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Wer hätte gedacht, dass es ausgerechnet Johanna Mikl-Leitner sein wird, die einem wenigstens einen Rest der Hoffnung auf die ÖVP lässt? Michael Spindelegger hingegen wird sich nicht mehr viele Schnitzer – so wie in den letzten Wochen – leisten können.
Der ÖVP-Chef war ja mit dem kantigen Slogan „Entfesselung der Wirtschaft“ in den Wahlkampf gezogen. Das hat zwar angesichts der letzten fünf Jahre Rot-Schwarz erstaunt. Denn die Wirtschaft ist in dieser Zeit durch ständig noch mehr Regulierungen, Auflagen, Umweltvorschriften, Sozialausgaben zunehmend gefesselt und fast nie entfesselt worden.
Aber immerhin, die absolut notwendige Richtung war mit dem Slogan voll angesprochen.
Dann kam in den letzten Tagen sogar unerwartete Hilfe von der SPÖ: Sie legte Spindelegger sogar zweimal den Ball zu einem Elfmeter auf. Den hätte Spindelegger nur noch Richtung Tor schießen müssen, dann wäre sein Entfesselungs-Slogan auch glaubwürdig geworden – aber der Ball ging Richtung Corner-Fahne.
Konkret: Zweimal brach in den letzten Tagen aus dem roten Eck Wahlkampf-Geheul nach steinzeitlicher Darabos-Art wegen zweier Ideen aus, die seit Jahren in zahllosen ÖVP- und Wirtschaftspapieren zu finden waren. Und die natürlich ganz genau die Kernelemente einer nationalen Entfesselung bedeuten würden: raschere Anhebung des Frauenpensionsalters; und langfristige Durchrechnung einer in Summe jedoch gleichbleibenden Gesamtarbeitszeit.
Aber Spindelegger kam durch diese beiden SPÖ-Vorstöße total ins Schleudern. Statt klar zu sagen „Ja genau, das ist es, was getan werden muss, weil sonst der Gewerkschaftssozialismus Österreich wirtschaftlich umbringt“, beginnt er herumzureden. Und am Schluss ist er dann sogar gegen beides. Und lässt sich vom SPÖ-ORF sogar zu der Aussage hinreißen: Ohne Gewerkschaft werde er jedenfalls nichts machen.
Dabei hat er nur zwei Wochen davor gegen den heftigen Widerstand der Beamten-Gewerkschaft (die von eigenen Parteifreunden dominiert wird!) dem SPÖ-Verlangen nach einer längeren Lehrerarbeitszeit zugestimmt. Zumindest gilt das für die Begutachtung eines Gesetzes mit diesem Inhalt.
Du lieber Michael! Wie will der ÖVP-Chef da auch nur einen Millimeter Glaubwürdigkeit oder gar Kanten als Persönlichkeit bekommen, wenn er beim leisesten Gegenwind einknickt, sich bei der ersten Kritik zu winden beginnt?
Dabei sind beides Maßnahmen, die große Popularität haben – wenn sie nur halbwegs begründet werden. Ein höheres Frauenpensionsalter wird auch von immer mehr kritischen Frauen gewünscht (freilich nicht von den lebensfremden Berufspolitikerinnen). Aus klaren Gründen: Sie fühlen sich noch voll arbeitsfreudig. Ein höheres Frauenpensionsalter würde ihnen auch deutlich höhere Pensionen bringen. Es entspricht darüber hinaus der höheren Lebenserwartung von Frauen. Es gibt insbesondere auch jenen Frauen, die – erfreulicherweise – einige Jahre eine Kinderpause eingelegt haben, viel mehr Chance auf berufliche Karrieren. Und gerade in den letzten Berufsjahren steigt die Chance auf Spitzenpositionen.
Auch ein längerer Durchrechnungszeitraum ist bei vielen Arbeitnehmern vor allem in Klein- und Mittelbetrieben etwas sehr Positives. Sie erhalten durch die legale Möglichkeit von 12-Stunden-Tagen im Gegenzug längere Urlaube und/oder Wochenenden. Sie leben emotional mit ihrem Unternehmen und dessen Auftragslage voll mit (was ein Gewerkschafter natürlich nie verstehen wird) und legen gemeinsam Hand an, wenn es unter Zeitdruck einen größeren Auftrag zu erledigen gibt. Überdies sind Zwölfstundentage in vielen Berufen gang und gäbe. Zum Beispiel bei Parlamentssitzungen. Zum Beispiel bei den Spitals-Ärzten, wo es noch viel längere Arbeitszeiträume gibt.
Noch zwei persönliche Beispiele zur Ergänzung: Eine unserer Sekretärin sagte einst in der Redaktion, als am Abend aus aktuellem Anlass eine Krisenbesprechung einiger leitender Redakteure stattfinden musste: „Moment, wartet noch zwei Minuten, weil ich muss noch hinunter gehen ausstechen.“ Sie hatte nämlich schon fast zehn Stunden gearbeitet. Sie bediente die Stechuhr und machte dann Überstunden. Diese blieben zwangsläufig unbezahlt und auch ohne Zeitausgleich, eben nur weil für die Gewerkschaft Stunde 11 und 12 nicht existent sein dürfen.
Zweites Beispiel: Vor wenigen Stunden fuhr ich mit einem Taxi. Der Chauffeur (ein junger Türke) antwortete auf meine Frage, wie lange er arbeite: „Sechs Nächte in der Woche zwölf Stunden.“ Nur müsse er irgendwann in der Nacht auf eineinhalb Stunden unterbrechen, etwa im Auto schlafen, weil er sonst bestraft würde.
Was, wenn nicht all das, meint Spindelegger, wenn er von Entfesselung redet? Rätsel, Rätsel . . .
Der schwarze Trost kommt ausgerechnet in der Person der Innenministerin. Sie scheint seit ihrem Satz „Zaster her!“ erstaunlich viel dazugelernt zu haben. Denn sie hat jetzt – völlig zu Recht – den argen Missbrauch mit der Mindestsicherung vor allem in Wien sehr kritisch getadelt.
Zwar heulten die SPÖ und ihre Vorfeldorganisationen (von der selbsternannten Armutskonferenz bis zur einst katholischen Caritas) empört auf. Aber fast jeder Wiener kennt Beispiele solchen Missbrauchs und gibt der Ministerin recht, wenn sie sagt, eine Mindestsicherung sei nur auf Zeit zu gewähren und solle Menschen nicht vom Sozialstaat abhängig machen; man müsse mit der Mindestsicherung sorgsamer umgehen. Mikl-Leitner verlangte daher viel mehr Begleitung der Empfänger und deren Kontrolle während des Bezugs einer Mindestsicherung.
Ebenso mutig wie richtig. Vielleicht erzählt jemand der Ministerin auch noch von dem, was in immer mehr Schweizer Gemeinden praktiziert wird: Dort wird jeder Bezieher von Sozialhilfe einmal im Jahr unangekündigt kontrolliert. Und die Gemeinden sehen schon sehr positive Ergebnisse der Aktion.
Danke, Frau Mikl-Leitner (Das kann, ja muss man schließlich auch sagen, wenn man sie einst beim Zaster-Sager heftig beschimpft hat).