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Das Christentum bekämpft (rhetorisch) die Armut, der Islam (blutig) die Christen

Noch nie sind in dieser Welt so viele Christen verfolgt und ob ihres Glaubens getötet worden wie im ablaufenden Jahr. Noch nie ist die absolute Zahl wie erst recht auch der relative Anteil der Armen auf diesem Globus so stark zurückgegangen wie in den letzten Jahren (wie auch alle UNO-Statistiken bestätigen). Umso erstaunlicher ist es, worauf sich das Amts-Christentum konzentriert: Wohl noch nie haben sich katholische wie evangelische Kirche so sehr auf das Thema Armut konzentriert wie im vergangenen Jahr, während die Existenz so vieler verfolgter Christen und die Bedrohung des Christentums von vielen Amtsträgern am liebsten ignoriert wird. Denn in ihrem Weltbild ist Christenverfolgung nur etwa in der weiten Ferne der Geschichte.

Weihnachten ist für viele Menschen der Zeitpunkt, wo sie sich am meisten mit der Kirche befassen. Wohl scheint es vordergründig ein Fest des Konsums, der Hektik und des Schenkens zu sein (in allzu vielen Unternehmen leider auch eine Zeit der Kündigungen). Aber die große Mehrheit spürt doch, dass da mehr ist. Dass Kirche und Christentum Teil ihrer Identität sind.

Europa ist zutiefst christlich geprägt. Nichts anderes hat den Kontinent und all seine Wurzeln in den letzten 2000 Jahren so stark geformt – auch wenn man die Beiträge der römisch-griechischen Antike mit ihren rechtlichen, philosophischen und kulturellen Errungenschaften sowie der Aufklärung mit ihrer Betonung von Vernunft, Freiheit, Menschenrechten und Wissenschaft ähnlich würdigen muss.

Immer mehr Menschen wird beklemmend klar, dass in wenigen Jahrzehnten etwa in Österreich die Mehrheit der Bürger dem Islam zugehören wird, einer totalitären Religion, die mit keiner der drei Wurzeln Europas etwas anfangen kann oder will. Umso wichtiger wäre der Kampf für die Bewahrung dieser drei Fundamente. Gewiss steht es um die beiden anderen Fundamente auch nicht sonderlich gut. Man denke nur an die Krisen der Justiz oder an die wachsende Einschränkung der Meinungsfreiheit. Aber das christliche Fundament ist wohl am meisten bedroht.

Abgesehen vom steinzeitlichen Nordkorea hat die Verfolgung der Christen immer den selben Namen: den Islam. In Syrien, in der Zentralafrikanischen Republik, in Nigeria, im Irak, in Ägypten, in Eritrea, in Pakistan und in einem weiteren Dutzend afrikanischer oder asiatischer Staaten: Kirchen werden zerstört, Christen ermordet, christliche Dörfer vernichtet, die Menschen vertrieben. Selbst in den relativ besser gesitteten Staaten wird die Konversion zum Christentum streng bestraft.

Fast immer sind es islamistische Gruppen, die den Expansionismus ihrer Religion nicht mit Überzeugung und Mission, sondern mit brutaler Gewalt vorantreiben. Zwar sind gewiss nicht alle Moslems eine Bedrohung. Aber es ist doch erstaunlich, dass die Distanzierung von den Radikalen und deren Taten immer nur im Nachhinein erfolgt (wie etwa bei der islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich).

Die Einwohner christlicher Dörfer in Syrien, die von den islamischen Rebellen eingenommen worden sind, werden vor eine einzige Alternative gestellt: Muslim werden (und zwar in einer ganz atavistischen, besonders Frauen unterdrückenden Form) oder getötet werden. Das sind genau die gleichen Methoden, mit denen der Islam schon vor mehr als tausend Jahren den ganzen Nahen Osten unter seine Gewalt gebracht hat.

Sein Vordringen bis Wien und bis zu den Pyrenäen konnte damals zwar zurückgedrängt werden. Aber die Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert zeigt einen neuen, viel erfolgreicheren Vorstoß der geburtenstarken islamischen Welt in den gesamten Westen und in Afrikas Süden. Während der Westen noch gar nicht mitbekommen hat, was da geschieht, ist ein neuer globaler Krieg schon in vollem Gang. Diesen haben zwar wenigstens einzelne deutsche und amerikanische Politiker mutig beim Namen genannt, aber noch kein einziger österreichischer.

Natürlich ist es frustrierend, wenn heute ausgerechnet demokratiefeindliche Diktatoren und autoritäre Herrscher die relevantesten Verbündeten der bedrohten Christen sind. Dennoch ist es Faktum, dass die von Jesus Christus gegründete Religion im syrischen Diktator Assad und im ägyptischen Machthaber Sisi jeweils die letzte Zuflucht hat, während die verblendeten westlichen Regierungen – Frankreich an der Spitze – tendenziell an der Seite der Islamisten stehen.

Es ist auch Faktum, dass sich ausgerechnet der Russe Putin – unabhängig von all seinen unerfreulichen autokratischen Attitüden und seinem wirtschaftspolitischen Scheitern – der Frontstellung der christlichen Welt gegen den Islam sehr bewusst ist. Das ist in Putins Fall natürlich die orthodoxe Welt, aber er hat sich nirgendwo gegen katholische oder protestantische Christen gewandt.

Niemand weiß, ob Putin innerlich irgendetwas mit Religion anfängt. Aber nach außen trägt er diese demonstrativ vor sich her so wie etwa viele katholische Kaiser im Laufe der Geschichte. Putin setzt sehr bewusst auf christliche und traditionelle Werte wie die Familie, die er gegen die forschen Vorstöße insbesondere der schwulen Aktivisten verteidigt. Womit er sich zugleich viele Sympathien nicht nur in Russland, sondern auch außerhalb geholt hat.

Der Papst aus Lateinamerika hingegen ist sich der globalen Bedrohung der christlichen Welt offensichtlich nicht bewusst. Leicht erklärlich: Die Bedrohung durch den Islam findet in Lateinamerika am wenigsten von allen Erdteilen statt. Der Papst hat ein anderes Thema: Er ruft ständig zum Kampf gegen Armut auf. Das ist ein lobenswertes Ziel. Nächstenliebe entspricht auch einem der beiden obersten Gebote des Neuen Testaments.

Der Papst und die ihm gleich Gesinnten unterliegen dabei jedoch einem ganz großen und doppelten Irrtum: Sie verlegen erstens die Pflicht zur Nächstenliebe von der individuellen auf die gesellschaftlich-kollektive Ebene; wozu aber die Bibel keinerlei Berechtigung gibt. Und sie bekämpfen zweitens absurderweise ausgerechnet die weitaus erfolgreichste Strategie zur Reduktion der Armut; das ist ganz eindeutig der Kapitalismus. Das vom neuen Papst gerne mit Verachtung verwendete Wort „Kapitalismus“ ist nichts anderes als das linke Kampfwort zur Bezeichnung der auf Freiheit und Eigentum beruhenden Marktwirtschaft. Immer mehr Menschen auf dieser Welt erkennen den überlegenen Nutzen des Kapitalismus. Der Papst aus Argentinien hält ihn jedoch für etwas „Mörderisches“.

Franziskus ist dabei ganz durch seine Herkunft aus einem einst reichen Land geprägt, das als Folge peronistisch-populistischen Sozialdemokratismus in den letzten Jahrzehnten ständig abgestiegen ist. In Argentinien ist aber die ganze Mittelschicht als Folge ständiger staatlicher Eingriffe verarmt. Wer aus argentinischen Erfahrungen spricht, verwechselt aber Ursachen und Wirkungen.

Wenn der Papst den Kampf gegen die Armut wirklich ernst meint – und an seinem ernsten Willen zweifle ich nicht –, dann müsste er eben gerade den Kapitalismus preisen, der so erfolgreich, wie es noch nie einem historischen Gesellschaftssystem gelungen ist, die weltweite Armut reduziert und die globale Lebenserwartung verlängert hat. Diese positiven Entwicklungen sind eindeutig die Folgen von Marktwirtschaft, Globalisierung und Naturwissenschaft. Das sind aber leider lauter Dinge, die die Kirche ursprünglich nicht auf ihren Fahnen hatte. Und die sie zum Teil noch heute bekämpft.

Der lateinamerikanische Papst sieht aus seiner persönlichen Prägung heraus die Prioritäten seines Subkontinents. Umso wichtiger wäre für europäische Kirchenführer die europäische Sicht: Also der Einsatz für Familien und Kinder angesichts der demographischen Katastrophe des christlichen Europa; und der bewusste Versuch einer Abwehr des islamischen Vormarsches.

Jedoch vermisst man in ganz Österreich jeden substanziellen innerkirchlichen Dialog über diese Themen. Den gibt es nur in Deutschland und den USA, aber nicht in Österreich oder den lateinischen Ländern.

Worüber diskutiert die Kirche in Österreich heute statt dessen, worüber diskutieren ihre Exponenten? Primär über Randfragen wie Personalia. Das tut zwar jede Organisation. Aber es schmerzt, wenn österreichische Bischöfe ständig Gott für ihre Personalentscheidungen verantwortlich machen. Das tat der Wiener Kardinal bei der Papstwahl; das tat der neue Salzburger Erzbischof Lackner bei seiner Nominierung („Gott hat wieder einmal überrascht.“)

Wenn Gott da wirklich bei solchen Personalentscheidungen im Spiel ist, dann müsste er ja auch schuld an den schlechten sein. Dann hätte er auch die Renaissancepäpste ausgewählt, die jedes nur denkbare menschliche und göttliche Gebot öffentlich verletzt haben. Dann trüge er die Verantwortung für Bischöfe, die in Sachen Kindesmissbrauch nicht korrekt gehandelt haben (wie wohlgemerkt viele Politiker auch).

Dann wäre Gott auch schuld an unbestreitbaren päpstlichen Fehlentscheidungen. Zu deren berühmtesten hat einst jene zugunsten eines geozentrischen Weltbildes gehört. Auch damals hatte sich die Kirche vom Zeitgeist und der unter den damaligen Wissenschaftlern vorherrschenden Lehrmeinung zu unsinnigen diesseitigen Aussagen drängen lassen.

Es ist schade, dass sich ein Papst in irdischen Fragen so irreleiten lässt. Denn gerade Franziskus hat ein vor allem gegenüber seinem Vorgänger überaus starkes und auf viele kirchenferne Menschen anziehendes Charisma. Er wirkt glaubwürdig, er setzt wie ein PR-Profi ständig geschickt die attraktiven kleinen Symbolgesten, er strahlt Fröhlichkeit aus und er lässt sich zugleich in den zentralen Glaubensinhalten so wenig wie Benedikt oder Johannes Paul beirren.

Zugleich ist aber auch für gläubige Katholiken klar: Auch Päpste können – mit einer einzigen dogmatisch streng geregelten Ausnahme – irren und auf falschen Wegen unterwegs sein. Was schon auch deshalb logisch ist, weil ja Franziskus auf einem ganz anderen Weg geht als der weise und hochwissenschaftliche, aber ausstrahlungsarme Benedikt. Daher sollten sich auch Bischöfe und Priester nie zur Rolle eines ganz meinungslosen Apologeten jeder päpstlichen Äußerung gezwungen fühlen.

PS: Abgesehen von Personalfragen und der irreleitenden Armutsrhetorik gibt es für die österreichische Kirche natürlich noch ein zentrales Thema: die organisatorische Reform, mit der auf den Rückgang an Priestern wie Gläubigen vor allem in großen Städten reagiert werden soll. Dabei stößt die Kirche auf genau das gleiche Problem, mit dem auch alle staatlichen Versuche gescheitert sind, Verfassung und Föderalismus umzubauen: Das ist die Beharrlichkeit existierender Strukturen. Deren Änderung hat sich auch der Wiener Erzbischof zweifellos viel leichter vorgestellt. Daher kommt Christoph Schönborn mit seinen diesbezüglichen Versuchen seit Jahren über Ankündigungen und Wünsche kaum hinaus. Aber immerhin hat er da und dort erste Erfolge erzielen können. Ein besonders schöner scheint etwa im 15. Bezirk geglückt, wo eine Kirche an die Rumänisch-Orthodoxen übergeben wird. Da scheint einmal etwas ohne die sonst unvermeidlichen innerkirchlichen Konflikte geglückt zu sein.

PPS: Nach wie vor völlig rätselhaft ist der päpstliche Fragebogen rund um das Thema Sexualität und Ehe. Dieser hat ja innerkirchlich fast eine Wahlkampfstimmung ausgelöst. Aber niemand weiß, was daraus folgen wird und kann. Natürlich geht die kirchliche Lehre in manchen Fragen völlig an der menschlichen Realität vorbei. Natürlich hat die Kirche viel zu sehr dogmatische Strenge an Stelle der christlichen Tugend Barmherzigkeit gestellt. Natürlich hat sie sich viel zuwenig selbst bewusst gemacht, dass das Idealbild menschlichen Verhaltens fast immer vom wirklichen Verhalten abweicht. Aber kann dieses Spannungsverhältnis wirklich mit einer Art Pseudodemoskopie gelöst werden? Gibt die Kirche da nicht leichtfertig ihren transzendentalen Zuschnitt auf? Verliert sie da nicht ihr Ziel aus den Augen? Agiert sie damit nicht genauso wie Parteien, die sich nur noch nach der vermeintlichen Volkes Stimme richten?

 

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