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Wir blicken alle wie die Kaninchen auf die Schlange: Mit immer mehr Spannung werden die ständig allerorten veröffentlichen Umfragen beobachtet – sie sind aber aus vielerlei Gründen nicht nur unpräzise, sondern auch falsch.
Umfragen sind vor allem eine Strategie von Zeitungen und Fernsehanstalten, sich mit „exklusiven“ Inhalten zu füllen. Sie sollen ähnlich wie ein Horoskop die Neugier befriedigen, künftige Entwicklungen vorzeitig zu erfahren. Das sieht man derzeit auch in Deutschland, wo entgegen allen bisherigen Usancen diesmal bis zuletzt Umfragen veröffentlicht werden. (Ausgerechnet) „Bild“ tut dies sogar noch am Wahltag. Und die öffentlichen-rechtlichen Anstalten taten dies heuer erstmals noch drei Tage vor der Wahl.
Diese späten Veröffentlichungen lösen mit Sicherheit immer Rückwirkungen auf das Verhalten der Wähler aus. Wer etwa gibt schon gerne seine Stimme einer Partei, die gar nicht ins Parlament kommt?
In ihrer Gier, Aufmerksamkeit zu erregen, lassen sich viele Medien bei den Veröffentlichungen auch immer wieder zu wilden Übertreibungen hinreißen. Wenn sich etwa ein dreiprozentiges „Intervall“ – das bedeutet den Bereich, in dem eine Partei laut Langtext der Umfrage liegt, – eine einprozentige Verschiebung gibt, dann sagt dies in Wahrheit absolut nichts. In der medialen Darstellung insbesondere der Boulevard-Medien wird das jedoch zur Sensation hochgespielt. Dabei sprechen alle Umfragen, wenn man sie genau liest, nur von solchen Intervallen.
Bei Wahlumfragen gibt es aber auch noch etliche nicht durch Sensationsgier verursachte Verzerrungen. Diese lassen sich auch gar nicht verhindern. Die von Laien oft als vermeintliches Problem angesprochene Größe der Stichprobe ist dabei noch das kleinste Problem.
Viel mehr Anlass zu Skepsis und Vorsicht sollte die – langfristig noch dazu wachsende – Zahl von Antwortverweigerern und Spätentscheidern sein. Was auch immer der wahre Grund sein mag, ein Fünftel bis ein Drittel sagt jedenfalls entweder: „Weiß nicht“ oder: „Das geht Sie gar nichts an“. Das wird übrigens besonders oft dann geantwortet, wenn ein sparsamer Auftraggeber aus Ostdeutschland bei den österreichischen Wählern anrufen lässt. Deutschdeutsch befragt zu werden, erweckt ja bei den meisten Österreichern keine sonderlichen Sympathien.
Diese große Dunkelziffer wird jedoch bei Veröffentlichungen immer konsequent verschwiegen. Die Institute versuchen vielmehr, die Verweigerer zu schätzen – und irren dabei immer zwangsläufig. Lange war es etwa so, dass sich FPÖ-Wähler auch bei noch so vertraulichen oder raffinierten Fragtechniken gerne verschweigen. Blau zu wählen war ja als böse abgestempelt und daher bekannte man sich nicht gerne einem Fremden gegenüber dazu.
Aber ist dieses FPÖ-Phänomen noch immer so? Oder geniert man sich vielleicht inzwischen schon eher, sich zu einer Regierungspartei zu bekennen als zu irgendeiner Oppositionsgruppe? Niemand weiß es.
Und schon gar nicht wissen die Institute, wie sie neue Parteien bezüglich der Schätzwerte behandeln sollen. Dabei gibt es in Österreich derzeit jede Menge davon: Stronach, Neos, Piraten.
Wie unzuverlässig Aussagen bei Umfragen sind, zeigt auch ein erstaunliches Phänomen der aktuellen Umfragen. Darauf hat dieser Tage der Meinungsforschungsexperte Peter Ulram hingewiesen: Fragt man die Österreicher (auch als Mittel, um Antwortverweigerer doch irgendwie einschätzen zu können), wen sie denn beim letzten Mal gewählt haben, dann sagen nur ein bis zwei Prozent: „BZÖ“. In Wahrheit war die Partei jedoch damals von zehn Prozent gewählt worden.
Aber offenbar verdrängen heute viele ihre BZÖ-Stimme. Oder sie haben einfach Jörg Haider wählen wollen und inzwischen ganz vergessen, dass man dazu BZÖ ankreuzen musste.
Haider hatte ja damals das sieche BZÖ im letzten Moment noch einmal in die Höhe gerissen, als er sehr viele ÖVP-Wähler angesichts der Zerstrittenheit ihrer eigenen Partei (siehe etwa die Intrigen der Prölls gegen Parteichef Molterer) für sich gewinnen konnte. Das war Haider damals mit einer bewussten Mischung aus wertkonservativen und wirtschaftsliberalen Positionen gelungen, die ihn als die bessere ÖVP erscheinen ließen.
Dieser Kurs war dann freilich beim BZÖ bald in Vergessenheit geraten und überdies durch etliche Affären von Kärnten bis Telekom überdeckt worden. Die Haider-Taktik wurde aber im jetzigen Wahlkampf von Josef Bucher zumindest in Hinblick auf liberale Positionen ein wenig wiederbelebt. Die wertkonservativen hat er allerdings nicht wirklich übernommen; Bucher hat sich deswegen auch einen Konflikt mit seinem Parteifreund Stadler eingehandelt (insbesondere rund um das Abtreibungsthema).
Allein das Beispiel BZÖ zeigt, wie schwer es ist, aus irgendwelchen Umfragen ein Wahlergebnis zu prognostizieren. Dies gelingt umso weniger, als niemand die eigentlich viel ehrlicheren Rohdaten, also die echten Umfrage-Ergebnisse veröffentlicht. Publiziert wird immer nur eine Schätzung des Wahlausgangs.
Das führt dann zu bisweilen lustigen taktischen Spielchen. So ließ die SPÖ in den letzten Wochen verbreiten, dass sie bei den geheimen Rohdaten viel bessere Ergebnisse für die Neos hätte, als die veröffentlichten Ergebnisse anzeigen würden.
Man muss da freilich schmunzeln, sobald man die Absicht durchschaut hat: Damit sollen ganz offensichtlich bürgerliche Wähler, die ihre Stimme nicht vergeuden wollen, doch noch zum Wählen der Neos gebracht werden. Das ist eine sehr ähnliche Strategie wie einst, als die SPÖ und insbesondere Heinz Fischer die Gründung des LIF unterstützt hatten. Auch damals hatte die SPÖ ja geglaubt, diese – weitgehend mit den heutigen Neos identische – Gruppierung würde vor allem der ÖVP schaden. Sie hat aber in Wahrheit den Grünen geschadet und ist praktisch immer auf der Seite der SPÖ gestanden.
Die allergrößte Unsicherheit ist aber durch die Wähler selber entstanden: Nur noch 40 Prozent haben laut Ulram wenigstens Reste einer emotionalen Bindung an daeine Partei. Und nicht einmal das bedeutet automatisch die Wahl dieser Partei. Dabei war dieser Bindungs-Wert einige Wahlen vorher noch doppelt so hoch.
Das Alles heißt nun nicht, dass Meinungsforschung sinnlos wäre. Ganz im Gegenteil. Man muss aber immer wissen, was da alles für Unwägbarkeiten und Ungenauigkeiten dahinterstecken, wie Medien und Parteien damit manipulieren. Und vor allem, dass es am Ende doch auf jede einzelne Stimme ankommt.
Also: Wir werden auch weiter wählen gehen müssen. Und das ist auch gut so.