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Die Neos, ein begeistertes Chamäleon

Der erstaunlichste Wahlsieger des Sonntags sind zweifellos die Neos. Ähnlich wie in Deutschland die „Alternative für Deutschland“ haben sie aus dem Stand ein eindrucksvolles Ergebnis geschafft. Mit sehr vielen Interpretationsebenen.

Die Neos übertreffen sogar die historische Leistung der Grünen, der einzigen Partei vor ihnen, die im letzten halben Jahrhundert von außen, also ohne Abspaltung von einer anderen Partei, den Einzug ins Parlament geschafft hat: Denn die Grünen konnten damals auf ein dichtes Netzwerk von Vereinen und Bürgerinitiativen aufbauen. Das können die Neos in keiner Weise. Umso größer die Leistung ihrer Kampagne.

Daraus kann man ganz eindeutig lernen (wenn man‘s nicht ohnedies schon gewusst hatte): Die Wähler sind volatiler denn je. Sie haben keine fixen Lebensabschnittsbindungen mehr. Sie sind bereit, sich relativ oft auf neue Bindungen einzulassen. Während die Menschen seit dem Auftreten von Aids viel öfter monogam geworden sind, sind sie das in politischen Verhältnissen keineswegs.

Schillernd ist der Vergleich der Neos mit der „Alternative für Deutschland“. Die Neos sind ins Parlament gekommen, die AfD auf Grund des rigideren deutschen Wahlrechts hingegen nicht. Aber umgekehrt hat man bei der AfD genau und scharf gewusst, wofür sie in ihrem zentralen Anliegen steht. Bei den Neos weiß ich das hingegen nicht – und vermutlich auch die meisten ihrer Wähler nicht.

Die Neos haben letztlich sogar von dem Umstand profitiert, den sie selber und auch ich eigentlich für eine große Benachteiligung gehalten hatten: Sie standen nicht im oft kritischen Scheinwerferlicht der zahllosen TV-Debatten, sondern wurden kaum beachtet. Genau das aber hat es ermöglicht, dass Wählergruppen viele sehr unterschiedliche Hoffnungen und Meinungen in die Neos hineinprojizieren konnten. Es wurde nie scharf aufgezeigt, dass das oft total unvereinbare Hoffnungen sind. Die einen haben in den Neos beispielsweise eine Partei gesehen, die gegen Steuererhöhungen ist, die anderen haben sie gewählt, weil der Neos-Ministerkandidat Haselsteiner von 95-prozentigen Steuersätzen gesprochen hat. Zuerst schienen die Neos für Zwangsgesamtschulen zu sein, dann waren sie plötzlich für Vielfalt.

Im Wählerkreis der Neos hat sich eigentlich Unvereinbares verbunden: Er rekrutiert sich laut Wählerstromanalyse primär aus ehemaligen ÖVP- und ehemaligen Grün-Wählern. Und zwar jeweils zu ziemlich gleichen Teilen. Grün und Schwarz sind freilich noch immer zwei sehr unterschiedliche Lebenswelten. Beides ist nur in den romantischen Träumereien junger Politikberater und in der medialen Beliebigkeitswelt leicht vereinbar. Solange nicht harte und konkrete politische Entscheidungen getroffen werden müssen, passt jedoch alles in den gleichen rhetorischen Schmelztiegel hinein: ökologisch, sozial, marktorientiert, freiheitsorientiert, genderistisch, politisch korrekt . Für die einen sind die Neos das alte linke Heide-Schmidt-LIF, das durch scharfe Antikirchenaktivisten sogar noch weiter nach links gerückt ist. Für die anderen sind sie neoliberal, wie es etwa die Kommunisten am Wahlabend formuliert haben.

Umso interessanter wird es, wenn die Neos jetzt im Parlament Farbe bekennen müssen. Da wird die Rolle als Chamäleon und sich ständig änderndes Vexierbild durch konkrete Positionierungen ersetzt werden müssen. Politischer Populismus allein (etwa mit dem Kronenzeitungs-artigen Kampf gegen die Parteienförderung) wird da jedenfalls zuwenig sein.

Sollte es wirklich wie vielfach befürchtet wieder zu einer rot-schwarzen Koalition kommen, dann sollten die Neos auch nicht die Schwierigkeit der Oppositionsrolle unterschätzen: Gleich vier Oppositionsparteien werden im Nationalrat gegen die Regierung, aber genauso auch gegeneinander um Aufmerksamkeit und Profilierung kämpfen müssen. Da kann man sehr leicht untergehen.

Den Neos ist aber jedenfalls zu attestieren: Sie haben sehr begeistert Wahlkampf geführt. Dafür hat vor allem die Ausstrahlung des Partei-Teilgründers Strolz gesorgt. Er hat mit seinem beharrlichen Optimismus viele mitgerissen, ein Schwung, der bei vielen anderen Parteien gefehlt hat. Strolz ist damit auch zumindest vorerst total glaubwürdig drübergekommen ist.

Im Vergleich dazu hat der Versuch der SPÖ, sich trotz des deutlichen Minus und des aschfahlen Auftritts von Werner Faymann als Sieger zu präsentieren, nur noch peinlich gewirkt. Dabei hat sie bis auf den Zehntelprozentpunkt genauso viel verloren wie die ÖVP. Die Sprachregelung der Volkspartei, offen von einem „Denkzettel“ zu sprechen, klang da jedenfalls viel ehrlicher. Das ist insofern erstaunlich, als die ÖVP nach fast allen früheren Wahlen berühmt dafür war, besonders ungeschickt auf Wahlergebnisse zu reagieren. Diesmal nicht. Das könnte der Anfang einer Besserung sein.

In der nicht eindeutig beantwortbaren Frage, ob hinter dem pinken Farbenzauber der Neos eigentlich eher eine Links- oder Rechtspartei zu finden ist, würde auch die Antwort auf die Frage liegen, ob der Wahltag in Summe einen Rechts- oder Linksruck gebracht hat. Denn eines ist klar: Die SPÖ hat deutlich mehr verloren, als die zarten Zugewinne der Grünen ausmachen. Auf der anderen Seite ist aber mit dem BZÖ ein doch nennenswerter Prozentsatz rechter Stimmen nicht ins Parlament gekommen. So wie es in Deutschland bei gleich zwei Rechtsparteien passiert ist.

PS: Noch ein interessanter Vergleich zu Deutschland: Dort wird die große Siegerin Angela Merkel am Ende wohl substanzielle Konzessionen an einen linken Koalitionspartner machen müssen. Sie hat ja keine Alternative. In Österreich hat die ÖVP hingegen trotz des Rückschlags bei den Wahlen derzeit sogar drei Koalitionsmöglichkeiten (mit der SPÖ, mit FPÖ-Stronach, mit FPÖ-Neos). Das macht sie im Vergleich zur SPÖ, die de facto ohne Alternativen dasteht, enorm stark. Freilich muss diese Stärke jetzt auch noch taktisch geschickt eingesetzt werden . . .

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