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Von Strauß bis Seehofer: Was ist die CSU eigentlich?

Die bayrischen Wahlsieger sind eine rätselhafte Partei. Von allen Vergleichen, die ich in den letzten Jahren über die CSU gehört habe, ist jener mit Silvio Berlusconis Bewegung wohl am treffendsten. Und von allen Adjektiva charakterisiert das Wort „populistisch“ die Partei Horst Seehofers am besten (was nicht heißt, dass Populismus bei anderen Gruppierungen unterentwickelt wäre).

Die CSU bezog in letzter Zeit eine Vielzahl komplett neuer Positionen, die man bei den Erben des Franz-Josef Strauß niemals erwartet hätte. Einmal grast die Partei sehr weit nach links, dann wieder sehr weit nach rechts aus. Im Grund hat man den Eindruck: Es gibt keinen einzigen Inhalt, den die Seehofer-Truppe nicht auf ihre Fahnen zu schreiben bereit wäre. Auch wenn sie das Gegenteil von dem sind, was man gestern oder vorgestern gesagt hat. Es muss nur nützen.

Der CSU-Wahlsieg bedeutet im Grund freilich bloß eines: Es gab diesmal zum Unterschied vom letzten Mal keinerlei CSU-Leihstimmen für die FDP. Das hat die CSU automatisch stärker gemacht. Das hat die FDP sofort aus dem Landtag gekippt. Das ist aber letztlich die einzige signifikante Verschiebung durch die Wahl. Der Grund des Leihstimmen-Verzichts: Der CSU war seit Wochen eine absolute Mehrheit prophezeit worden; daher musste kein Schwarzer zur Rettung einer Koalitionsmehrheit für die Gelben ausrücken.

Einen wirklichen Rechtsruck hat es jedoch in Bayern nicht gegeben. Die Linksparteien haben nämlich trotz des CSU-Jubels in Summe einen Prozentpunkt dazugewonnen: Das ist zwar alles andere als spektakulär. Das ist aber schon gar nicht der überall behauptete Triumph für die bürgerliche Gegenseite.

Ebenso signifikant wie die quantitative Konstanz der beiden Wählerblöcke auf der Linken und Rechten ist die neuerliche Zertrümmerung grüner Hoffnungen. Eine zwänglerische Vegetarier- und Steuererhöhungspartei ist halt nicht das, was sich die Menschen wünschen. Dabei könnten sich die Grünen ja eigentlich freuen, dass sie nicht mehr als Steinewerfer wahrgenommen werden. Die Grünen erreichten jedenfalls in Bayern nicht einmal mehr die Hälfte jenes Prozentsatzes, der ihnen dort vor einiger Zeit noch bei Umfragen zugemessen worden waren. Damit sind sie wohl endgültig als reine Umfragenkaiser demaskiert.

Das wird wohl auch bei der Bundestagswahl so sein: Denn als zusätzliches Drama für die Gutmenschpartei ist nun auch Parteichef Trittin in Sachen Pädophilie schwer belastet. Er hatte einst persönlich ein Wahlprogramm verantwortet, in dem die Straffreistellung von Sex zwischen Erwachsenen und Kindern gefordert worden ist. Damit bestätigt sich, dass die Straffreiheit von Sex mit Kindern nicht nur bei einzelnen grünen Ausreißern nachweisbar ist, sondern vielmehr zentraler geistiger Inhalt der grünen Identität gewesen ist. Die Partei hat damit auch niemals wirklich sauber aufgeräumt (wie es etwa die von Grünen gerade wegen pädophiler Vorfälle scharf attackierte Kirche getan hat).

Noch eine Anmerkung zum Wahlergebnis: Das schlechte Abschneiden der FDP in Bayern ist wohl auch das Ende der dortigen FDP-Chefin, der Berliner Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger. Das kann man sehr positiv einordnen. Denn die Dame verkörpert seit langem den linksliberalen Flügel der FDP und wirft aus dieser Gesinnung heraus immer wieder Sand in das Getriebe der Berliner Regierung. Sie hat sich nicht nur für den längsten und damit unbrauchbarsten Bindestrich-Namen der gesamten deutschsprachigen Politik entschieden. Sie hat sich auch inhaltlich schlicht als verzichtbar erwiesen.

Aber zurück zur CSU und deren rätselhaftem Wesen. Auf der einen Seite bezieht sie Positionen, die nur dem Bierdunst über Stammtischen entsprungen sein können. Dazu zählt etwa die Forderung nach einer Pkw-Maut NUR für Ausländer.

Ganz abgesehen davon, dass eine solche Maut insbesondere Österreicher treffen soll (zum Beispiel deutsches Eck!), so fällt noch etwas Zweites auf: Es hat seit Jahrzehnten keine politische Forderung gegeben, die so klar EU-widrig gewesen wäre wie diese. Eine solche Maut würde daher auch blitzschnell vom EU-Gerichtshof aufgehoben werden. Denn die Gleichbehandlung aller EU-Bürger im ganzen EU-Raum ist wohl das wichtigste Prinzip des EU-Binnenmarktes.

Ginge der CSU-Plan durch, müsste Österreich im Gegenzug sofort hohe Studiengebühren nur für Deutsche einführen, oder gleich für alle Ausländer. Es wäre dann aber wohl überhaupt besser, die EU gleich aufzulösen. Sollte die Maut jedoch nur für Nicht-EU-Staaten eingeführt werden, würde sich Bayern zur Lachnummer machen. Denn dann würde die Einhebung mehr kosten, als man den paar Schweizern, Norwegern und Ukrainern auf deutschen (oder gar nur bayrischen) Autobahnen abknöpfen könnte.

Ungewöhnlich, aber im Gegensatz zur Ausländermaut aufs erste durchaus interessant klingt der Plan, ein „Heimatministerium“ zu schaffen. Es ist ja keine Frage, dass sich immer mehr deutsche (aber auch österreichische) Bürger in den Straßen ihrer Städte fragen, ob sie noch in ihrer Heimat leben. Immer stärker wird deswegen der von den Bürgern verspürte Handlungsbedarf (dem man mit islamischen Kandidaten wie es einige österreichische Parteien versuchen, wohl eher nicht befriedigen kann). Freilich bleibt mit Interesse abzuwarten, was ein solches Ministerium denn eigentlich tun wird. „Heimat“ und ein „Ministerium“ sind ja grundsätzlich zwei sehr verschiedene Paar Schuhe.

Ebenso klar im rechten Lager positioniert sich die CSU immer in Sicherheitsfragen. Der von ihr gestellte Berliner Innenminister hat damit das CSU-Profil sehr gestärkt. Das Sicherheitsbewusstsein der CSU wird von Grün, Medien & Co zwar immer heftig kritisiert, es entspricht aber sicher dem Mehrheitswillen.

Ganz weit nach links abgestürzt ist die Partei hingegen auf der anderen Seite mit ihrem über Nacht ausgerufenen Krieg gegen Studiengebühren an Universitäten. Offenbar hat das eine Umfrage so empfohlen. Und schon ist Seehofer gesprungen. Das macht irgendwie sprachlos. Derselbe Unsinn droht übrigens bei Österreichs Schwarzen nicht. Denn hier zeigen ja die Umfragen eine klare Sympathie der Mehrheit für Studiengebühren.

Wieder zurück nach Bayern. Über Nacht hat sich Seehofer auch an die Spitze der Kämpfer gegen Atomkraft gestellt. Das brachte ihm zumindest in den Monaten nach Fukushima auch zweifellos Punkte. Damit hat der bayrische Ministerpräsident zugleich den Lebensraum für die Grünen sehr klein gemacht. Das heißt aber nicht, dass er nicht auch wieder zu einer neuerlichen Wende imstande wäre, wenn das AKW-Aus einmal zu einem größeren Strom-Blackout führen wird. Was in einem strengeren Winter  passieren wird.

Nicht ändern wird Seehofer hingegen den massiven Lobbyismus für die Solarenergie, auch wenn diese in Bayern klimatisch wenig Sinn macht. Aber viele Hunderttausende CSU-Wähler – insbesondere Bauern – haben sich inzwischen Paneele aufs Dach schrauben lassen, an denen sie ein nettes Zubrot auf Kosten der Stromzahler verdienen. Damit haben die Solarstrom-Verkäufer auch eine De-facto-Garantie auf anhaltende CSU-Unterstützung.

Am interessantesten aber ist, über welchen bayrischen Politiker weder in den Wochen vor noch nach der Wahl gesprochen worden ist: über Karl-Theodor zu Guttenberg. Dabei war der noch vor nicht allzu langer Zeit Deutschlands beliebtester Politiker, bis er wegen seiner abgeschriebenen (und wohl auch: fremdgeschriebenen) Dissertation zurücktreten musste. Dennoch war noch vor einigen Monaten mit einer strahlenden Rückkehr des schönen Freiherrn in die bayrische Politik gerechnet worden.

Jetzt rechnet niemand mehr. Seehofer hat ihn elegant kaltgestellt. Dabei gleichen sich Seehofer und Guttenberg in einem ja sehr: in der plötzlichen Aufgabe lange Zeit scheinbar unverrückbarer Positionen. Guttenberg hat das vor den staunenden Augen der Bundeskanzlerin insbesondere bei der Aufhebung der Wehrpflicht demonstriert. Mit dem interessanten Ergebnis: Heute ist die Wehrpflicht in Deutschlands Wahlkämpfen absolut kein Thema mehr, obwohl Experten von einer Totaldemontage der Bundeswehr sprechen.

Offenbar scheint sprunghafte Eigenwilligkeit das zentrale Charakteristikum bayrischer Spitzenpolitiker zu sein. Und ebenso die geradezu manische Sucht, immer wieder Bundeskanzler auch aus der eigenen Union öffentlich zu brüskieren. Damit haben Seehofer und Guttenberg dann doch Gemeinsamkeiten mit Bayerns Urvater Franz-Josef Strauß. Wenngleich der ganz andere ideologische Positionen vertreten hatte. Wenngleich keiner der beiden so wie Strauß imstande ist, politische Aussagen in einer kurzen Pointe zusammenzufassen.

 

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