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Woher sollen die Abgeordneten die wirkliche Welt kennen?

Die meisten Mitglieder des österreichischen Parlaments haben neben ihren Politikerbezügen kein oder fast kein Einkommen. In Zahlen: 108 der 181 Mandatare verdienen maximal 1000 Euro neben ihrem Politiker-Bezug; 77 davon verdienen gar nichts dazu. Das mag die Neidgesellschaft befriedigen, die ja Politiker nur als Spucknapf oder in Sack und Asche gehüllt sehen möchte und die jeden Euro für Politikerbezüge als Verschwendung ansieht. Das ist in Wahrheit aber sehr schlecht.

Denn jemand mit einer solchen Einkommensstruktur ist total abhängig von der Politik, also konkret: von der Partei. Noch schlimmer ist: Solche Volksvertreter haben naturgemäß keine Ahnung davon, wie sehr der Mittelstand von der immer höher werdenden Abgabenlast gefoltert wird. Es sind jedoch letztlich immer diese Abgeordneten, die die gesamte Last beschließen und verantworten. Dazu kommt ja insbesondere in Wien ein noch viel steiler steigender Gebührendruck, mit dessen Erträgen die Genossen ihre Lieblingszeitungen vom Boulevard bis zum „Falter“ mit Inseraten finanzieren können.

Solche Abgeordnete werden dann auch leicht Opfer all der vielen Lobbies, NGOs und Interessenvertretungen, die ständig für irgendeinen edel klingenden Zweck weiteres Geld von der öffentlichen Hand fordern. Wer das Leben nicht wirklich kennt, der glaubt halt all diesen Scharlatanen und ihren medialen Verbündeten viel zu leicht, nur weil sie an ein paar Tagen die Schlagzeilen prägen.

Es ist höchste Zeit, sich auch in diesem Punkt die Schweiz als Vorbild zu nehmen. Dort herrscht auf allen Ebenen das Prinzip eines Milizparlaments. Das heißt so wie bei Milizsoldaten: Die Volksvertretung ist nur ein Nebenberuf, und naturgemäß auch als solcher bezahlt.

Dort hat fast jeder einen Hauptberuf, in den er jederzeit zurückgehen kann. Als Folge des gesunden Menschenverstands solcher Volksvertreter (und natürlich auch als Folge der direkten Demokratie) haben die Schweizer viel niedrigere Steuern und Abgaben. Denn Politiker fühlen sich bei den Eidgenossen vor allem als Steuerzahler und nicht als Almosen verteilende Großfürsten.

Zurück zu den österreichischen Zahlen: Sie sind wohl noch viel schlimmer. Denn zum einen gibt es ein paar neue Abgeordnete, deren Einkommenssituation noch gar nicht statistisch erfasst ist. Und zum zweiten beziehen auch viele Abgeordnete mit einem nichtparlamentarischen Einkommen dieses wiederum aus politischen Quellen. Was erst recht keine persönliche und damit geistige Unabhängigkeit und keine Empathie mit Normalmenschen herstellt.

Überdies: Viele von jener Minderheit, die relativ unbesorgt ihre Mandate aufgeben könnte, sind erst recht wieder durch öffentlich-rechtliche Strukturen abgesichert: als Kammerangestellte, als Beamte oder Verwaltungsbedienstete, als Angestellte von Vorfeldorganisationen. Die wirklich den Wohlstand erarbeitenden Menschen sind auch in dieser Minderheit kaum vertreten. Kein Zufall: Soeben verlässt gerade der letzte Industrielle das Parlament. Dabei haben wir in den letzten Jahren wieder lernen müssen: ohne Industrie kein Wohlstand.

Freilich sind auch wir als Wähler am Zustand des Parlaments schuld: Gerade die Österreicher wählen am liebsten jene, die ständig bei Feuerwehrfesten und Kindergarteneröffnungen „Präsenz“ zeigen. Intellektuelle Fähigkeiten und berufliche Erfolge sind für eine Kandidatur viel weniger relevant als jahrelange Präsenz bei Parteisitzungen aller Art.

Ein Milizparlament würde auch noch etwas ganz anderes abbilden: Egal, welches Wahlrecht wir haben – gewählt werden am Wahltag immer die Parteichefs und die Parteien, fast nie die Person des regionalen Abgeordneten. Das wäre auch bei ein Einerwahlkreisen kaum anders. Denn etwa auch in Großbritannien mit solchen Wahlkreisen ist für die Wiederwahl eines Abgeordneten die Performance der Regierung und vor allem des Premiers viel wichtiger als die eigene des lokalen Kandidaten. Auch die meisten Gesetzestexte werden bis zum letzten Komma in den Ministerien ausgearbeitet und nicht im Parlament. Das alles macht daher ein Milizparlament fast zwingend.

Wenn sich aber die Gesetzgeber dennoch nicht für ein echtes Milizparlament mit einem geringen politischen und einem verpflichtenden privaten Eigentum entscheiden wollen, dann müssten sie sich konsequent für ein Arbeitsparlament entscheiden. Das hieße: Parlamentarisches Arbeiten rund um die Uhr bis hin zum genauen Ausfeilen der Gesetzestexte. Dafür sollte es aber dann viel weniger Abgeordnete geben.

Beide Alternativen wären schlauer als der gegenwärtige – seit Bruno Kreisky noch deutlich verschlimmerte – Zustand. Dieser Zustand hat auch Mitschuld an der großen Plage durch viel zu viele und oft schlampig formulierte Gesetze. Diese sind aber die logische Folge, wenn die Gesetzesmacher weder Fisch noch Fleisch, sondern abhängige Parteisoldaten sind. 

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