konsumenten die Unternehmen würgen wird.
  10. Nur sehr große Optimisten glauben, dass die Amerikaner nach dem zarten Anfang auch den eigentlich dringend notwendigen kompletten Ausstieg der Notenbank Fed aus dem gegenwärtigen gigantischen Gelddruckprogramm verkraften könnten.
  11. In zahlreichen europäischen Ländern zeigen die Konjunkturprognosen nach wie vor nach unten. Darunter sind etwa die für Österreich besonders wichtigen Balkanländer Slowenien und Kroatien. Darunter ist insbesondere auch das europäische Schwergewicht Frankreich, das sich der Intensivstation immer mehr nähert, und das allen europäischen Ökonomen weitaus am meisten Sorge macht.
  12. Italien hat zuletzt zwar etliche Reformen durchgebracht, die aber insbesondere im Pensionsbereich viel zu schwachbrüstig waren. Und schon ruft das Land nach den alten Pseudomethoden, mit denen es sich in Lira-Zeiten immer über Wasser gehalten hat: Premier Letta verlangt europaweite Anstrengungen, um den „verflucht“ hohen Euro abzuwerten.
  13. In Portugal versucht die Regierung zwar tapfer immer wieder Reformen. So hat sie zuletzt beschlossen, Straßenbeleuchtungen zu reduzieren oder ganz abzudrehen. Die Reformbeschlüsse stoßen aber gerade in diesem Land ständig auf einen unwilligen Verfassungsgerichtshof, der regelmäßig Sparbeschlüsse kippt. Zuletzt tat er das etwa bei einem Gesetz, das die privilegierten öffentlichen Pensionen den privaten angleichen sollte (eine Regelung, die Österreich schon vor etlichen Jahren beschlossen hatte, was jetzt langsam Früchte einbringt).
  14. In Europa ist letztlich die deutsche Bundeskanzlerin ziemlich alleine geblieben, als sie verlangt hatte, dass zumindest für die Euro-Staaten eine strengere Finanzdisziplin künftig zur durchsetzbaren Pflicht werden soll.

Das alles waren jetzt nur die rein ökonomischen Fakten. Die werden in Europa durch die demographische Katastrophe, und speziell in Österreich durch die enormen Kosten der unproduktiven Arbeitsaufteilung zwischen Bund und Ländern, durch die Kuschelbildungspolitik der Unterrichtsministerin (mit den obersten Zielen: kein Durchfallen, keine Nachhilfe, keine Hausübungen) und durch die Massenzuwanderung von leistungsfernen Gruppen ins Wohlfahrtssystem zusätzlich weiter verschlechtert.

Daher ist es zwar durchaus legitim, sich an den kurzfristig positiven Ausblicken auf 2014 zu erfreuen. Es ist aber fatal, dass die österreichische, die deutsche, die europäische Politik all die negativen Signale gleich wieder zu ignorieren versucht.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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