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Die (voraussichtlich unmittelbar bevorstehende) Zustimmung der ÖVP zum Entwurf eines neuen Dienstrechts für alle Lehrer hat klare Konsequenzen: Die Lehrer werden es nicht hinnehmen, dass ohne den bisherigen sozialpartnerschaftlich üblichen Konsens über sie drübergefahren wird. Und die ÖVP wird weitere zwei Prozentpunkte an Wählerunterstützung erleiden. Man fragt sich nur, warum sie dem Text zustimmt: Ist es struktureller Masochismus oder wird die Partei von ein paar Geldgebern aus der Wirtschaft erpresst?
Dabei könnte sich die ÖVP ohne diesen Schwachsinn derzeit eigentlich freuen: Die Kandidatenlisten der anderen Parteien sind qualitativ so dünn wie ihre eigenen. Blau, Grün und Rot ziehen sich überhaupt auf ihre Kernwähler zurück. Das BZÖ schickt lauter Nobodys ins Rennen. Bei den Neos stechen aggressive linke Kirchenhasser hervor. Und bei Stronach sind zwar einige durchaus interessante Kandidaten zu finden, über die sich auch andere Parteien freuen könnten. Deren Wirkung wird aber durch die Minusfrau Monika Lindner mehr als kompensiert.
Lindner hat in den letzten Jahren zielsicher eine große Plakatfirma mit Millionenschaden gegen die Wand gedonnert. Davor hat sie im ORF als eigentlich bürgerliche Kandidatin so ungeschickt agiert, dass der Staatsfunk am Ende von den Linken im Handstreich übernommen werden konnte. Die Dame scheint nur in einem gut zu sein, nämlich um im Windschatten machtbewusster Macho-Tycoons (Pröll, Konrad, Stronach) nach oben zu segeln. Dass sie FÜR irgendetwas stehen würde, ist hingegen noch nie jemandem aufgefallen.
Zurück zum – erwarteten – Dienstrecht. Dieses wird am Wahltag viel relevanter sein als alle Kandidatenlisten. Für die ÖVP wird es sogar katastrophal relevant. Dies ist gleich aus mehreren Gründen der Fall. Im schwarzen Parteiquartier versteht das aber offensichtlich niemand, weil in der ÖVP ohnedies niemand mehr etwas vom Dienstrecht oder von der Schule versteht.
Konkret:
Erstens hat sich Michael Spindelegger nun wirklich als der Flippflopper erwiesen, als den ihn die SPÖ-Propaganda schon seit einiger Zeit hinzustellen versucht. Man kann gar nicht nachzählen, wie oft der ÖVP-Chef da schon seine Meinung geändert hat. Nur im Konsens mit den Lehrern. Auch ohne Konsens mit den Lehrern. Nur im Konsens mit den Lehrern. Auch ohne Konsens mit den Lehrern. Usw. Das Spiel könnte während und nach der nun beginnenden Begutachtung noch ein paarmal weitergehen. Dazwischen könnte es ein paar Zwischenetappen geben, in denen Spindelegger wieder so tut, als habe er persönlich einen Konsens mit den Lehrern erzielt. Dieses Flippflopp ähnelt ja übrigens auch Spindeleggers fast täglich wechselnden Aussagen zum Thema „Erhöhung des Frauenpensionsantrittsalters“. Auch dabei hat er am Schluss alle verärgert.
Zweitens zeigt die ÖVP damit klar, dass Arbeitnehmergruppen, die sich hinter die Volkspartei stellen, desavouiert werden, während die SPÖ wie eine Betonmauer hinter „ihren“ Leuten steht.
Drittens steht das nun auch von der ÖVP getragene Ansinnen, dass Lehrer an AHS künftig bis zu sechs Stunden mehr pro Woche unterrichten müssen, im deutlichen Gegensatz zur Arbeitszeit für ÖBBler: Diese ist gerade um eineinhalb Stunden gekürzt worden. Dabei liegen beide Gruppen den Steuerzahlern dick und fett auf der Tasche. Die Lehrer zwangsläufig, die Eisenbahn aus Verschulden primär der SPÖ. Bei den Staatsbahnern hat es jedoch keinerlei Proteste der ÖVP gegeben. Oder aus der (vermutlich hinter dem ganzen Unsinn steckenden) Industrie in ihrem Lehrerhass und ihrer Anti-Bildungspolitik.
Viertens gibt es kein einziges Element im neuen Dienstrecht, das auch nur irgendwie als Verbesserung der Bildung unserer Kinder gesehen werden könnte. Dabei wird genau das von allen als Grund des nunmehrigen Vorstoßes und der großen Zeitnot genannt. Es kann also nur zu einer signifikanten Verschlechterung kommen, wenn jeder Lehrer künftig viel mehr Klassen unterrichten muss.
Fünftens wird der Dienstrechts-Kampf mit Sicherheit auch Unruhe und Streiks in die Schulen bringen. Auch das macht es zu einem weiteren Baustein, der die heimische Bildungsbilanz verschlechtert.
Sechstens hat das neue Dienstrecht in Wahrheit nur eine Funktion, die aber der ÖVP und Spindelegger noch nicht aufgefallen ist: Es bereitet die Zwangsgesamtschule vor, deren Verhinderung der ÖVP-Obmann gleichzeitig den Wählern verspricht. Wenn alle Schulen in ein einheitliches Prokrustesbett gezwungen werden sollen, müssen vorher auch alle Lehrer gleich gemacht werden. Die Vorstufe hat der offenbar doch recht naive Neolateiner Töchterle mit seinem Ja zur einheitlichen Lehrerausbildung gelegt, die alle Lehrer – ab der Volksschule! – zu einer mindestens fünfjährigen Ausbildung zwingt.
Siebentens fällt auf, dass die Neos, eine der neuen Konkurrenzparteien der ÖVP, beim Schulthema genau den gegenteiligen Weg gegangen sind. Anfänglich hieß es dort noch laut „Gesamtschule!“ Inzwischen hat sich das Grüppchen aber zu dem erfreulicheren Ruf „Autonomie der Schulen!“ und für die Vielfalt entschieden. Auch Stronach (sofern in seinem Wirrgerede politische Inhalte erkennbar sind) folgt keineswegs der rotgrünen Gesamtschulideologie. Die Freiheitlichen sind nie dort gewesen. Nur das sterbende BZÖ ist dafür. Das alles könnte eigentlich Spindelegger zu denken geben.
Achtens: Die nunmehrige Eile bei der Lehrerfrage ist natürlich eine Strategie der SPÖ. Diese lenkt dadurch von ihren Versäumnissen bei der Personalplanung in Hinblick auf den demographisch und als Folge der Hacklerregelung bevorstehenden Lehrermangel ab. Statt die SPÖ wegen dieser Versäumnisse propagandistisch vor sich herzutreiben, macht ihr die ÖVP die Mauer. Sie begreift ja nicht einmal, dass die SPÖ die Schwarzen bewusst getimt in Wahlkampfzeiten in das Lehrerdilemma gehetzt hat. Jetzt und so kann das nur der ÖVP schaden, obwohl die SPÖ davor die Dienstrechtsverhandlungen jahrelang völlig desinteressiert geführt hat (meist nur auf Beamtenebene).
Neuntens gäbe es auch trotz Pensionsrechts und Demographie weitgehend genug Lehrer, wenn nicht immer mehr von ihnen als meist störende Zweitlehrer in die Klassen der Neuen Mittelschule gesteckt würden.
Zehntens: Wo sind die Gegenleistungen, die sich die ÖVP für ihre Zustimmung zum Dienstrechtsentwurf eingehandelt hat? Weit und breit sind keine zu sehen. Das heißt: die Schwarzen haben sich auch auf keinem anderen Gebiet etwas herausverhandelt. Sie beherrschen nicht einmal mehr das Einmaleins der Politik, wenn sie schon die Lehrer und Schulen zu opfern bereit ist. Eine professionelle ÖVP hätte sich für diese Zustimmung etwa die Privatisierung von ÖBB & Co sowie eine echte Pensionsreform eingehandelt.
In ein paar Wochen wird die ÖVP wohl selbst wissen, wie viele Mandate ihr diese Akkumulierung politischer Fehler gekostet hat. Sie verärgert jetzt nicht nur die Lehrer zutiefst, sondern auch alle Eltern, die jede Verschlechterung der Schulqualität, jeden Konflikt in der Schule und jeden Schritt Richtung Gesamtschule empört ablehnen. In ein paar Jahren werden auch die Arbeitgeber empört sein, wenn sie erkennen, welchen Qualitätsverlust ihre eigenen "Vertreter" da den Schulen tatsächlich angetan haben.
PS.: Könnten die Lehrer nicht wirklich ein wenig mehr arbeiten? Ja, das könnten sie. Aber es wäre in jeder Hinsicht besser, wenn das durch Verkürzung der Ferien um zwei Wochen passiert. Dann hätten freilich „nur“ die Schüler etwas davon und nicht die zwei SPÖ-Ministerinnen mit ihrem Lehrermangel. Verlängerungen der Wochenarbeitszeit hingegen sind den Lehrern nur dann zumutbar und erklärbar, wenn sie nicht die einzigen sind, sondern wenn alle zu einem Notopfer angesichts der dürren Jahre aufgefordert werden, die uns nach den Verschwendungs- und Schuldenjahren bevorstehen.
PPS.: Wenn die Industrie ihren Druck auf die ÖVP mit den Beamtenkosten begründet, dann darf man schon fragen: Warum gibt dieselbe Industrie bei den von ihr geführten Kollektivvertragsrunden selber immer der Gewerkschaft nach und fährt nie über diese drüber? Und wenn sie schon die ÖVP beeinflussen will, dann wäre doch jeder konsequente Druck in Hinblick auf eine Erhöhung des Frauenpensionsalters viel logischer. Das brächte viel mehr Einsparungen, mehr Arbeitskräfte – und wäre auch mehrheitlich populär.