Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Blamage, nächste Abteilung: Der Westen verstrickt sich rettungslos in der eigenen Rhetorik rund um Syrien. Er gerät daher – wieder einmal – in einen fremden Konflikt hinein, aus dem er nicht ohne schwere Schäden herauskommen wird. Von den Medien getrieben, aber zum Entsetzen der Menschen.
Begonnen hat alles damit, dass Barack Obama in einem Interview von einer roten Linie geschwafelt hat, den ein Giftgasangriff im syrischen Bürgerkrieg darstellen würde. Nur hat er eigentlich keine Ahnung gehabt, was dann, also jenseits der Roten Linie, eigentlich geschehen soll. Bis heute ist mir im Übrigen auch nicht klar, warum ein Giftgastoter eigentlich so viel relevanter sein soll als ein konventioneller Toter. Der eine ist eine rote Linie, der andere wurscht.
Nächste Etappe war dann schon vor Wochen ein erster Gift-Einsatz, der nach tagelangem Zögern letztlich von den Amerikanern als solcher eingestuft worden ist. Also: die „Rote Linie“. Aber nichts ist geschehen.
Und jetzt eben ein zweiter Giftgas-Fall, mit deutlich mehr Opfern. Dennoch sind die Giftopfer nur ein winziger Bruchteil im Vergleich den sonstigen Opfern des Konflikts. Von den Millionen Vertriebenen gar nicht zu reden. Löst das jetzt plötzlich den großen Krieg aus, der manche sogar schon das W-Wort vom drohenden Weltkrieg in den Mund nehmen lässt?
Die allergrößten Fragezeichen sind aber andere. Das ist vor allem die Faktenlage: Was sind die eindeutigen Beweise, dass der jüngste Giftgaseinsatz nicht nur stattgefunden hat, sondern auch vom syrischen Diktator Assad veranlasst worden ist? Wie so oft in der Geschichte könnte die Logik und vor allem die Frage nach dem Nutzen, nach dem „Cui bono?“ bessere Antworten auf diese Frage bieten als die Experten unmittelbar vor Ort. Auch beim Überfall auf den Sender Gleiwitz brachten ja damals solche Analysen validere Antworten als irgendwelche vor Ort zu findende Details. Es gibt in solchen Situationen kein einziges Detail, das dabei nicht fingiert worden sein könnte.
Keinen Hauch der Sympathie für einen Assad. Aber es wäre ein Zeichen einer für ihn völlig untypischen Unintelligenz, wenn er wirklich hinter dem Anschlag stünde: ausgerechnet jetzt, da sich an den Fronten viel zu seinem Gunsten gewandelt hat; ausgerechnet zum Zeitpunkt, da UN-Inspektoren gerade in Syrien waren; ausgerechnet in Damaskus selber.
Da taucht natürlich die Gegenfrage auf: Kann denn die Opposition wirklich so zynisch sein, viele Hunderte Menschen auf der eigenen Seite durch Gift umzubringen, nur um das Assad in die Schuhe zu schieben? Diese Frage kann ich jedenfalls nicht mit einem überzeugten Nein beantworten. Denn die Lage der syrischen Opposition ist total verzweifelt. Die Geschichte hat auch genug Beispiele für solchen Zynismus. Außerdem ist es durchaus denkbar, dass nur ein einziges der zerstrittenen Gruppen und Dienste hinter einem solchen Gifteinsatz stünde, ohne dass es sonst wer weiß.
Aber selbst wenn man nicht diese zweifellos legitimen Zweifel hegt, müsste der Westen aus vielen Gründen von einem militärischen Einsatz zurückschrecken:
Nun kann man noch hoffen, dass trotz aller Kriegsvorbereitungen die Amerikaner doch noch einlenken. Was aber inzwischen eine ordentliche Blamage für Obama bedeuten würde.
Wenn es trotz allem zu militärischen Verwicklungen Amerikas und europäischer Staaten kommen sollte, dann nur aus zwei Gründen: zum einen weil die Türkei das unbedingt will; und zum anderen weil Obama glaubt, nur so sein Gesicht wahren zu können, und weil die Briten noch immer an der Seite der Amerikaner gekämpft haben. Dahinter stehen viele Medien, die derzeit ja auf Obama Druck in Richtung einer Intervention ausüben. Das sind freilich genau dieselben Medien, die dann ein paar Wochen später die selbst herbeigeschriebene Intervention verdammen werden.