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Die Fed und die Photographen, die Raucher und die Ukrainer

Gleich vier Mal gibt es heute Grund zur Freude, und zwar aus ganz unterschiedlichen Richtungen. Man freut sich einfach, wenn sich endlich wieder einmal da und dort die Vernunft durchsetzt. Das könnte ja Beispiel machen. Und geärgert haben wir uns ja ohnedies schon genug.

Am wichtigsten: Die amerikanische Notenbank, die Fed, hat begonnen, ihre Anleihenkäufe zu drosseln. Diese Ankäufe waren gefährlich und falsch, weil sie ja nichts anderes als eine Betätigung der Notenpresse bedeutet hatten. Zwar ist Amerika tatsächlich in einem erfreulichen Aufschwung. Das hängt aber primär mit dem gewaltigen Nutzen der neuen Schiefergas-Felder und sekundär mit der Zurückhaltung der amerikanischen Gewerkschaften zusammen. Das hektische Dollardrucken ging hingegen komplett auf Kosten der Sparer, es schickte den Dollar auf Talfahrt und hat neue gefährliche Blasen bei Aktien- und Immobilienpreisen ausgelöst. Daher ist zu hoffen, dass die Reduktion des Anleihenkaufprogrammes von 85 auf 75 Milliarden Dollar – monatlich!! – nur ein zarter Anfang ist. Aber es ist ein unerwarteter Anfang und er geht in die richtige Richtung. Die weltweite Anerkennung sollte auch deshalb eine laute sein, damit bald Fortsetzungen folgen.

Für österreichische Kaffeehausbesitzer und -gäste ist es ein erfreuliches Signal: Rund um die oft fundamentalistisch Rauch-Aufregung kehrt endlich ein wenig Vernunft ein. Die altneue Regierung in Wien lässt zumindest in Detailfragen den gesunden Menschenverstand wieder zu Wort kommen und zeigt damit, dass sie erstaunlich rasch zu arbeiten versucht. Die Koalition hat jedenfalls schon einen Gesetzesentwurf eingebracht, dass es Nichtrauchern zumutbar sein muss, auf dem Weg zur Toilette auch ein paar Meter durch die Raucherzone zu gehen. Genau das hatte zuvor der Verwaltungsgerichtshof in einer übertriebenen und geradezu fundamentalistischen Judikatur für verboten erklärt. Was nicht nur ein Unsinn war, sondern auch gewaltige Kosten ausgelöst hätte.

Fast Exakt umgekehrtes Lob ist im nächsten Bereich zu spenden, bei der Gewerbeordnung: Da war es ebenfalls ein Höchstgericht, nämlich der Verfassungsgerichtshof, der etwas total Vernünftiges beschlossen hat, was die diversen Regierungen seit Jahren nicht zusammengebracht haben. Er dekretierte, dass Berufsphotographie künftig kein reglementiertes Gewerbe mehr ist. Das heißt: Photographen müssen nicht mehr den Gewerbeordnungs-Zirkus mit Lehre und so weiter absolvieren. Der Hauptschuldige daran, dass diese Selbstverständlichkeit (und einige weitere in Sachen Gewerbeordnung, die leider noch immer ausstehen) nicht per Gesetz, sondern nur durch ein Gerichtserkenntnis Recht geworden ist, ist die Wirtschaftskammer. Sie entblödete sich dennoch nicht, gleich zu sagen, dass nun „unqualifizierten Photographen Tür und Tor“ geöffnet wären. Und dass die Reglementierung ja „zum Schutz der Konsumenten“ gedient hätte. Da schau ich ja. Die Konsumenten waren offenbar arg durch verwackelte Photos gefährdet. Und ich selber wusste gar nicht, wie sehr ich unsere Gäste gefährdet habe, indem ich bei diversen Festen Nicht-Kammer-Photographen werken ließ. Die hatten zwar immer ein besseres Auge, mehr Kreativität und bessere Preise als die Gewerbebetriebe, aber eben keinen Gewerbeschein.

Das letzte Lob geht wieder ins Ausland, nämlich an Polens Ex-Präsidenten Lech Walesa. Der einstige Führer der Arbeiter-Erhebung drückte den Hunderttausenden Anti-Regierungs-Demonstranten in der Ukraine seine volle Sympathie aus. Aber er warnte sie zugleich mit mutigen wie richtigen Hinweisen: „Die Ukraine lässt sich nicht wie ein Boxring regieren.“ Und: Macht, die man auf der Straße erringt, könne ebenso rasch wieder verloren sein. Denn eine Nation müsse auch selbst "bereit sein zu einem Regierungs- und Politikwechsel“. Wie recht hat Walesa mit diesen Sätzen! Wie viele heißblütige und begeisterte Umstürze sind doch schon bald in der tausend Mal schwierigeren Realität frustrierend versandet. So sehr man der Ukraine wünscht, dass sie sich den imperialen Erpressungen Russlands entziehen kann, so sehr muss man den Freunden dort auch klarmachen: Dem Land stehen noch Jahre und Jahrzehnte harten und selbstdisziplinierten Arbeitens und Sanierens bevor, bevor es in Europa landen kann. Auch Polen hat ja viele Jahre gebraucht, bis das Land zu dem eindrucksvollsten Vorbild für alle Reformstaaten geworden ist. Den Ukrainern unter Boxweltmeister Vitali Klitschko ist die Notwendigkeit und Härte dieses ihnen noch bevorstehenden Weges sehr ehrlich klarzumachen.

PS: Keine Freude ringt mir hingegen die soeben erzielte Einigung auf die europäische Bankenabwicklung ab. Nicht nur weil sich die EU-Finanzminister ohnedies selber loben werden (der österreichische kann das freilich nicht, denn er daheim geblieben - aber zum Unterschied von der durch unseren Wirtschaftsminister ebenfalls ignorierten historischen WTO-Einigung war in Brüssel wenigstens der zuständige und gut versierte Sektionschef dabei). Sondern vor allem auch, weil die Folgen dieser Vereinbarung wohl weit weniger erfreulich sind: Denn da läuft alles darauf hinaus, dass die seriösen österreichischen Banken kräftig in den Bankenfonds einzahlen und dass die maroden Geldinstitute im Süden dadurch gerettet werden. Aber vielleicht - sehr vielleicht - kann das noch unbekannte Kleingedruckte die diesbezüglichen Sorgen zerstreuen.

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