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Die EU, Syrien, Österreich und der einzige Ausweg aus dem Blutbad

Österreichs Golan-Abzug ist eine totale Katastrophe. Der von den Herrn Faymann und Darabos hinter den Kulissen (in Abwesenheit von Bundespräsident, Außenminister, Verteidigungsminister und Generalstabschef!) blitzschnell über die alten Seilschaften von Darabos durchgezogene Syrien-Abzug hat dem Bundesheer nach der Hoch-Phase durch Referendum und Hochwasser-Hilfe wieder schwere Depressionen und Imageverluste verpasst. Er hat Österreich auch außenpolitisch bis auf die Knochen blamiert. Er zeigt aber auch noch etwas anderes, bisher Verdrängtes: Dass die gemeinsame EU-Außenpolitik endgültig als Farce geplatzt ist. Und dass der gesamte Westen einschließlich der USA nicht wirklich weiß, wie die beste Lösung für Syrien aussehen würde. Denn diese hat man bisher total verdrängt, weil sie zuviele Tabus knacken würde.

So ist auch die Hochstapelei der EU jämmerlich enttarnt. Diese hat ja jahrelang behauptet, eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik zu haben. In Wahrheit aber ist da absolut nichts gemeinsam, wie sich in diesen Tagen besonders dramatisch bestätigt. Im Balkankrieg, bei der Anerkennung des Kosovo, bei der Libyen-Intervention oder eben jetzt in Sachen Syrien. Die Linie der EU ist immer dieselbe: die einer völligen Uneinigkeit. Und beim jüngsten Gipfel hat man das Thema Syrien da facto voll ignoriert.

Die Interventionswilligen und die Unwilligen können sich in der EU auf absolut nichts einigen. Nicht einmal in läppischen Dingen wie dem Umgang mit Mazedonien gibt es seit Jahrzehnten irgendeine Einigkeit. Und selbst der vielgefeierte einzige Erfolg der Gemeinsamen EU-Außenpolitik, nämlich die Vermittlung in der Nordkosovo-Frage, verwandelt sich schrittweise gerade wieder in einen Nichterfolg. Er wird nämlich vor Ort weitgehend ignoriert.

Das heißt aber: Diese GASP funktioniert nicht. Sie gibt es gar nicht. Sie verbraucht nur viel Steuergeld für die Stäbe und die Tausenden Diplomaten, welche die EU dafür rekrutiert hat. Die Außenministerin der EU ist mir zuletzt vor Wochen als Zuschauerin bei einem Fußballspiel aufgefallen.

Noch viel schlimmer ist: Durch das Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit wird die EU nach innen wie außen zwangsläufig zum Objekt zynischer Verachtung. Großmächte wie China oder die USA ignorieren sie geradezu demonstrativ. Sie kennen nur Deutschland, Großbritannien, Frankreich.

Die Verachtung hat sich Europa eingehandelt, weil es unter Führung einiger Europa-Euphoriker von Anfang an nicht das Richtige zu sagen gewagt hat: Wir sind ein Binnenmarkt, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Das wäre ehrlich und nüchtern gewesen. Und das hätte die ringsum aufblühende antieuropäische Stimmung weitgehend verhindert. Deren Entstehen ist aber nun nach der Entlarvung der großspurigen Ankündigungen unvermeidlich geworden.

Was aber wäre die richtige Politik gegenüber dem Bürgerkrieg? Keinesfalls wäre das die Lieferung von Waffen. Insofern liegen Österreich und jene Staaten absolut richtig, die Waffenlieferungen strikt abgelehnt haben.

Waffenlieferungen wären wegen der Lage in Syrien selbst ein schwerer Fehler und nicht etwa wegen des Begriffs Neutralität, mit dem Österreich eine Zeitlang wieder herumzuspielen versucht hat, um ihn auf die Ebene der EU zu hieven. Die österreichische Kronenzeitungs-Neutralität ist für einen 500-Millionen-Block als Konzept grotesk. Der muss zwar keineswegs militärisch Partei ergreifen. Der müsste aber klar und mit einer starken Stimme sprechen und handeln, wenn er vorgibt, eine Außen- und Sicherheitspolitik zu haben. Und dann hätte es auch Gewicht, wenn er Waffenlieferungen ablehnt.

Man muss sich in Sachen Syrien im Klaren sein: Bei keinem einzigen Gewehr, das an die syrische Opposition geliefert wird, kann man eine auch nur annähernde Sicherheit haben, dass es nicht in die falschen Hände gerät. Falsch wären vor allem die sunnitischen Fundamentalisten, die schon in mehreren „befreiten“ Gebieten ihr totalitäres Unwesen treiben, die die Scharia einführen und nach dem unerquicklichen, aber religionspolitisch neutralen Assad ein noch viel schlimmeres Regime führen würden.

Kein europäischer Geheimdienst hat einen präzisen Überblick über die Hunderten Milizen, die gegen Assad und zunehmend auch gegeneinander kämpfen, über deren Verquickungen und Machtstrukturen. Jede Waffe kann daher ganz leicht bei den Falschen landen.

Zugleich wird auch von wichtigen Teilen der syrischen Bevölkerung selbst keineswegs ein Sieg der Aufständischen erwünscht. Vor allem Alewiten, aber auch Christen wissen, dass es ihnen dann gar nicht gut gehen wird. Denn dann wird der sunnitische Fundamentalismus das Sagen haben.

Auf der anderen Seite steht ein Assad, der mit den schiitischen Mullahs in Iran und mit der schiitischen Hisbollah-Miliz im Libanon eng verbündet ist. Das aber sind zweifellos die zwei übelsten Kriegshetzer des Nahen Ostens.

Mit anderen Worten: Fast keine der streng nach religiösen Linien aufgeteilten Kriegsparteien ist ein wünschenswerter Sieger. Daher sollte kluge Politik auch den Kriegsverlauf nicht noch durch zusätzliche Waffenlieferungen unterheizen. Und schon gar nicht Partei ergreifen. Letztlich wird die Welt mit jedem denkbaren Ausgang des Kriegs leben müssen. Ob sie will oder nicht.

London und Paris glauben, durch Waffen für die kleinen liberal und demokratisch wirkenden Oppositionsgruppen die Dinge in ein besseres Fahrwasser leiten können. Nach allem, was man dazu weiß, scheint eine solche Strategie mehr als naiv. Daran ändert es nichts, dass wieder einmal linke Journalisten so wie im Fall Ägypten oder Libyen Druck zu Gunsten der Aufständischen zu machen versuchen. Und ignorieren, was das in Wahrheit bedeutet.

Wie wäre überhaupt das Blutbad halbwegs erträglich zu beenden? Die Geschichte des Libanon deutet darauf hin, dass der Syrien-Krieg – übrigens auch mit sehr ähnlichen Parteien wie im Libanon – noch viele furchtbare Jahre dauern kann. Ein friedliches Zusammenleben der religiösen und ethnischen Gruppen scheint auf Grund des alten und jetzt dramatisch vervielfachten Hasses gar nicht mehr möglich. Wenn eine der beiden Seiten siegen sollte, dann ist es nämlich geradezu sicher, dass es nachher den Unterlegenen ganz schlecht gehen wird. Daher kämpfen ja beide Seiten mit so großer Erbitterung.

Am positivsten wäre es wohl, wenn es zu einer Teilung des Landes käme. Auf der einen Seite die Sunniten, auf der anderen Alewiten und Christen. Gewiss: Solche Lösungsmodelle sind in Politik und Diplomatie nicht populär. Sie verletzten viele Tabus der Diplomatie. Aber sie würden das Leiden und Sterben doch deutlich reduzieren und verkürzen. Und nach einer echten Teilung kann man ja leichter wieder zu guter Nachbarschaft finden als im Fall einer Unterjochung. Siehe Tschechien-Slowakei, siehe Kroatien-Serbien.

Mir ist schon klar, welche Folgen und Präzedenzwirkungen eine Teilung Syriens hätte. Aber die sind harmlos gegen weitere Hunderttausende Tote und Verletzte und gegen Millionen verzweifelte Vertriebene.

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