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Es ist endlich eine richtige Erkenntnis. Nur kommt sie viel zu spät und greift zu kurz. Wolfgang Schäuble, Deutschlands und Europas Kapitän in der Schuldenkrise, hat sie formuliert: Der Steuerzahler und die Staatengemeinschaft dürfen erst als letzte im Falle einer drohenden Bankenpleite einspringen: „Es muss im Falle der Schieflagen von Banken eine Haftungsreihenfolge geben“.
Das ist – abgesehen von der Frage, ob bei Pleiten überhaupt irgendein völlig Unbeteiligter einspringen soll, – ein goldrichtiger Satz. Man hat ihn nur in den letzten Jahren total missachtet. Da wurden Staaten und Banken ununterbrochen mit einem Eifer gerettet, der mehrere Lebensretter-Medaillen verdient hätte.
Dabei sagt das bürgerliche wie das europäische Recht etwas ganz anderes. Es spricht sich gegen jede Rettung aus, verbietet sie geradezu. Vielmehr findet sich in jedem Insolvenzrecht längst eine klare Haftungsreihenfolge. Im Falle einer Insolvenz ist das erste Opfer immer der Eigentümer, der Aktionär; er hätte ja auch den Gewinn, falls die Dinge gut gehen. Als zweites müssen die Mitarbeiter dran glauben, die in einem Konkurs automatisch ihren Arbeitsplatz verlieren; auch das ist voll berechtigt, hatten sie und ihre Gehaltssumme ja meist einen erklecklichen Beitrag zum Untergang eines Unternehmens beigetragen. Und erst an dritter Stelle sind die Gläubiger zu scheren – je nachdem, wie gut oder schlecht diese abgesichert sind, etwa durch Pfandrechte. Das ist klar und einfach, auch wenn man natürlich viel stärker detaillieren könnte, etwa in Hinblick auf Mezzaninkapital oder die fragwürdigen Vorrechte der öffentlichen Hand.
Europa hat diese logische Abfolge aber vielfach ignoriert. Banken und Staaten gerieten nicht in Insolvenz; und auch die unmittelbaren Folgen für die Angestellten blieben meist aus. Nur bei Zypern und einem Teil der griechischen Anleihen kehrten jene Regeln - selektiv - zurück. Europas Vormacht Deutschland hat bis zum Nahen von Bundestagswahlen gebraucht, um endlich die Notwendigkeit einer Haftungsreihenfolge zu erkennen. Hatte vorher etwa jemand gar geglaubt, dass die zahllosen Kredite und Haftungen ohnedies nie schlagend würden? Das ist im Falle von Staaten absurd. Das Geld, mit dem die Europäer gezwungen wurden, für Griechenland&Co einzuspringen, werden sie zum allergrößten Teil nie wieder sehen.
Bei den Banken kann man da übrigens deutlich optimistischer sein. So überweisen die Nachlassverwalter von Lehman Brothers ständig stolze Summen an die Gläubiger, sodass jetzt erstmals gute Hoffnung besteht, dass Lehman gar keinen Schaden hinterlässt. Nur wird darüber bezeichnenderweise fast nirgendwo von europäischen Politikern gesprochen.
Kurz: Ein Verzicht auf das geradezu hauptberufliche Retten in Europa und mehr ökonomische Vernunft samt den ganz normalen Insolvenzregeln wären von Anfang an klüger gewesen. Aber statt dessen glaubt man in der EU, mit dem Deckeln von Bonus-Zahlungen irgendetwas Positives zu bewirken.
Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.