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Lehrerstreik, Elternstreik, Schülerstreik

Die österreichischen Lehrer werden bald streiken. Noch viel mehr Grund zum Streik haben eigentlich alle an Bildung interessierten Schüler und Eltern. Denn sie sind das eigentliche Opfer dessen, was die Regierung da beschließt.

Darüber wird in der Öffentlichkeit nur viel weniger diskutiert als über die Interessen der Lehrer selber. Die Familien hingegen, im konkreten Fall die Eltern von Schulkindern, die sind hierzulande immer nur Objekte, Opfer der Politik und der Sozialpartner. Sie werden nicht als Akteure und Verhandlungspartner akzeptiert, obwohl sie die eigentlich Wichtigsten eines Schulsystems sind.

Mit dem Schulpaket sind die Familien nach der zynischen Rücknahme aller fixen Familienbeihilfen-Versprechen zum zweiten Mal binnen weniger Tage Hauptopfer des rot-schwarzen Murks. Das zeigt sich an vielen Aspekten des von der Regierung oktroyierten Lehrerdienstrechts:

  • Es ist eine Katastrophe für die Qualität des Unterrichts, wenn künftig jeder Lehrer auch an einer AHS alle Fächer unterrichten darf.
  • Es ist eine Katastrophe für die Qualität des Unterrichts, wenn künftig auch Anfänger die volle Lehrverpflichtung (noch dazu die verlängerte) haben, und wenn sie dabei überdies nur eine Stunde Betreuung durch einen erfahrenen Kollegen bekommen. Da muss man als junger Lehrer fast untergehen.
  • Es ist eine signifikante Qualitätsminderung, wenn man an einer AHS auch ohne den Master (respektive bisherigen Magister) unterrichten darf.
  • Es ist eine signifikante Qualitätsminderung, wenn die Lehrer auf Grund der erhöhten Stundenpflicht weit mehr Kinder als bisher im Lauf einer Woche zu unterrichten haben.
  • Es ist eine massive Provokation für die Bürger und eine Verhöhnung der Demokratie, wenn 1700 Begutachtungen – auch von Eltern – einfach ignoriert werden. Und wenn dann die Regierung nach Verhandlungen frech sagt, die Lehrervertreter hätten eh noch irgendetwas bekommen, sie hätten es nur fordern müssen. Als ob diese Forderungen nicht x-mal in den Begutachtungstexten schon längst und sogar schriftlich erhoben worden sind. Wozu dann der Aufwand einer Begutachtung, wenn man sie offenbar nicht einmal liest?
  • Es ist eine signifikante Qualitätsminderung, wenn es durch das neue Dienstrecht noch mehr als schon zuletzt zu einem Lehrermangel kommt, der dann zum Einsatz von ungeprüften Studenten und sonstigen Hilfskräften führen wird. Und dazu wird es durch die (mit dem Dienstrecht verbundene) neue Lehrerausbildung kommen. Hauptgrund für diese Prophezeiung: Um Volksschullehrer werden zu können, muss man künftig mindestens vier Jahre studieren; und um definitiv gestellt zu werden, fünfeinhalb bis sechs. Das wird viele junge Menschen abschrecken. Haben doch Volksschullehrer bisher nur drei Jahre studieren müssen. Und vor noch nicht allzu langer Zeit hatten sie gar nur eine um ein Jahr längere Gymnasial-Oberstufe zu absolvieren gehabt. Es gibt keinerlei Beweis, dass die Studiendauer ein Qualitätsproblem gewesen wäre. Es gibt aber umgekehrt viele Maturanten, die nicht ewig in Hörsälen Theorien hören wollen, die jedoch hochbegabt wären für den – niemals im Hörsaal erlernbaren! – Umgang mit Kindern und Jugendlichen. Dazu kommt die zusätzliche Lücke der Übergangszeit, in der logischerweise überhaupt keine Lehrer „produziert“ werden.
  • Die Befristung der Direktoren-Funktionen wird zu noch mehr parteipolitischem Durchgriff führen und zu Schulleitern, die ständig angstvoll auf die Wünsche der politischen Obrigkeit schielen.
  • Und last not least ist der klar erkennbare (wenn auch nicht expressiv verbis im Gesetzestext stehende) Zweck des neuen Lehrerdienstrechts und der neuen Einheitslehrerausbildung etwas, was von fast allen Eltern und Schülern abgelehnt wird: die linke Zwangsgesamtschule. Nur für diese macht das neue Dogma einen Sinn, dass alle Lehrer von den ABC-Schützen bis zu den Maturanten die gleiche Ausbildung absolvieren müssen.

Es ist völlig rätselhaft, warum die ÖVP all dem zustimmt. Zumindest für etliche Jahre wird dadurch das derzeit so dominierende Budgetloch ja noch vergrößert. Und die bürgerliche Partei verärgert nach den Familien neuerlich Kernwählerschichten zutiefst: Diesmal sind es bildungsorientierte Eltern und Lehrer.

Der einzige Grund kann nur darin liegen, dass die Partei überhaupt keinen Bildungs- und Schulspezialisten mehr hat. Die sind alle abgeschossen und ausgeschieden. Wenn jetzt auch in diesem Bereich der Außenamts-Staatssekretär, Ex-Sportstaatssekretär, gegenwärtige Finanzstaatssekretär, Ex-Generalsekretär und Klubobmann-Kandidat Reinhold Lopatka den Sprecher abgeben muss, obwohl er noch nie als Bildungsexperte aufgetreten ist, dann zeigt das, wie ausgedünnt der schwarze Haufen ist.

Die Tatsache, dass es schon 35 Verhandlungsrunden gegeben hat, ist jedenfalls in keiner Weise ein inhaltliches Argument. Sie macht aus einem katastrophalen Inhalt keinen guten. Wenn immer derselbe Unsinn besprochen wird, kann doch die Dauer der Verhandlungen kein Argument sein, dass daraus plötzlich etwas Sinnvolles geworden wäre. Außerdem war der Großteil der Verhandlungen ohnedies nur zum ministeriellen Zeitschinden auf Beamtenebene gedacht.

Es kann nur der Druck von Wirtschaftskreisen sein, die von Schule und Bildung absolut keine Ahnung haben, der da die ÖVP wieder zum Umfallen gebracht hat. Diese Kreise diagnostizieren zwar zu Recht ein Problem mit vielen Schulabbrechern, die Jobs in der Wirtschaft wollen. Sie begreifen aber nicht, dass das zum einen Folge von leistungsfeindlichen, aber als „progressiv“ verkauften Reformen während der letzten Jahrzehnte gewesen ist. Und zum anderen ist das Bildungsproblem Folge der einstigen Gier etlicher Industriebranchen nach Billigstarbeitskräften aus der Dritten Welt, deren Kinder sich aber nun (überraschenderweise?) als völlig bildungsferne erweisen.

Pikant ist übrigens auch, dass dieselbe Wirtschaft ihren Gegenüner-Gewerkschaften bisher immer nachgegeben hat, die jetzt die Regierung in einen Krieg mit den Beamtengewerkschaften gehetzt hat.

Das einzig Sinnvolle am neuen Dienstrecht hätte man Schritt für Schritt bei jeder Beamtenlohnrunde einfließen lassen sollen: ein stärkeres Steigen der Anfangsgehälter und ein weitgehendes Einfrieren der hohen Schlussgehälter. Davon redet man zwar seit Jahrzehnten, schiebt es aber schon ebensolange auf.

Dazu kommt der Widerspruch zu den plötzlich eingestandenen Budgetnöten der Regierung. Ausgerechnet da beschließt sie ein Paket, das ihr – nein: uns! – durch die höheren Einstiegsgehälter wohl in den ersten Jahren deutlich teurer kommen wird. Geht’s noch dümmer?

Aber ist es nicht notwendig gewesen, die Lehrer zu mehr Arbeit zu zwingen? Im Prinzip zweifellos, ja. Aber es ist schon etwas merkwürdig und den Lehrern schwer erklärbar, wenn sie jetzt österreichweit die einzigen sind, die deutlich mehr arbeiten müssen. (auch wenn es vorerst scheinbar „nur“ die Neuanfänger sind; aber diese Zweiklassengesellschaft in den Schulen wird sich mit Sicherheit nicht jahrelang halten, sodass die älteren Lehrer bald auch erfasst sein werden).

Vor allem wäre es viel klüger gewesen, die Lehrermehrarbeit durch Kürzung der vielen Ferienzeiten um mindestens eine, wenn nicht zwei oder drei Wochen zu erreichen. Und nicht dadurch, dass man mehr Wochenstunden aus ihnen herausholt. Für kürzere Ferien hätte sich der Krieg mit der Gewerkschaft gelohnt. Das hätte den Kindern genutzt.

Parteipolitisch muss die ÖVP nun eine verheerende Bilanz ziehen (falls sie wenigstens noch zum Bilanzziehen imstande ist): Nach den Familien hat sie mit Lehrern und Eltern binnen weniger Tage weitere Kernwählerschichten brutal vor den Kopf gestoßen, ihnen vor der Wahl ganz andere Signale geschickt als nachher.

PS: Die einzige Hoffnung der Regierung liegt darin, dass der Hauptsprecher der Lehrer bei öffentlichen Auftritten alles andere als klug und sympathisch agiert. Ein Betonfunktionär, der rein im Gewerkschafts-Denken verhaftet ist, dürfte die Sympathien der Eltern bald schwinden lassen. Die aber gibt es vorerst sehr wohl. Ganz im Gegensatz zu den Behauptungen des Links-ORF, der aus den von den Zeitungen ausgewählten Leserbriefen eine massive Antilehrer-Stimmung abzulesen versucht (wobei vermutlich im ORF eh nur Standard, Falter und Profil gelesen werden). Übrigens ist der ORF so SPÖ-hörig, dass ihm dabei nicht einmal die überraschende Distanzierung der Grünen vom Dienstrechtentwurf auffällt.

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