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Wenn ein Menschenrechtsgericht die Rechte der Menschen verhöhnt

Der russische Dissident Michail Chodorkowski ist nicht aus politischen Gründen eingesperrt worden. So hat nun der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte geurteilt. Das mag glauben, wer will. Ich kann es beim besten Willen nicht. Und stoße beim näheren Nachforschen neben diesem Fall gleich auf eine Fülle katastrophaler Entwicklungen, die dieser EGMR verschuldet hat.

Vorerst zu Chodorkowsi. Um auch nur irgendwie an den nichtpolitischen Charakter seiner Konfinierung im Gulag glauben zu können, sind in den acht(!) Jahren seit seiner Verurteilung schon viel zu viele ähnliche Urteile im Lande des Wladimir Putin gefällt worden. Jeder, der dem Machthaber politisch gefährlich werden könnte, wurde unter fadenscheinigsten Vorwänden verurteilt, musste ins Ausland fliehen oder fand plötzlich den Tod.

Praktisch alle Medien, die einst in Russland unabhängig und kritisch berichtet haben, wurden inzwischen „umgedreht“. Etliche Journalisten haben ihre Recherchen über Korruptionsaffären der Mächtigen in Politik, Geheimdienst und Armee nicht überlebt. Das ist noch ärger als die üble Lage in der Türkei, welche heute in Europa die weitaus höchste Zahl an Journalisten aufweist, die wegen ihrer Berichterstattung eingesperrt worden sind.

In Russland wie in der Türkei geht man gegen mutige Journalisten nicht nur direkt vor: Wenn das nichts fruchtet, dann wird dem Zeitungseigentümer klargemacht, dass es für seine sonstigen Geschäfte gar nicht gut sei, wenn seine Medien solcherart berichten. Das hat bei den allermeisten Verlegern rasch gewirkt. Oder gleich zu einem Verkauf der ganzen Zeitung geführt.

Im Fall Chodorkowski hat der Straßburger Gerichtshof Russland im einzig relevanten Punkt also freigesprochen. Dafür hat er das Land gleichzeitig wegen eines marginalen Verfahrensfehlers zu 10.000 Euro Strafe verurteilt. Das kann nur noch als zusätzlicher Hohn für die Dissidenten angesehen werden. Und als missglückter Versuch des Gerichtshofs, von der Peinlichkeit des eigenen Verhaltens abzulenken. Unterschwellig wird damit jedoch in Wahrheit besonders Mieses signalisiert: Dem Juden Chodorkowski würde es ja ohnedies nur aufs Geld ankommen. Tiefer gehts nimmer.

Ähnlich wie im Fall Chodorkowski hatte der Gerichtshof auch ein paar Monate davor die Causa Timoschenko behandelt. Die ehemalige Ministerpräsidentin der Ukraine ist ebenfalls aus eindeutig politischen Gründen inhaftiert. Aber auch hier hat der EGMR in seinem Urteil nur herumgeredet und nicht klar gesagt, dass Timoschenko freizulassen ist. Weshalb die Ukraine die Frau – für die sich vor allem Deutschland tapfer eingesetzt hat – ungeniert weiter hinter Gittern hält.

Die Vielzahl solcher EGMR-Urteile ist alles andere als ein Zufall. Sie ist vielmehr direkte Folge der Erweiterung des Europarates (der die Basis des EGMR bildet, während die EU trotz vielfacher Verwechslung mit beiden nichts zu tun hat) und des Gerichtshofs bis nach Mittelasien. Es ist im Gegensatz zu den damaligen Illusionen in keiner Weise gelungen, die vielen neuen Mitglieder des Europarats und des EGMR auf das menschrechtliche Niveau Westeuropas zu heben. Statt dessen trat das Gegenteil ein: Diese Länder haben den Westen ein erstaunliches Stück auf ihr eigenes Niveau hinuntergezogen.

Damit müsste nun eigentlich in den wirklichen Rechtsstaaten eine Diskussion beginnen, ob eine Mitgliedschaft in solchen Gremien überhaupt noch einen Sinn hat. Was für grundrechtliche Standards sollen sich Deutschland, Großbritannien, die Schweiz oder Österreich denn von einem solchen EGMR noch erwarten?

Gewiss: Es darf nicht vergessen werden, dass dieser supranationale Gerichtshof in der Vergangenheit durchaus Verdienste errungen hat. So hat er damals den einstigen obrigkeitsstaatlichen Durchgriff in Österreich beendet, der Politiker gegen Kritiker geradezu immunisiert hatte. So hat sich etwa Bruno Kreisky in Straßburg eine blutige Nase geholt, als er gegen kritische Journalisten vorgehen wollte.

Auch die einstige Kritik des EGMR an einer langen Verfahrensdauer in einzelnen Staaten war verdienstvoll. Nur wird diese Kritik heute von ihm selbst ad absurdum geführt. Denn beim EGMR dauern seit einiger Zeit Verfahren oft fünf oder im Fall Chodorkowski sogar acht Jahre. Dagegen ist selbst die Wiener Staatsanwaltschaft ein Weltmeister an Schnelligkeit.

Vor allem die Zusammensetzung seiner eigenen Richterbank macht heute den EGMR zur Groteske. Wie sollen solche Richter den Standard von Rechtsstaat und Menschenrechten bewahren oder gar ausbauen können? Wer kann sich von „Richtern“ aus folgenden Staaten etwas Positives zu erwarten: Aserbaidschan, Georgien, Rumänien, Kroatien, Albanien, Mazedonien, Montenegro, Türkei oder Moldawien?

In jedem einzelnen dieser Länder bewegen sich nicht nur die rechtsstaatlichen Standards auf einem sehr niedrigen Niveau. In fast allen diesen Ländern sind überdies auch Menschen aus ganz offensichtlich politischen Gründen in Haft – oder es wird Korruption nur sehr einseitig verfolgt. Das macht es ziemlich logisch, dass „Richter“ aus solchen Ländern – freundlich formuliert – extreme Zurückhaltung üben, wenn einem anderen Land der politische Missbrauch der Justiz vorgeworfen wird.

Noch unfassbarer ist: Sämtliche Richterbesetzungen im EGMR sind rein politische Ernennungen durch die einzelnen Regierungen. Da gibt es keinerlei unabhängige Bewertung oder Prüfung der Qualifikation. Viele der Richter sind daher glatte Politruks und Protektionskinder der Machthaber (übrigens weist auch die aus Österreich entsandte Juristin keinerlei richterliche Qualifikationen auf).

Diese Menschen amtieren aber in Straßburg als über allen Gerichtshöfen Europas stehende Superinstanz. Sie haben die Macht, uns mit rechtlicher Wirkung zu bleehren, wie bei uns Menschenrechte und Gerechtigkeit ausschauen sollen. Einfach absurd.

Dieser Gerichtshof fällt aber nicht nur in politischen Prozessen völlig unakzeptable Urteile. Er vertritt auch immer mehr die Interessen jener Menschen, die nach Westeuropa emigriert sind. Und die der Herkunftsländer. Diese sind natürlich in keiner Weise daran interessiert, dass ihnen etwa Österreich kriminelle Typen zurückschickt. Bei Migrationsthemen haben es die dubiosen Ostrichter doppelt leicht, eine Mehrheit auf der Richterbank zu finden, weil unter den westlichen Richtern etliche Gutmenschen zu finden sind, die prinzipiell emotional auf der Seite von Verbrechern stehen. Und die daher mit den Ostrichtern stimmen.

Der Linzer Universitätsprofessor Andreas Hauer hat jedenfalls eine Reihe von EGMR-Urteilen zusammengetragen, die einen einfach fassungslos machen. So hat der EGMR jeweils judiziert, dass Österreich folgende ausländische Straftäter nicht hinauswerfen hätte dürfen:

  • einen bosnischer Gewohnheits-Einbrecher, der mehrere Personen mit einem Elektroschocker attackiert hat;
  • einen Türken, dem unter anderem angelastet worden ist: Ladendiebstahl, Diebstahl, Fahren ohne Führerschein, Missachtung eines Rotlichts mit einer Geschwindigkeit von 170 km/h (Begründung: Österreich hätte klären müssen, ob ihm ein Leben in der Türkei überhaupt zumutbar ist!);
  • einen Bulgaren, dem gewerbsmäßiger Einbruchsdiebstahl, Erpressung, Bandenbildung und Körperverletzung vorgeworfen worden ist.

Auch Frankreich, Dänemark und die Schweiz sind mit ähnlich absonderlichen Urteilen aus Straßburg konfrontiert worden, in denen die Abschiebung folgender Herrschaften abgelehnt worden ist:

  • ein Dieb, dem auch kollektive Notzucht angelastet worden war;
  • ein bandenmäßiger Drogendealer;
  • ein Heroindealer (weil es von seiner Frau nicht erwartet werden konnte, dass sie ihrem Mann in den Iran folgt);
  • ein Räuber, der auch noch illegalen Waffenbesitz, Körperverletzung und Sachbeschädigung auf dem Kerbholz hatte (ebenfalls aus Rücksicht auf die Frau).

Das Ergebnis dieser EGMR-Urteile: Zahllose ausländische Drogendealer, Einbrecher und Räuber können nun nicht mehr abgeschoben werden, sondern bleiben in den westeuropäischen Zielstaaten mit deren wohlausgebauten Sozialsystemen. Damit verletzt aber in Wahrheit der EGMR ganz eindeutig das Menschenrecht der Opfer auf Schutz vor Verbrechen und Verbrechern.

Das aber ist dem EGMR offenbar egal. Damit liegt er übrigens auf einer Linie mit einigen linken Juristen und Medien. Diese haben sich ja in den letzten Wochen maßlos über die Zustände in österreichischen Gefängnissen alteriert, sich aber keine Sekunde lang für die einstigen Opfer der Häftlinge interessiert. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.

Zurück zum EGMR: Nüchterne Beobachtung kann nur zu einem Schluss kommen: So wichtig der Menschenrechtsgerichtshof in den ersten Nachkriegsjahrzehnten auch war, als er echten Rechtsstaaten und Demokratien zur Verbesserung der Menschenrechtsstandards geholfen hat, und als in Straßburg nur qualifizierte Richter aus solchen Ländern amtiert haben, so unsinnig, ja schädlich ist sein Wirken heute.

Längst sollte daher der Austritt aus Europarat und diesem EGMR auf der Tagesordnung Österreichs und anderer Demokratien stehen. Diese Mitgliedschaft schadet heute den Menschenrechten mehr, als ihnen zu nützen. Und das geht weit über Timoschenko und Chodorkowski hinaus.

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