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Grüne Stoßgebete wirken

Da muss bei den Grünen in den letzten 24 Stunden heftig gebetet worden sein (zu wem auch immer: Zu Karl Marx? Zur immergrünen Eiche? Zu Simone de Beauvoir? Zu Mohammed? Zur heiligen Caritas?). Jedenfalls hat die Auszählung der Briefwahl jetzt den Grünen doch noch ganz knapp zu einem Da capo ihrer bisherigen politischen Bedeutung verholfen.

Die Grünen sind nun doch so stark geblieben, dass sie alleine Rot-Schwarz zur Verfassungsmehrheit verhelfen können. Zwar kann da jeder Autounfall und jede Grippewelle dazwischenfunken. Aber in der Regel gilt: Mehrheit ist Mehrheit. Auch wenn es nur um eine oder zwei Stimmen geht. Damit kann sich die aufgesetzte und ein wenig belämmert wirkende Fröhlichkeit der Eva Glawischnig aus der Wahlnacht jetzt doch ein wenig entspannter geben.

Damit hätte eine rot-schwarze Regierung noch eine weitere Alternative neben den Freiheitlichen zur Verfügung, wenn sie die Verfassungsmehrheit brauchen sollte. Und das ist in Österreich öfter denn anderswo der Fall.

Die anderen beiden Parteien – also Stronach plus Neos – würden hingegen nur im Doppelpack der Regierung eine Zweidrittelmehrheit bringen. Was ihre Relevanz im kommenden Parlament zweifellos reduzieren wird. Daher ist es auch eher peinlich, wenn sich der Neos-Chef Strolz jetzt der Regierung als Dritter anbiedert. Die weiß ja genau, dass sie im Verfassungsfall erst recht wieder einen Vierten brauchen würde.

An dieser Verfassungsfrage sieht man auch ganz konkret die Folgen der Schwächung der beiden einstigen Großparteien. Nach der letzten Wahl hatten diese sich ja vier Jahre lang bequem unter den anfangs drei Oppositionsparteien jede beliebige aussuchen können, um eine sichere Verfassungsmehrheit zu haben.

Dennoch können die Grünen alles andere als zufrieden sein. Trotz der kleinen Verbesserung ihres Prozentstandes stagnieren sie. Vor allem haben sie nicht wie erhofft als große Antikorruptions- und Aufdeckerpartei punkten können. Offen muss bleiben, wieweit die Wähler das Thema Korruption überhaupt als wirklich relevant ansehen. Oder ob die Grünen seit ihrer Rolle als Ersatzmotor für die rote Korruptionsmaschine im Wiener Rathaus inzwischen schon selbst alle diesbezügliche Glaubwürdigkeit verloren haben.

Tatsache ist jedenfalls, dass Stronach und Neos viel überzeugender sagen können, sie waren nie in so etwas verwickelt. Was freilich bei Stronach mit seinem Schloss am Wörthersee auch nicht ganz zutrifft.

Die grüne Malaise hat jedenfalls noch andere Ursachen: Die eine ist die in Deutschland stattgefundene Enttarnung der Grünen als einstige Pädophilie-Bewegung. Das schadet auch in Österreich heftig, obwohl es hier keine konkreten Beweise gegen die jetzige Grünmannschaft gibt. Aber es schadet dennoch, weil sich hier die Grünen ja (zusammen mit dem ORF) als moralistische Ankläger pädophiler Vorkommnisse in kirchlichen Einrichtungen zu profilieren versucht haben. Daher ist es auch schon vor den deutschen Enthüllungen seltsam aufgefallen, wie desinteressiert sie dann an der Aufarbeitung des – ja noch viel ärgeren – Pädophilie-Bordells im Bereich der Gemeinde Wien gewesen sind.

Während die anderen Kleinparteien halbwegs Distanz zu beiden Regierungsparteien zu haben scheinen, wirken die Grünen heute wie eine intellektuell angehauchte Vorfeldorganisation der SPÖ. Daran ändert der Umstand nichts, dass sie regional auch mit anderen Parteien pragmatisch und ohne größere Ärgernisse kooperieren.

Jedenfalls schädlich war auch die katastrophale Verkehrspolitik der Grünen in Wien. Das Pickerl-Diktat und die Mariahilferstraße zusammen waren ein wenig zu viel der Provokation.

Die große Frage aber bleibt: Was sind die Grünen heute? Einfach eine Partei wie jede andere, deren Chefin sich harmlos-nett mit kleinen Mädchen, Tieren und Blumen fotografieren lässt?

Die Grünen haben sich sicherlich wegentwickelt von ihren Anfängen als Partei der Hausbesetzer, Opernballdemonstranten, Maoisten, Trotzkisten und (echten oder taktischen) Antifaschisten. Dieser Haufen hat dann schon bald die ursprünglich bürgerlich-konservativ angehauchten Umweltschützer unter seine Kontrolle und Macht gebracht. Wobei dann jedoch der Umweltschutz und die Anti-Atomkraft-Bewegung, die eigentlich nur als systemzerstörend instrumentalisiert werden sollten, ganz stark zu einem harten Kern der Bewegung wurden.

Zugleich wurden auch die marxistischen Linksradikalen älter und gesetzestreuer. Dass übrigens der besonders fanatische Antifa-Kämpfer Öllinger jetzt offenbar den Sprung ins Parlament nicht mehr geschafft hat, ist eine weitere Wegmarke auf der Strecke dieser grünen Normalisierung. Da fällt Ballast ab.

Der eine oder andere Grüne (Van der Bellen, Kogler) konnte inzwischen sogar zu Wirtschaftsfragen gut mitdiskutieren. Andere wieder zogen den linken Caritas-Flügel ins grüne Lager. Beides schienen Zeichen der bürgerlichen Normalisierung zu sein.

Wäre nicht zugleich die nächste ideologische Übernahme passiert. Diesmal durch die Kampffeministinnen. Zwar kommen die Grünen bei Frauen dadurch etwas besser als bei Männern an. Aber Feminismus als zentrales Thema blieb eine Minderheitenangelegenheit.

Insbesondere vertrug er sich nicht mit dem zweiten von den Grünen in den letzten Jahren entwickelten Schwerpunkt: der Zuwendung zu Immigranten, insbesondere auch aus dem islamischen Raum. Damit hatten die Grünen plötzlich die unüberbrückbaren innerislamischen und innertürkischen Konflikte in den eigenen Reihen. Vor allem ist das islamische Frauenbild absolut konträr zum feministischen. Die Partei mag diesen Widerspruch zwar zu ignorieren versuchen. Weibliche Wähler sehen ihn jedoch sehr stark und wenden sich von den Grünen ab.

Und mit den Neos ist für die Grünen nun eine echte Katastrophe passiert. Während der zeitweise bedrohliche Ansturm der Piratenbewegung rascher als gedacht verebbt ist, ist den Grünen in der Pink-Partei eine ganz neue Konkurrenz erwachsen, die es sensationell auf Anhieb ins Parlament geschafft hat. Jetzt gibt es eine Gruppierung, die viel besser als die Grünen auf das attraktive, wenn auch unpolitische Lebensgefühl „junge, wilde Frische“ machen kann.

Die Neos können ohne die heterogenen Altlasten der Grünen heftig in grünen wie schwarzen Schickeria-Schichten wildern. Sie mühen sich nicht allzu lang mit ideologischen Fragen, sondern machen eben ganz auf locker. Das wird den Grünen noch viele Probleme bereiten. Sie laufen Gefahr, zur Partei der sauertöpfischen Studienräte und Altjungfern zu werden, welche die Menschen mit Vegetarismus, Antiraucherismus, Fahrradismus und politischkorrekter Regulierungswut immer mehr einengen. Die Grünen sind heute jedenfalls jene Oppositionspartei, die am wenigsten Lebensfreude ausstrahlt.

Nach dieser Stimmen-Nachzählung können die Grünen jedenfalls noch einmal für die nächsten fünf Jahre aufatmen. Sie werden also doch noch gebraucht. Zumindest solange, bis sie in ihrem Selbstzerstörungsdrang einen neuen -ismus gefunden haben . . .

PS: Apropos Nachzählung: Das Wandern eines Mandats von der SPÖ zur ÖVP ändert zwar keine so grundsätzliche Spielregel wie der Mandatsgewinn der Grünen. Aber es macht die Hetze des ORF und der Kronenzeitung besonders lächerlich, die beide seit Sonntag hartnäckig eine Führungskrise der ÖVP herbeireden wollen. Für die es aber null Anzeichen gibt. Während sie bei der SPÖ, die nun jedenfalls signifikant mehr verloren hat als die ÖVP, nicht einmal eine kritische Frage nach der Führungsqualität des Werner Faymann zu stellen wagen (zumindest solange ich das verfolgen konnte). Dafür wird zur Ablenkung der Steirer Voves attackiert, der unter dem regionalen Erfolg des Steirers Stronach gelitten hat. Widerlich wie immer. Aber eben ORF (siehe etwa den Montags-Report).

 

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