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Alpbach, Davos und der kleine Unterschied

Alpbach ist ein wunderschönes Dorf. Aber es hat ein kleines Problem. Denn sein „Forum“ ist nicht mehr so schön, wie man es in Tirol und in dem Dorf gerne zu verkaufen versucht. Es ist eine ziemlich provinzielle Veranstaltung geworden und zeigt letztlich den geistig ausgedünnten Zustand der Republik und das Fehlen spannender intellektueller Kontroversen.

Schon die Leitung des Forums durch pensionierte Politiker und Diplomaten macht klar: Das ist eine Nostalgie- und keine Zukunftsveranstaltung.

Alpbach leidet aber dennoch nicht an Minderwertigkeitskomplexen: Da behauptete doch Franz Fischler, der gegenwärtige Chef von Alpbach, in einem Interview allen Ernstes, dass Alpbach höhere Ansprüche an akademische Diskussionen stellt als das Weltwirtschaftsforum in Davos.

Mit solcher atemberaubender Überheblichkeit macht sich Fischler aber nur noch lächerlich. Der Fußballverein LASK sollte sich ja auch nicht mit Bayern-München vergleichen. Die Debatten und Hintergründe jeder einzelnen Davos-Veranstaltung übertreffen Alpbach jedenfalls bei weitem, an intellektueller wie personeller Qualität.

Alleine die Zahl internationale Staats- und Regierungschefs oder Minister, die nach Davos kommen, ist weit mehr als zehn Mal so groß wie in Alpbach. Und auch in Österreich gibt es schon eine Reihe von Veranstaltungen wie den Wiener com.sult oder die Free-Market-Road-Show, die mindestens ein ähnliches Niveau wie Alpbach bieten. Ohne die zeitraubende Anreise in ein idyllisches Nebental.

In einem Punkt scheinen sich Alpbach wie Davos ähnlich. Da wie dort wird für die Teilnahme gezahlt. Das ist freilich nur eine oberflächliche Ähnlichkeit.

Denn in Davos zahlen große Firmen gewaltige Summen, damit ihr Boss überhaupt bei den Großen und Wichtigen dieser Welt dabei sein darf. In Davos ist es eine Ehre, überhaupt zahlen zu dürfen. Kommen doch unbedeutende Menschen dort nicht einmal in die letzte Sitzreihe des Weltwirtschaftsforums hinein, und schon gar nicht als Redner. Nicht einmal wenn sie noch so viel Geld hinlegen.

In Alpbach hingegen kommt jeder hinein, der zahlt. Der Anteil der Zahlenden wird dennoch immer geringer. Denn die meisten Zuhörer sind heute aus Steuermitteln subventionierte Studenten aus Osteuropa. Und diese bekommen dann meist Redner zu hören, die selbst gezahlt haben, um auftreten zu können. Deren Auftritte bestehen aber oft nur in einem Platz in einem vielköpfigen Panel, das in einem Klassenzimmer der örtlichen Hauptschule vor einer meist schütteren Zuhörerschaft sitzt. Die Redner fragen sich dann immer öfter kritisch, ob sich angesichts der Kosten der Auftritt für ihre Firma, ihren Verein zumindest irgendwie ausgezahlt hat.

Ein noch größerer Unterschied zwischen den beiden Alpendörfern liegt in der Zeitdauer der Begegnung: Alpbach wird über Wochen gestreckt – um die Auslastung der Hotelzimmer in den Dörfern der Umgebung zu strecken. In Davos spielt sich alles hingegen binnen drei Tagen ab. Dort weiß man, dass Topleute halt nur knapp Zeit haben, dass sie nicht zwei Tage warten oder auf einen Berg fahren wollen, bis wieder einmal etwas Interessantes passiert.

In Davos hingegen wird eine unglaubliche Programmdichte in diese knappen Tage gepumpt. Dort werden den globalen Topentscheidungsträgern schon um sieben Uhr früh mehr als ein halbes Dutzend Frühstückstermine mit spannenden Referenten und völlig unterschiedlichen Themen zur Auswahl angeboten. Danach geht es in einem unglaublich dichten Reigen von Veranstaltungen, unter denen einem die Auswahl alle zwei Stunden extrem schwer fällt, dann bis 22 Uhr, wenn die letzten „Nachteulen“-Runden beginnen.

Wer diese Tage von Davos rund um die Uhr konsumiert, der hat an politischem, ökonomischem, gesellschaftlichem Wissen mehr getankt, als er in einem halben Jahr sonstwo zusammensuchen kann. Von den vertraulichen Gesprächen am Rande ganz zu schweigen, von denen Außenstehende freilich nur hier und da ein Zipfelchen erfahren.

Das Weltwirtschaftsforum versammelt jedenfalls durch diese Struktur eine so hochgradige Mischung an europäischen und globalen Spitzenentscheidern in der Schweiz, dass man nur staunen kann.

Und noch einen gravierenden Unterschied gibt es (auch wenn man ihn dank der Geheimniskrämerei an beiden Orten nicht exakt mit Zahlen unterlegen kann): Davos ist ein kommerzielles Unterfangen mit großem ökonomischem Erfolg. Alpbach hingegen wäre ohne die vielen Subventionen des österreichischen Steuerzahlers sofort tot.

Diese fließen auf vielen Kanälen und kommen aus mehreren Bundesländern und Ministerien. Warum diese angesichts ihrer Geldnot freilich noch immer für Alpbach zahlen, bleibt hingegen eher rätselhaft. Daher sollte man sich in Alpbach auch nicht allzusehr auf die vielleicht eines Tages doch noch kommende Transparenzdatenbank freuen.

Das Schweizer Management-Team reist hingegen das ganze Jahr rund um die Welt, um wirklich die besten Leute nach Davos zu holen. Über derartige professionelle Klinkenputzerei fühlt sich Alpbach hingegen erhaben. Vor allem für Fischler-Vorgänger Busek war Alpbach halt nur einer von vielen eher lustlos ausgeübten Nebenjobs. Und die davor amtierenden Diplomaten haben nicht einmal begriffen, dass man bei Topreferenten auch wirklich antichambrieren muss.

Lächerlich macht sich Alpbach übrigens auch mit seinen inhaltlichen Schwerpunkten: Es versucht verzweifelt, den längst von der Wirklichkeit überrollten Ökosozialismus am Leben zu erhalten und diesen mit einschlägigen Rednern aus dem linken Lager zu unterfüttern. Liberales Denken hingegen, mit dem die Familie Molden einst Alpbach zum Denkzentrum über das Nachkriegsösterreich hinaus gemacht hat, ist in der Alpbacher Koalition (zwischen Vertretern des linksintellektuellen SPÖ-Flügels und des ökosozialen ÖVP-Flügels) in hohem Ausmaß unerwünscht. Und Oppositionelles kommt dort schon gar nicht zum Zug.

Aber im Grunde hat Fischler in seinem großspurigen „Presse“-Interview selbst unbeabsichtigt das Elend Alpbachs offengelegt: „Eines unserer größten Anliegen ist es, Alpbach spannender zu machen.“ So einen ähnlichen Satz würde hingegen niemand formulieren, der Davos kennt.

Dafür ist Alpbach viel schöner. Ehrlich. Und die Menschen sind dort auch viel netter. Wirklich. In diesen Dingen schlagen wir ja die Schweizer. Bei allem anderen nicht.

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