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Politikermut vor Journalistenthronen

Auch jene Politiker, die veranlagungsmäßig keine Masochisten sind, lassen sich oft widerspruchslos von Journalisten prügeln. Ja, sie halten sogar die zweite Wange für die nächste Ohrfeige hin. Sie tun das freilich nicht aus christlicher Demut, sondern aus Feigheit gegenüber der vermuteten Macht eines Journalisten. Nur ganz wenige Charaktermenschen trauen sich da dennoch mutig zu bleiben. Daher sind diese besonders laut zu loben. Dies umso mehr, als etwa eine Figur wie die Chefin des SPÖ-nahen Boulevard-Blattes „Heute“ jetzt sogar groß angekündigt hat, die Macht ihres Blättchens massiv verstärkt für politische Kampagnen zu nutzen. Und noch mehr ist zu loben, wenn es ein Politiker wagt, sich sogar direkt mit dem Medienelefanten ORF anzulegen.

Das hatte einst mit großem Erfolg Jorg Haider getan. Das hat lange auch H.C. Strache gewagt, aber inzwischen verzichtet er überraschenderweise auf Attacken gegen den Sender, er hat offenbar tonnenweise Kreide geschluckt. Heftige Attacken auf den ORF hat anfangs auch Frank Stronach versucht; er ist es aber intellektuell schlicht zu simpel angegangen. Und nun setzt der ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf einen Vorstoß, und das zwei Wochen vor einer Wahl. Was zweifellos besonders mutig ist.

Kopf hat sich dabei ein absolut legitimes, ja notwendiges Ziel gewählt: die Twitter- und Facebook-Auftritte der ORF-Journalisten. Diese missbrauchen ununterbrochen ihre durch das Gebührenprivileg des ORF entstandene und finanzierte Bekanntheit ungeniert, um in einem der „sozialen“ Medien ganz persönliche und private Hetzkampagnen zu reiten. Dabei gehen sie sogar soweit, dass sie Menschen anderer Auffassung in polemischer Weise beispielsweise wahrheitswidrig Rauschgiftkonsum unterstellen.

All diese Auftritte lassen sich nicht durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit rechtfertigen. Wer eine durch Gesetz geschaffene wichtige Funktion übernimmt, der ist für den Rest der Nation natürlich in sämtlichen öffentlichen Auftritten durch diese Funktion geprägt.

Es kann auch der Bundespräsident nicht plötzlich irgendwo auftreten und ganz anders reden als zuvor. Es kann kein Minister eine zweite öffentliche Identität (und Meinung) neben seiner amtlichen annehmen. Das kann kein Richter, kein Diplomat, kein Sektionschef. Und gerade Journalisten sind immer die ersten, die kritisch aufbrausen, wenn jemand gegen diese Grundregel verstößt.

Und schon gar nicht kann das ein ORF-Journalist, der durch Gesetz sogar ausdrücklich zu Objektivität angehalten ist. Der kann dann nicht nach (oder vor) einer Sendung hergehen und im Internet ganz andere Auffassungen twittern. Denn erstens nimmt das dem Sender total die Glaubwürdigkeit. Und zweitens ist das ein Missbrauch der Bekanntheit, die ORF-Journalisten einzig und allein durch den öffentlich-rechtlichen Sender haben.

Dementsprechend hat ja auch einst der brillante Anchorman Broukal natürlich sofort seine ORF-Tätigkeit aufgegeben, als er ein Parlamentsmandat angenommen hat. Dabei gibt es ja keineswegs ein Berufsverbot für Abgeordnete. Dennoch war allen klar, dass sich das nicht gehört. Ebenso sind sämtliche Tätigkeiten von ORF-Journalisten in Zeitungen genehmigungspflichtig.

Und Dinge wie Twittern sollen möglich sein? Nur weil diese Kommunikationsformen bei Beschluss des ORF-Gesetzes noch völlig unbekannt gewesen und daher nicht im Gesetz enthalten sind?

Jeder der ORF-Twitterer und -Facebooker kann morgen zurücktreten und dann frei jede nur denkbare Meinung vertreten. Aber das sollte keinesfalls möglich sein, solange er das ORF-Privileg konsumiert. Man kann nicht beides gleichzeitig haben.

Ähnliches müsste eigentlich auch für all die Moderatoren von Unterhaltungssendungen gelten, die ständig und ungeniert in der Werbung auftreten, vor allem in jenen Werbespots, die dann gleich wieder im ORF ausgestrahlt werden.

All diese schmutzigen Grenz-Überschreitungen sind ein Kernelement der Verkommenheit dieses Landes. Selbst wenn kein genau ausformulierter Strafrechtsparagraph zu finden ist, der dabei verletzt wird, müsste ein ORF-Generaldirektor von sich aus Maßstäbe haben und setzen: Was soll bei ORF-Stars nicht sein? Was gehört sich nicht? Wo liegt ein Missbrauch der öffentlich-rechtlich privilegierten Situation vor?

Kopf hat also diesbezüglich absolut recht. Das wissen natürlich auch die anderen Parteien, die jetzt populistisch über ihn herfallen. „Populistisch“ heißt in diesem Fall übersetzt schlicht: „hoffnungsvoll bangend auf gute Behandlung im ORF“.

Bei seiner nächsten Forderung, der nach einem zweiten ORF-Geschäftsführer, kann man Kopf freilich weniger zustimmen. Es ist eher naiv zu glauben, dass – insbesondere angesichts der Zusammensetzung des Stiftungsrates – damit die schwere Schlagseite des Senders zu beheben wäre. Die Schieflage des ORF hat viel gravierendere Gründe.

Immer mehr komme ich zur Überzeugung, dass diese nur noch durch eine komplette Umstellung des Gebührenmodells zu sanieren ist – sofern man überhaupt weiterhin den Bürgern Zwangsgebühren abknöpfen will. Denn zumindest Servus-TV zeigt ja, dass man auch ohne Gebühren einen Sender machen kann, der besser und mehr öffentlich-rechtlich ist als der ORF.

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