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Es ist derzeit das größte – und gefährlichste Projekt auf der Vorhabenliste der EU: die sogenannte Bankenunion. Das Projekt ist zumindest in Teilen so weit gediehen, dass es für die Politik kein Zurück mehr gibt. Denn diese will ja keinesfalls als blamiert dastehen. Was der Fall wäre, wenn einmal von ihr begonnene und weit vorangetriebene Projekte später als unsinnig und gefährlich erkannt und abgebrochen würden. Da macht man lieber mit dem Unsinn weiter.
Nun scheint es im Prinzip ja durchaus sinnvoll zu sein, wenn die internationale Kontrolle großer europäischer Banken verstärkt wird. Nationale Aufseher könnten allzu leicht nationale Rücksichten auf die heimischen Finanzriesen üben, manche internationalen Zusammenhänge übersehen.
Da muss man freilich schon die ersten Fragezeichen hinzufügen: Erstens, ist es nicht vielleicht sogar richtig, dass nationale Bankenkontrollore auch immer ein wenig mitbedenken, welche Konsequenzen ihre Maßnahmen haben? Und zweitens: Werden nicht auch europäische Aufseher situationsbedingt Rücksichten üben, wenn auch halt aus europäischer Sichtweise?
Jedenfalls richtig und sinnvoll ist es, wenn man sich mehr als in der Vergangenheit den Kopf zerbricht, was mit maroden Banken zu geschehen hat. Da sind in den letzten Jahren insbesondere in Österreich viele Fehler begangen worden. Die Frage ist nur: Wie macht man‘s besser? Durch mehr Bürokraten oder durch den Markt? Etwas anders oder zentralisierter zu machen ist ja noch keine Garantie für Besserung.
Formalrechtlich gilt bei Banken derzeit das normale Konkursrecht, erweitert durch die Einlagensicherung. Diese soll kleine und mittlere Sparer bis zu einer bestimmten Grenze schützen (was freilich immer nur solange geht, wie irgendwer in der Branche oder auf staatlicher Ebene zahlungsfähig ist).
Da der Konkurs einer Bank schlimme Folgen auch für größere Einleger hätte, hat man sich in Europa zum Unterschied von den USA immer für politische „Rettungen“ entschieden. Heute freilich erkennen immer mehr Experten, dass der amerikanische Weg richtiger war, Lehman und Hunderte andere Banken in Konkurs zu schicken, aber den Dominoeffekt abzufedern.
Die europäische Vorgangsweise wird oft salopp mit dem Schlagwort „too big to fail“ bezeichnet. Die Intention: Durch das generelle Auffangen gefährdeter Finanzinstitute wird die Panik eines Bank-Runs vermieden. In einem solchen räumen alle Einleger binnen weniger Stunden ihre Konten ab, sobald das erste diesbezügliche Gerücht auftaucht. Was letztlich jede Bank umbringt.
Im Gegensatz zu einem verbreiteten Irrtum, sind auch größere Einleger aus sozialen und Arbeitsmarkt-Gründen oft sehr schutzwürdig, meist sogar noch mehr als Sparer. Sind die Großeinleger doch häufig durchaus gesunde Wirtschaftsbetriebe. Die wären samt Tausenden Arbeitsplätzen aber über Nacht kaputt, wenn ihre Einlagen bei der Bank weg wären. Diese Einlagen liegen ja dort nicht zum Vergnügen oder aus Gier (wie manchmal behauptet wird), sondern damit Rechnungen, Gehälter oder Sozialversicherungsbeiträge gezahlt werden können. Auch der Staat (Bund, Länder, Sozialversicherungen, Gemeinden und hundert andere staatlicher Organisationen) ist nur arbeitsfähig, wenn er unbesorgt größere Summen über Bankkonten bewegen kann.
Die Verhinderung von Domino-Effekten ist also im Prinzip absolut richtig. Und sie wird es auch sein, wenn plötzlich europäische Institutionen über eine Bankinsolvenz entscheiden. Die zentrale Frage ist nur: Ist es schlau, zur Vermeidung von Dominoeffekten auch gleich die ganze Bank zu retten?
Wichtig, wenn auch eigentlich nicht neu ist die nun fixierte Reihenfolge der Folgen einer Bank-Insolvenz für verschiedene Gruppen, die Geld in einer Bank haben. Dass als Erstes die Aktionäre haften, ist mehr als selbstverständlich. Auch bei der Hypo Alpe-Adria waren die Aktien Bayerns am Schluss nur noch einen Euro wert.
Ebenso sollten zum Vermeiden des erwähnten Domino-Effekts normale Einleger, also die Wirtschaft wie auch die ganz Vorsichtigen, so gut wie möglich geschützt werden. Das sind insbesondere Inhaber von Girokonten und Sparbüchern.
Das wirklich Positive an den europäischen Plänen betrifft die Zwischenklasse. Das sind die diversen Anlageformen zwischen dem vollen Risiko einer Bankaktie und der höchstmöglichen Sicherheit eines Sparbuchs (beziehungsweise Girokontos). Da wird nun klargestellt, dass diese Anleger künftig auch wirklich haften müssen: Das sind beispielsweise all jene, die eine Anleihe dieser Bank gekauft haben. Sie haben dafür ja auch mehr Zinsen kassiert als auf einem Sparbuch.
Das Risiko eines Anleihenkäufers war zwar rechtlich immer klar. Aber dennoch hat die Politik bisher bei Bank-Problemen meist die Anleihe-Gläubiger geschützt (außer in den Fällen Griechenland und Zypern). Für die Zukunft ist jedenfalls klargestellt: Auch eine Anleihe ist eine Risiko-Investition. Hoffentlich bleibt man künftig im Ernstfall auch wirklich bei diesem Prinzip.
Was aber ist mit der Bank selber? Zusperren oder Retten?
Wenn ein Geldinstitut trotz Insolvenz weitergeführt wird – wozu entscheidungsfeige Politiker gerne tendieren –, dann laufen auch viele Kosten weiter: für Gehälter, für Gebäudemieten, für den Büroaufwand. Daher wäre oft das rasche und auch rechtlich eigentlich vorgesehene Zusperren günstiger. Die ausstehenden Forderungen (Kredite) werden dabei auf eine Bad bank übertragen. Diese hat einzig die Aufgabe, alle Forderungen bestmöglich Zugunsten jener, die beim Crash bluten mussten, zu verwerten.
Dem steht häufig das Gegenargument gegenüber: Wenn man eine Bank in Problemen zusperrt, dann gibt es keine Chance mehr, dass diese vielleicht wieder Geld verdient und den Schaden gut macht oder zumindest verringert.
Die Politik hat aber gar nicht deswegen Banken „gerettet“. Sie hat sich vielmehr vor der Aufregung gefürchtet, vor dem lauten Paukenschlag, den das Schließen einer Bank bedeuten würde. Sie wollte immer wieder Arbeitsplätze retten, was ja in jedem Fall das allerdümmste Argument ist. Die Politik fürchtet sich vor der Aufregung der Medien und der Reaktion der Wähler. Sie ignoriert aber die langfristigen Folgen einer Rettung, wie jetzt die Österreicher etwa am Fall Hypo Alpe-Adria sehen können.
Heißt das, jede insolvente Bank sollte zugesperrt werden? Nein, aber man sollte die Entscheidung dem Markt überlassen. Nur er kann in halbwegs sinnvoller Weise über die Zukunft einer maroden Bank entscheiden. Wenn der Kern der Bank gesund scheint, wenn diese halbwegs positive Perspektiven und Chancen hat, werden andere Banken oder Investoren die kranke Bank kaufen. Wenn sie das nicht hat, wenn es in einer Region ohnedies viel zu viele Banken gibt, dann wird niemand die Bank haben wollen. Dann ist das Zusperren sicher schlauer.
Aber genau der Logik dieser Markt-Entscheidung wollen nicht nur Regierungen, sondern auch die europäischen Bankenunion-Bastler entkommen. Und sie basteln daher eine unglaublich komplizierte und teure Maschinerie, die künftig die Banken regulieren soll. Diese wird aber scheitern. Denn eine politisch eingesetzte und daher massiv beeinflussbare Organisation kann nie gut beurteilen, ob die Weiterführung einer Bank eine reelle Chance hat oder nicht. Das kann nur – halbwegs – ausreichend, wer sein eigenes Geld riskiert. Politik und Bürokraten verstehen hingegen vom Bankgeschäft nichts.
Auch in Österreich hat sich die Republik zuletzt immer für eine Weiterführung einer Bank entschieden. Aber sowohl die Volksbanken-AG wie auch die Hypo Alpe-Adria sind alles andere als überzeugende Beispiele, dass der Staat als Eigentümer von Banken gut wäre. Wobei er es bei der ÖVAG allerdings nur zum Teil ist.
Die Volksbanken (die sich einst durch den Kauf der schon sehr proporzartig geführten Investkredit und Kommunalkredit in die Krise geritten haben) werden nur deshalb weniger kritisch in der Öffentlichkeit diskutiert, weil der Schaden lange nicht so groß ist wie bei der Hypo. Diese steht vier Jahre nach der Verstaatlichung noch viel deprimierender da. Sie ist (nach den katastrophalen Fehlern, der Großmannssucht von Provinzpolitikern und auch einigen kriminellen Handlungen in der Kärntner wie in der bayrischen Zeit) nach der Verstaatlichung 2009 erst recht ins Unglück geritten worden. Denn seither hat es aus lauter Angst und Vorsicht des staatlichen Eigentümers überhaupt keine unternehmerischen Entscheidungen an der Spitze der Bank gegeben. Was der allersicherste Weg zu einem negativen Ergebnis ist.
Zwei zusätzliche Probleme: Erstens, die Entscheidung, welchen Weg man geht, muss in jedem Krisenfall sehr schnell getroffen werden. Was die Sache noch problematischer macht. Egal, ob die Mitgliedsstaaten oder Europa sie treffen. Und zweitens: Entscheidungen sind immer auch mit Haftungen verbunden, mit dem Tragen von Verantwortung.
Wer haftet bei Fehlentscheidungen: Europa, die Europäischen Zentralbank oder doch wieder das jeweilige Land? Diese Haftungsfrage ist besonders schwierig, wenn die Verantwortungen, Kompetenzen und Entscheidungen in diffuser Weise zwischen Land und EU, zwischen EZB und Kommission aufgeteilt sind. Viele wollen mitsprechen, aber niemand will haften. Jetzt scheint es so zu werden, dass das Los von Großbanken letztlich durch EZB und/oder Kommission entschieden wird. Die Haftungen wollen die beiden Institutionen aber keinesfalls tragen. Die wollen sie auf andere abwälzen.
Dasselbe gilt genauso, wenn bei der Abwicklung einer Bank kein Fehler passiert, wenn also niemand haftet. Einen Schaden gibt es aber bei Insolvenzen dennoch fast immer (auch wenn man alle Anleihegläubiger heranzieht). Wer trägt ihn: Der jeweilige Staat? Der sogenannte Stabilitätsmechanismus ESM?
Wenn es der ESM sein soll – was sich derzeit abzeichnet –, dann sollten sich die Steuerzahler in den wenigen noch halbwegs stabilen Ländern wie Deutschland, den Niederlanden, Finnland und Österreich fest anschnallen. Dann werden zwei, drei Insolvenzen von Großbanken so gewaltige neue Summen erfordern, dass die Staaten trotz ihrer eigenen Überschuldung neues Geld in den ESM pumpen müssen. Die Insolvenzbanken hingegen werden höchstwahrscheinlich neuerlich primär aus jenen Ländern kommen, die direkt oder indirekt schon von Deutschland & Co unterstützt worden sind. Diesen öffnet sich damit ein neuer Weg, andere für ihren Kollaps zahlen zu lassen.
Das alles macht sehr skeptisch gegen die neue Bankenunion.
Noch gewichtiger ist die Frage der Einlagensicherung. Und zwar jetzt schon. Warum müssen andere Banken oder Sparkassen für ein anderes Institut geradestehen? Das gibt es in keiner anderen Branche, dass die Konkurrenz für ein Crash-Unternehmen haftet, auf dessen Geschäftsführung sie absolut keinen Einfluss hatten.
Was die Sache noch ärgerlicher macht: Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden ja vor allem jene Institute kollabieren, die mit hohem Risiko und aggressiv in den Markt hineingegangen sind, die höhere Zinsen gezahlt haben, die Wackelkredite vergeben haben. Jedes Gerechtigkeitsgefühl wehrt sich da dagegen, dass andere Banken, die niedrigere Zinsen zahlen, die besonders vorsichtig bei der Kreditvergabe sind, für die Einlagen bei der risikofreudigen Konkurrenz zahlen müssen. Diese hat ihnen ja schon vorher wehgetan, als noch Hoffnung bestand, dass die eingegangenen Risken nicht schlagend werden.
Jetzt aber will die Politik vieler Länder sogar noch einen Schritt weitergehen: Vor allem die Linksparteien hätten am liebsten, dass alle europäischen Banken gezwungen werden, crashende Institute irgendwo in Europa mit viel Geld aufzufangen, beziehungsweise zumindest sämtliche Einlagen in den Crash-Banken zu sichern.
Das ist absurd.
Einlagensicherung und Haftung kann nur auf freiwilliger Basis (wie beispielsweise unter den österreichischen Sparkassen) funktionieren. Also nur zwischen jenen Instituten, die zueinander Vertrauen haben; die sich an einen strengen Kodex der Vorsicht halten; die genug Eigen- und Risikokapital haben, um die allergrößten Risken abzudecken. Einzig dafür bräuchte es Aufseher und Regeln, die es in den Verbünden auch schon gibt.
Wenn aber auch die Politik eine Einlagensicherung abgibt (die dann eben aus den erwähnten Gründen für alle Giro- und Sparkonten gelten sollte), dann sollte das jedenfalls nur für jene Institute gelten, die sich freiwillig einer strengen Kontrolle unterwerfen, die keine über dem Marktniveau liegenden Zinsen vergeben, die ihre Risiken streuen.
Das wäre das entscheidende Prinzip. Denn für alle anderen aber sollte gelten: Sie können machen, was sie wollen. Aber jeder, der bei solchen Banken Geld einlegt, sollte wissen, dass da dann keine Steuerzahler, kein mithaftende Sektor dahintersteht. Dass man also ganz auf seine eigene Verantwortung agiert. Dass man keine Sicherheit hat, wenn man gierig hohe Einlagezinsen (etwa bei südeuropäischen Banken) kassieren will. Wer dort anlegt, spekuliert. Das ist kein Verbrechen. Das muss aber mit allen Konsequenzen, also Risken auch von der Politik völlig klargelegt sein.
Die europäische Politik geht jedoch andere Wege. Mit der – fast schon fix beschlossenen – Rekapitalisierung maroder Banken durch den „Stabilitätsfonds“ und mit der – noch von der CDU und Finanzministerin Fekter abgelehnten, aber sonst von der Mehrheit geforderten – europaweit gemeinsamen Einlagensicherung droht ein weiterer Schritt Richtung Abgrund. Dadurch werden erneut alle Europäer zwangsweise zur Hilfe für die Maroden herangezogen.
Gegen all diese Gefahren nimmt sich ein weiterer Schönheitsfehler der europäischen Bankenunion geradezu harmlos aus: Große Banken werden künftig europäisch kontrolliert, kleine und mittlere aber weiterhin national. Auch dadurch entsteht natürlich eine weitere überflüssige Zone an Reibereien, Unklarheiten und Umgehungsmöglichkeiten.
Fazit: Durch die europaweite Einlagenhaftung wie auch durch die ESM-Haftung für das Kapital von Banken wie auch durch europäisch diffundierte Haftungsstränge wird das Prinzip Verantwortung noch weiter unterminiert. Das aber ist für eine gesunde Wirtschaft das absolut wichtigste Prinzip.
Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.