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Von Wahlkabine bis Politikkabine: Hilfe für seine Wahlentscheidung bekommt der suchende Wähler weder da noch dort. In beiden angeblichen Entscheidungshilfs-Plattformen im Internet finden sich zwar viele seltsame Fragen zu abseitigen Themen, während jedoch fast alles, was wichtig ist, weggelassen worden ist.
Das einzige, was die von den Parteien selbst bezogenen Ja-Nein-Positionen zeigen: Das ist die innere Nähe unter den Linksparteien wie auch unter den Rechtsparteien. Für diese Erkenntnis braucht es aber keinen aufwendigen Internet-Test. Interessant sind da höchstens zwei kleine Details (die aber natürlich auch längst bekannt sind):
Der Rest sind fast nur Ärgernisse. Während die „Wahlkabine“ wenigstens noch deutsch kommuniziert, spricht die Politikkabine politisch korrektes Genderistisch. Dort gibt’s nur noch „KANDIDATINNEN“.
Völlig fassungslos wird man, wenn man etwa in beiden Plattformen zwar eine Frage nach dem Jugendgerichtshof findet. Hingegen wird weder da noch dort nach Gesamtschule oder Ganztagsschule gefragt. Dabei gehe ich jede Wette ein, dass für mindestens 95 Prozent der Österreicher diese beiden Schulthemen relevanter, wichtiger und interessanter sind als die Frage nach der Gerichtsorganisation.
Die Schaffung eines neuen Gerichtshofs interessiert in Wahrheit höchstens drei Mini-Gruppen: Fünfeinhalb linke Strafjuristen, die prinzipiell alles, was schwarz-blau abgeschafft haben, wieder einführen wollen; jene, die hoffen, dass es dann einen weiteren, gut bezahlten Posten als Gerichtspräsident gibt; und schließlich die ideologischen Gesellschaftsveränderer, die hoffen, dass dann noch weniger Jugendliche verurteilt werden.
Eine Fülle solcher Beispiele zeigt wieder einmal: Gerade jene beiden Gruppen, die sich wahnsinnig gerne als Repräsentanten der öffentlichen Meinung ausgeben, haben von dieser keine Ahnung. Die Fragen der einen Plattform waren von Politologen gestaltet worden, die der anderen von Journalisten einiger Tageszeitungen.
Dabei zeigen sich ohnedies kaum Grenzen zwischen diesen beiden Gruppen. So fragt ausgerechnet die journalistische Plattform nach einem Thema, das ausschließlich die absolvierten Politologen interessiert: Soll Politische Bildung als Schulfach eingeführt werden? Das ist seit langem ein Wunsch der Politologen-Lobby, die sich dadurch viele Jobs für die Absolventen ihres weitgehend perspektiven- und qualitätslosen Studiums erhoffen. Sonst braucht und wünscht sich das aber niemand.
Ansonsten nehmen sich solche Fragebögen wie Briefe ans Christkind aus. Bei keiner einzigen Frage wird etwa das in Wahrheit entscheidende Kostenthema angesprochen.
Staatsverschuldung? Privatisierung? Gesetzesflut? Verwaltungsreform? Einsparungen? Griechenlandhilfe? Euro-Zukunft? Stabilitätsmechanismus? Rettung von Banken statt Abwicklung? Alles unwichtig.
Dafür finden sich etwa bei der Zeitungs-Kabine die mir auch beim dritten Durchlesen nicht wirklich verständliche Frage: „Sollen die nichtkommerzielle Verbreitung und Nutzung von digitalen Daten als Grundrecht verankert werden?“ Offenbar dürfte es da um das von den Piraten verlangte Recht auf elektronischen Diebstahl gehen, das die Fragebogenschreiber nun sogar in der Verfassung ansiedeln wollen.
Auch sonst findet sich eine Reihe von Orchideenthemen. Etwa das grüne: „Sollen Einkaufstaschen aus Plastik besteuert werden?“
Interessant ist höchstens, wie sich die Parteien in diesem Ja-Nein-Schema selbst positionieren. Da finden sich etwa bei der SPÖ seltsame Widersprüche zwischen ihrer konkreten Politik und jenen Positionen, auf die sich die Partei bei den Angaben zur Politikkabine selbst festgelegt hat: „Sollen die Staatsanwälte in Österreich weisungsfrei gestellt werden?!“ Die SPÖ sagt „Nein“, ihr Justizsprecher hat jedoch immer wieder „Ja“ gesagt. Erstaunlich ist auch das Fragebogen-„Nein“ der SPÖ zu der längst (auch via EU) von ihr mitbeschlossenen Vorratsdatenspeicherung. Oder ihr Nein zu: „Sollen zehn Prozent der Wahlberechtigten (rund 650.000 Personen) mittels Unterschrift eine Volksabstimmung über ein Gesetz verlangen können?“ Hat doch die SPÖ erst vor kurzem in der Regierung einem solchen Gesetzesentwurf zugestimmt. Was gilt da nun?
Wer also glaubt, durch solche Internet-Spielereien bei der – diesmal zweifellos besonders schwierigen – Wahl-Entscheidung irgendeine Hilfe zu erhalten, der ist leider völlig auf dem Holzweg.
PS: Wenn Journalisten und Politologen einmal wirklich sinnvolle Fragebögen erstellen wollen, dann müssten sie dreierlei tun: Sie müssten sich erstens zumindest zehn Mal so viele Mühe und Zeit wie bisher für die Ausarbeitung nehmen; sie müssten zweitens endlich versuchen, sich in die Wähler und deren Prioritäten hineinzudenken; und sie müssten drittens von den Meinungsforschern lernen, die vor ein paar Jahrzehnten ähnlich amateurhaft angefangen haben, die aber seither durch bitteres Lehrgeld doch etliches dazugelernt haben. Wahlentscheidungen sollten halt nun einmal wichtiger sein als bloße elektronische Spielereien.