Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Der Wahlkampf hat ein neues Thema: Schulpflicht vs. Bildungspflicht. Der Reformvorschlag der ÖVP, eine Bildungspflicht einzuführen, klingt interessant. Er ignoriert aber die wirklichen Probleme in den Schulen. Das tun freilich die sozialistischen Konzepte (Schulpflicht mit Zwangsgesamtschule) noch viel mehr.
Der Auslöser der gegenwärtigen Bildungsdebatte: Immer mehr Arbeitgeber sind entsetzt, dass Möchtegern-Lehrlinge weder ordentlich lesen noch schreiben noch rechnen noch grüßen können. Diese Defizite machen einen jungen Mann, eine junge Frau ziemlich unbrauchbar für fast jede Berufstätigkeit. Einige große Handelsketten haben deswegen im Frühjahr sogar angefangen, mit Fernsehspots um die rar gewordenen brauchbaren Schulabsolventen zu werben. Das heißt: Alle jene, die auch jetzt noch keine Lehrstelle haben, sind hingegen mit hoher Wahrscheinlichkeit unbrauchbar.
Aber auch das Niveau von Uni-Absolventen bestimmter Studienrichtungen liegt unter dem, was sich Arbeitgeber eigentlich schon von einem Maturanten erwarten würden. Die Arbeitgeber rufen daher nach dringendem Handeln. Das ist mehr als verständlich. Da sie aber keine Ahnung von den Problemen in den Schulen haben, erkennen sie die wirklichen Ursachen der Bildungsmisere nicht.
Einige von ihnen (etwa die derzeitige Führung der Industriellenvereinigung) fallen sogar auf Rattenfänger herein, wie etwa auf die Gesamtschulpropagandisten rund um Hannes Androsch. Sie begreifen in ihrer Ahnungslosigkeit nicht, dass deren Projekt das Niveau der Schulabgänger noch dramatisch weiter verschlechtern würde.
Das sieht man im Grund schon jetzt bei der Neuen Mittelschule, obwohl brutale und eigentlich menschenrechtswidrige Maulkorberlässe die dortigen Lehrer zum Schweigen zu zwingen versuchen: Unter dem Schutz der Anonymität berichten aber dennoch erzürnte Lehrer, dass von ihnen verlangt wird, auch bei nur 30 Prozent erbrachter Leistung noch ein Genügend zu geben (während früher bei 50 Prozent die Grenze war)!
Einige etwas klügere Bildungskritiker setzen nun auf einen Wechsel von der Schulpflicht auf die Bildungspflicht. Das heißt im Klartext: Jugendliche sollen so lange die Schulbank drücken, bis sie das Lesen, Schreiben, Rechnen und ein paar simple Sozialtugenden halbwegs beherrschen. Das klingt vernünftig. Ist es aber nicht. Denn vernünftiger zu sein als die rotgrünen Gesamtschulphantasien ist noch lange nicht ausreichend für eine funktionierende Antwort auf die Bildungsmisere.
Die Bildungspflicht-Idee bietet bisher keinerlei Antwort auf zentrale Fragen: Was macht man mit jenen pubertären und postpubertären Typen, die gar keine Intention (mehr) haben, auch nur irgendetwas zu lernen? Was tut man, wenn für manche Jugendliche und deren Familie die Schule ein weit angenehmerer Aufenthaltsort ist als ein Arbeitsplatz, also gewissermaßen eine staatlich bezahlte Wärmestube? Wissen die Bildungspflicht-Proponenten nicht, dass mit 15 Jahren bei 98 Prozent aller Jugendlichen keine Weichenstellung hin zum bisher ignorierten Lernen mehr erfolgreich ist?
Natürlich haben auf all diese kritischen Fragen auch die Verfechter der Schulpflicht und erst recht die der Gesamtschule keine Antwort. Das – zweifellos richtig diagnostizierte – Problem mit der mangelnden Qualität der Schulabgänger hat nämlich ganz andere Ursachen. Nicht gegen jede gibt es eine Therapie. Dennoch sollte man zumindest die wichtigsten ehrlich auflisten und nicht aus politischer Korrektheit verschweigen.
Ich wette jede Summe, dass durch die Summe solcher Maßnahmen das Bildungsniveau viel eher verbessert würde, als durch eine noch so lange Bildungspflicht, solange diese mit der bisherigen Leistungsfeindlichkeit verbunden bleibt.
Abgesehen von der neuen Bildungspflicht-Idee hat sich die Bildungsdebatte aber seit Monaten absurderweise an der Frage der Lehrergehälter und der Arbeitszeit-Kontroverse festgebissen. Dabei kann keiner der dabei umstrittenen Punkte die Schulqualität verbessern. Höchstens eine Verschlechterung ist möglich.
Überdies sollte eines klar sein: Mehr Arbeit fürs gleiche (oder nach recht glaubwürdig klingenden Berechnungen: für weniger!) Geld – das wird sich mit Sicherheit keine Gewerkschaft ohne Kampfmaßnahmen gefallen lassen. Selbst wenn die zuständigen Ministerinnen in ihren Interviews noch so schrill werden. Darüber einen Konsens zu erringen, kann der Regierung schon gar nicht gelingen, seit soeben die Wochenarbeitszeit der ÖBB deutlich reduziert worden ist.
In Wahrheit hofft diese Regierung natürlich insgeheim, durch längere Lehrerarbeitszeiten den trotz geringerer Kinderzahlen bevorstehenden krassen Lehrermangel beheben zu können. Diesen Mangel hat sie aber selbst verschuldet: durch das Fehlen rechtzeitiger Planung und durch sinnlose und teure Vergeudungen von Lehrerkapazitäten. Insbesondere schädlich in Hinblick auf Personalressourcen und Budget war:
- die Einführung der Wahlpflichtfächer in den AHS-Oberstufen (wo oft nur ein halbes Dutzend Kinder von jeweils einem Lehrer betreut wird);
- die Entsendung eines Zweitlehrers in jede Klasse der „Neuen Mittelschule“;
- die Verwendung von staatlich bezahlten Lehrern in einer aufgeblähten Bürokratie und bei parteinahen Vereinen;
- und künftig auch die maßlose Verlängerung der Studienzeiten für alle Lehrer.