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Wasser, weiße Nächte, Symmetriebesuche und Doris – wie hieß sie schnell?

Irgendwie hat man ja nur darauf gewartet. Aber es hat dann doch einige Tage gedauert: nämlich bis ein Linkspolitiker Schwarz-Blau die Schuld an der Hochwasserkatastrophe gegeben hat. Schließlich war es die Verkehrsministerin – wie heißt die Dame nur schnell? –, die sich solcherart selbst wieder in Erinnerung bringen konnte, nachdem sie eigentlich niemand vermisst hatte.

Aber natürlich stimmen wir mit der Dame in Blond überein: Es ist ein absoluter Skandal und eine üble neofaschistische Verschwörung gegen die Arbeiterklasse, dass Schwarz-Blau nicht sämtliche Eisenbahnen und Häuser mit fünf Meter hohen Mauern gegen jedes künftige Hochwasser geschützt hat. So wie es die Deutschen und Tschechen ja offensichtlich tun konnten, wo das Hochwasser keinerlei Schäden angerichtet hat. Oder?

Aber lassen wir die Dame. Sie ist nicht wirklich allzu lange Befassung wert.

Amüsieren wir uns lieber – bei aller Betroffenheit ob der riesigen Wassermassen – über jene Zeitungskommentare, die schon wieder einmal auf der Suche nach Schuldigen sind. Manche Journalisten (wie Juristen) müssen halt einfach einen Schuldigen konstruieren, selbst dort, wo es keinen gibt, wo eigentlich nur Beklemmung am Platze sein sollte ob der trotz aller modernen Technik nie ganz bezähmbaren Kräfte der Natur.

Amüsieren wir uns lieber, wie Bundes- und Vizekanzler symmetrisch ihre Betroffenheitsbesuche absolviert haben: symmetrisch umgeben von Parteifreunden, symmetrisch in jeweils von der eigenen Partei regierten Gemeinden und symmetrisch im gleichen Bundesland, nämlich Oberösterreich. Nur an jeweils anderen Enden dieses Landes.

Immerhin: Beide haben (gewissermaßen ebenfalls symmetrisch) Viktor Klimas gelbe Stiefel daheim gelassen. Das ist ernsthaft anzuerkennen. Freilich ist ebenso ernsthaft festzuhalten: Beide sind noch meilenweit weg von der unübertreffbaren Personifizierung beliebig steigerbarer Betroffenheit, also dem niederösterreichischen Landeshauptmann.

Aber alle versprechen sie dasselbe: nämlich „schnelle und großzügige Hilfe“. Zu Recht? Gewiss, wahlkampftauglich ist diese Aussage allemal, egal, ob wir nun mit einem Jahrhundert- oder Jahrtausendhochwasser konfrontiert sind. Nur: Dadurch wird der Begriff Eigenverantwortung letztlich wieder einmal völlig ad absurdum geführt. Und das ist schade.

Immerhin könnte ja ein Hochwasser auch ein Anlass sein, primär von anderem zu reden: etwa von der Notwendigkeit, sich auch gegen solche Naturkatastrophen zu versichern. Aber offenbar wird im üblichen Politikerreflex als erstes gleich einmal tief in die Staatskassa gegriffen, statt eine ehrliche und offene Debatte zu führen, was sinnvoll ist. Beispielsweise könnte – zumindest in wasser- und lawinenbedrohten Grundstücken – eine Versicherungspflicht angebracht sein. So sehr an sich jede neue „Pflicht“ problematisch ist, so ist sie doch immer noch sinnvoller als die Komplettkasko-Gesinnung, die nun von den Spitzenpolitikern wieder unter die Menschen gebracht wird.

Das genaue Gegenteil zu dieser Alles-auf-den-Staat-abschieben-Mentalität ist der tolle und unbezahlte Einsatz Zehntausender freiwilliger Feuerwehrleute und Rotkreuzmitarbeiter (sowie von nicht ganz freiwilligen Bundesheersoldaten). Das zeigt, dass auf dem Land die Bürgergesellschaft noch funktioniert. Hier zeigt sich die gute nachbarliche Empathie mit den Opfern einer Naturkatastrophe.

Manches Mal muss halt Übles passieren, damit man auch so manche guten Seiten sieht, die es in diesem Land gibt.

PS.: Irgendwie fühle zumindest ich mich persönlich am Dauerregen der letzten Tage schuldig. Denn ich habe an diesem langen Wochenende genau dasselbe getan wie im Jahr des letzten Hochwassers 2002. Und daher gibt es sicher irgendeinen kausalen Zusammenhang: Ich war in Sankt-Petersburg und habe dort im Norden bei warmem und sonnigem Wetter die weißen Nächte genossen und nur aus der Ferne erstaunt die Meldungen aus Mitteleuropa verfolgt. Genauso wie ich es schon elf Jahre davor während der damaligen Regenkatastrophe getan habe. Daher gelobe ich hier und jetzt, dass ich nie mehr in die Stadt der russischen Zaren fahren will. Die Folgen wären zu schlimm – selbst wenn ich dann nicht mehr unmittelbar miterleben könnte, wie korrupt die russische Polizei bei der Akquirierung von Bestechungsgeldern ist. Selbst wenn ich dann nicht mehr mit eigenen Augen sehen könnte, wie rasch die Tünche abblättert, die zum dreihundertjährigen Jubiläum im Jahr 2003 an Tausenden Petersburger Häusern angebracht worden ist. Sie hat sich als reine Oberflächenkosmetik erwiesen, so wie das ganze System Putin, unter dem die von Gorbatschow und vor allem Jelzin gegen viele Widerstände eingeleitete Modernisierung Russlands ja total steckengeblieben ist.

 

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