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Nichts hat sich in den letzten Jahrzehnten mehr gewandelt als die Verhältnisse im Dreieck Medien-Machthaber-Bürger – wirtschaftlich, technisch, inhaltlich, politisch. Und mit Sicherheit stehen uns weitere Änderungen mit ähnlicher Dynamik bevor.
(das ist ein längerer, grundsätzlicher Text)
Zuerst einige Schlaglichter auf die Vergangenheit:
Als die „Neue Freie Presse“ auf der Wiener Weltausstellung 1873 eine Rotationsdruckmaschine präsentierte, war das eine europäische Sensation. Dasselbe war es 1892 als diese, damals auf dem Kontinent führende Zeitung erstmals ein Interview veröffentlichte (nämlich mit Otto von Bismarck). Ein ebensolcher Entwicklungssprung war es, als viel später – in vielen Fällen erst nach dem Zweiten Weltkrieg – Zeitungen Fotos veröffentlichten, die mancherorts noch bis ins 21. Jahrhundert bloß schwarz-weiß waren. Erst in den 80er Jahren begann die Umstellung von dem seit Gutenbergs Tagen üblichen Bleisatz auf den computergesteuerten Lichtsatz und dann in rascher Folge auf immer neuere Drucktechnologien. Gar erst in den 90er Jahren preschte der „Standard“ damit vor, seine Inhalte auch ins Internet zu stellen. Derzeit versucht man gerade – offensichtlich eher vergebens – durch Angebote wie „Apps“ die Gratis-Leser im Internet wieder zu Käufern zu machen.
Die Welt der Medien ist nicht nur die der Zeitungen. Parallel sind in diesem skizzierten Zeitraum (Kino-)Film und Radio erfunden worden, haben global Furore gemacht. Und beide sind dann durch das Fernsehen in eine schwere Krise geraten, in der für Radio wie Kino der Untergang schon nahe schien.
Inzwischen aber kriselt das Fernsehen; und Kino und Radio erleben – wenn auch auf deutlich niedrigerem Niveau – eine neue Blüte. Dazu war es jedoch notwendig, dass sich beide komplett neu erfinden: der Kino-Film etwa durch 3D, Imax, aufwendige Computeranimationen und neue Toneffekte; das Kino durch komfortable Sitze und perfekt vermarktete Produktionen; das Radio durch die Abkehr vom Universalsender und die Aufspaltung in Formatradios, also eigene Sender für jeden einzelnen Musikstil. Gleichzeitig zeigt das Radio, dass es in der Schnelligkeit der Information dem ob seiner Abhängigkeit von Bildmaterial und Sendeschema oft trägen Fernsehen meist weit überlegen ist.
Wer hätte in den 60er und 70er Jahren gedacht, dass am Beginn des 21. Jahrhunderts Radio und (Kino-)Film wieder Medien der Jugend sind, während das Fernsehen primär ein Pensionistenpublikum hat?
Auch die gedruckten Zeitungen haben ein Jugendproblem. Das ist aber nicht so schlimm wie beim Fernsehen, das pointiert ausgedrückt neben Pensionisten fast nur Halbwüchsige, jedoch kaum noch junge Menschen im Alter der Partnersuche, der ersten Jobs und Kaufkraft vor den Bildschirm bringt. Zeitungen sind nach wie vor zumindest für viele qualifiziert Berufstätige wichtig.
Weit vor Kino und Radio ist aber das wirkliche Medium der Jugend das Internet – in all seinen technischen und inhaltlichen Varianten: von den intensiv nachgefragten Pornografie-Seiten, über eine Unzahl von Spielen und Ecken – auch für das ausgefallenste Interesse – bis hin zu den sogenannten sozialen Medien, in denen angebliche Freundeskreise verbalen und zunehmend auch gefilmten Exhibitionismus betreiben.
Aus der Vergangenheit können wir aber lernen: Jedes neue Medium boomt anfangs, bevor es dann selber an Attraktivität verliert, weil es nicht mehr neu ist, weil es nicht mehr den Eros der Modernität ausstrahlt, weil inzwischen wieder neue Medien auf den Markt gekommen sind. Jedoch ist es noch keinem neuen Medium gelungen, ein altes ganz in den Untergang zu treiben. Wie wird es weitergehen?
Wichtiger als die Frage nach weiteren technischen Innovationen ist jene nach den Funktionen, die alle Medien erfüllen. Das sind: Unterhaltung und Information. Viele Medien versuchen, beides zu bedienen. Die Unterhaltung tarnt sich gerne als Information (siehe etwa die Tarnung von „Playboy“-Magazinen durch Pseudo-Informationsartikel, obwohl die Hefte ganz überwiegend voyeuristische Leser bedienen). Das hat nicht nur Imagevorteile, sondern auch rechtliche (siehe Redaktionsgeheimnis, Umsatzsteuer, Schutz der Medienfreiheit etc.).
Auch deklarierte Unterhaltung ist keineswegs frei von gesellschaftspolitischen Wertungen. Sie prägt Meinungen oft mehr, als dies hochseriöse Informations-Zeitungen schaffen. Sie tut das indirekt, aber effektvoll: indem in Filmen Unternehmer oder Politiker nur als Gauner oder Dummköpfe vorkommen, indem jede Umwelthysterie als Faktum erscheint, indem kaum noch klassische Familienbilder transportiert werden. Ähnlich prägend wirkt etwa die Leistungsfeindlichkeit von Radiomoderatoren, die ab Montag schon davon reden, wann endlich das Wochenende beginnt.
Unterhaltung ist nichts Minderwertiges. Jeder Mensch hat Anspruch auf Entspannung und Vergnügen. Reine Information kann – vor allem bei schlechter Aufbereitung – ermüden und belasten. Nur sollte Unterhaltung auch als solche deklariert werden. Daher ist es ein Etikettenschwindel, wenn etwa die von Unwahrheiten strotzenden Filme eines Michael Moore oder Al Gore vorgeben, seriöser Journalismus zu sein. Zwar ist fast jedes Medium zu unterschiedlichen Anteilen sowohl Informations- als auch Unterhaltungsträger, aber es gibt klare Schwerpunkte: In einem Mickey Mouse Heft wird man kaum Information finden und in der Neuen Zürcher Zeitung nicht viel Unterhaltung.
Solange das alles reine Marktangebote sind, ist die Unterscheidung ziemlich gleichgültig. Heikel wird es aber dann, wenn es staatliche Förderungen und Rechtsprivilegien gibt. Da zeigt sich, dass die Definition dessen, was förderwürdig ist und was nicht, sehr schwierig wird. Dies gilt etwa dann, wenn es um Kultur-Förderungen gehen soll.
Es gibt in Wahrheit keinen Grund, warum etwa in Österreich jede Filmproduktion heftig subventioniert wird. Gewiss: Dabei finden etliche Menschen eine Zeit lang Beschäftigung – aber diese gibt es auch bei anderen Aktivitäten. Gewiss: Manche Filme machen Tourismus-Schleichwerbung für Österreich – aber die meisten tun das in keiner Weise und werden dennoch gefördert. Der einzige Grund der Filmförderung ist in Wahrheit der Druck der Kulturjournalisten, die in Symbiose mit der Filmszene lebende, jedoch (meist) nicht von dieser bezahlte Lobbyisten sind.
Ähnlich rätselhaft bleibt, warum viele Musik- und Theaterproduktionen aus Steuergeldern gefördert werden, andere jedoch nicht. Weshalb wird ein zuschauerfreies Kellertheater gefördert, pädagogisch wertvolles Amateurtheater nicht? Warum wird überhaupt etwas gefördert, das nur von wenigen Promille der Steuerzahler jemals gesehen wird? Ist das nicht eine Umverteilung von unten nach oben – geht doch fast nur die Oberschicht in Theater?
Themenwechsel zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Dieser hat im Grunde längst seinen exklusiven Gebührenanspruch verspielt, weil er über große Strecken reinste Kommerzunterhaltung macht. Längst finden auf Privatsendern spannendere und mutigere Diskussionen mit einem breiteren Spektrum statt als im ORF. Längst macht Servus-TV seriöseres Programm als die Hauptprogramme des ORF.
Noch fragwürdiger wird das Gebührenprivileg dadurch, dass der ORF in seinen wenigen Informationsschienen (und auch in der unterschwelligen Stimmungsmache im Unterhaltungsbereich) häufig das Gebot der Objektivität und Ausgewogenheit verletzt. Dort wird dominant ein linkes Weltbild transportiert. Dort werden nichtlinke Parteien stigmatisiert. Dort treten grüne Behauptungen oft als Dogma auf. Dort werden viele den Österreichern wichtige Werte kontinuierlich heruntergemacht: Heimat, Familie, Leistung, Freiheit – von Marktwirtschaft und Christentum gar nicht zu reden. Der ORF trägt überdies Mitschuld daran, dass in Österreich die für die Zukunft entscheidenden naturwissenschaftlichen und mathematischen Disziplinen einen so geringen Stellenwert haben und weniger als ein Prozent der Sendezeit einnehmen.
Dennoch sind Fernseh- und Radio-Gebühren im Prinzip legitim – aber abgesehen von der Qualitätsförderung nur zu einem einzigen Zweck: österreichischen Inhalten einen Sendeplatz verschaffen. Diese würden sonst von den Sendern aus dem zehnmal größeren Deutschland total an die Wand gedrückt. Hingegen sollte die Subventionierung von reiner Unterhaltung längst gestoppt werden. Und der Gebührenkuchen sollte nach gleichen Regeln ebenso privaten Sendern zugutekommen können. Dadurch würden diese motiviert, mehr Qualität, um Objektivität bemühte Information und österreichische Inhalte zu senden. Solche Qualität lässt sich durchaus mit Hilfe einer unabhängigen Bewertungs-Kommission bewerten. Eine unabhängige Qualitätsmessung würde auch im ORF zu besseren Ergebnissen als dem Istzustand führen. An diesem hat sich auch durch den jüngsten Versuch des ORF nichts geändert, seine Öffentlich-Rechtlichkeit dadurch zu rekonstruieren, indem er auf einem „Österreich III“ alte Dokumentationen und Kulturfilme abspielt, die ihn nichts kosten.
Hinter diesem zentralen Komplex – Gebühren-Qualität-Objektivität – rücken alle technischen Debatten, über welche technischen Verbreitungskanäle künftig Fernsehen erfolgen wird, in den Hintergrund. Ähnliches gilt für die Tages- und Wochenzeitungen. Hier wird zwar ständig über das Match Print versus Internet debattiert, dieses ist aber zweitrangig hinter dem Thema Unabhängigkeit-Seriosität-Vielfalt. Fernsehen wie Zeitungen haben eine alle anderen Medien weit überragende nationale Aufgabe. Nur sie können auf absehbare Zeit die Funktion des gesamtösterreichischen Agenda-Setting ausüben. Nur sie entscheiden, was „Talk of the Nation“ ist. Nur sie können als „vierte Gewalt“ ein Gegengewicht zu Machtmissbrauch und Fehlern von Politik und Justiz bilden. Nur sie können demokratische Vielfalt sicherstellen. Nur sie schaffen Öffentlichkeit für Meinungen und Ideen.
In Hinblick auf die Erfüllung ihrer demokratischen Aufgabe sieht es bei den Zeitungen – ob auf Papier oder via Online – aber genauso problematisch aus wie beim ORF. Während es beim ORF auf Grund der gesetzlichen Lage und der Eigentumsrechte zu einem parteipolitischen Durchgriff kommt, sieht der Mechanismus bei den Printmedien etwas anders aus. Dort beschäftigt sich sogar die Staatsanwaltschaft mit den vielen Hinweisen, dass Tages- und Wochenzeitungen mit Steuer- und Gebührengeldern bestochen werden.
Was schon lange in der Stadt Wien in großem Umfang üblich war, findet seit dem Aufstieg Werner Faymanns in die Bundesregierung auch in staatskontrollierten Betrieben wie den ÖBB und in etlichen Ministerien statt: Öffentliche Mittel (aus Gebühren oder Steuergeldern) werden dazu verwendet, um einer Partei oder einem Politiker das Wohlwollen bestimmter Zeitungen zu erkaufen. Steuergeld fließt ohne externe Kontrolle primär dazu an eine Zeitung, damit diese auch außerhalb des Inserats in ihrem redaktionellen Teil einen bestimmten Politiker unterstützt. Das fällt der Politik besonders leicht, weil einige Medien ohne diese illegalen Hilfen aus Steuermitteln die letzten Krisenjahre nicht überlebt hätten. Das führt zu einem in ganz Westeuropa absolut undenkbaren Missbrauch.
Dazu kommen weitere gravierende Fehlentwicklungen: Viele Zeitungen lassen die Leser nicht mehr erkennen, was von einer unabhängigen Redaktion gestaltetet und was kommerziell erkaufter Inhalt ist: „Verlagsbeilagen“, „Kooperationen“, „Sonderseiten“ dienen als für den Normalleser nicht mehr erkennbare Tarnung reiner Werbung. Immer öfter wird sogar auf diese Tarnung „vergessen“. Noch übler ist ein weiterer in der ganzen Branche bekannter Missbrauch, der aber aus Angst vor den Tätern nicht angezeigt wird: Einige Verleger verkaufen Inserate durch Erpressung: „Wenn du nicht inserierst, schreiben wir schlecht über dich.“
Diese Praktiken sind eine fundamentale Bedrohung für Rechtsstaat und Demokratie. Die Hoffnung ist jedoch klein, dass dieses Land noch zu dem notwendigen Selbstreinigungsprozess imstande ist. Alle „Reformen“ wie das Medientransparenzgesetz sind jedenfalls völlig unzureichend, um diese Missstände zu beenden. Dieses Gesetz beispielsweise führt nur dazu, dass künftig auch statistisch festgehalten wird, was seit Jahren fast täglich in bestimmten Medien zu finden war: Inserate, die nicht nach einer objektiven Ausschreibung – wie jede sonstige Geldausgabe der öffentlichen Hand – sondern nach Sympathie vergeben worden sind. Dabei gibt es für Inseratenvergaben durch die Industrie längst etablierte Vergabe-Mechanismen, die zum größtmöglichen Nutzen um den geringsten Preis führen. Diese Mechanismen werden aber von der Politik gescheut, was sie naturgemäß ständig in ein schiefes Licht rückt.
(Dieser Text ist in ähnlicher Form in dem neuen Sammelband "Gesellschaft im Umbruch. Chancen und Herausforderungen zwischen Wandel und Kontinuität" erschienen.)