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Europas Bürger erwachen

Jahrelang schien es, als ob Demonstrieren ein Privileg der Linken wäre. Eine einseitige Medienlandschaft hat diesen Eindruck noch verstärkt. Sie jubelte ein paar Dutzend Camper einer sogenannten Occupy-Bewegung zu einer relevanten Größe hoch. Sie behandelte die skurrilen Typen von Attac als ernsthafte Ökonomen. Sie berichtete über nichtlinke Kundgebungen hingegen nur dann, wenn man diesen einen extremistischen Anstrich geben konnte. Inzwischen aber haben sich die Dinge massiv geändert. Jetzt hat das konservative Erwachen eine Größenordnung erreicht, welche die Medien nicht mehr totschweigen können.

Bisheriger Höhepunkt des neuen bürgerlichen Erwachens in Europa sind die riesigen Kundgebungen in Frankreich gegen die Gleichstellung der Schwulenehe mit normalen Ehen und Familien durch die Linke. Diese ist ja heute so ausgelaugt, dass sie ausgerechnet durch die schwule Karte ihr geistiges wie sozial- und wirtschaftspolitisches Scheitern zu verdecken versucht. Dabei sind schwule Allianzen in den Vor-68er-Zeiten der Arbeiterbewegung völlig undenkbar gewesen.

Die heutigen Linksparteien begreifen nicht einmal, wie sehr diese Karte einer zweiten widerspricht, die sie noch aus dem Ärmel ziehen, nämlich der islamischen. Da ihnen ja die traditionellen Arbeitnehmer davonlaufen, versuchen die Linksparteien halt, auf die Zuwanderer zu setzen, die sie deshalb auch möglichst rasch stimmberechtigt machen wollen. Da jedoch diese Zuwanderer überwiegend aus dem islamischen Raum kommen, schadet den Linken ihre Schwulisierung mehr, als sie nützt. Denn im Islam werden Schwule überall verfolgt – sehr zum Unterschied von Europa, wo die Diskriminierung längst nur noch eine geschickte Propagandabehauptung der schwulen Wortführer ist. Ebenso wie diese beispielsweise die Aids-Erkrankungen raffiniert benutzt haben bis hin zur Veranstaltung von Bällen (während mir Bälle und Fahnen für – oder gegen – Lungenkrebs und Herzinfarkt nicht bekannt sind).

Frankreichs Bürger reagieren auch noch aus einem anderen Grund besonders sensibel: Frankreich ist nämlich – trotz all seiner seit langem angewachsenen und durch die jetzige Regierung noch dramatisch verschärften Probleme – ein sehr familienfreundliches Land. Es hat eine weit höhere Geburtenquote als etwa Österreich (und das nicht nur bei den Zuwanderern). In Frankreich werden Kinder auch nirgendwo als Störfaktor empfunden. Aber das ist schon wieder ein anderes Thema.

Mehr zum Thema gehört hingegen die Tatsache, dass Präsident Hollande bei Umfragen schon heute so unbeliebt ist wie noch nie ein französisches Staatsoberhaupt.

Offensichtlich wird der Protest des bürgerlichen Frankreichs gegen die Schwulen-Ehe keineswegs rasch verebben, auch wenn es nicht jede Woche über eine Million in die Straßen von Paris treiben wird. Wo immer rote und grüne Minister und Politiker jetzt auftreten, werden sie nun mit Jugendlichen und deren Protesten gegen die Schwulenpolitik der derzeitigen Mehrheit konfrontiert. Das ist für Linke eine ziemlich unangenehme Erfahrung, haben doch etwa die Sozialdemokraten umgekehrt in Deutschland CDU-Politiker jahrzehntelang bei Wahlkampfveranstaltungen zu stören versucht.

Ähnliche Massenkundgebungen aus dem selben Anlass hatte es schon davor in Spanien gegeben. Auch dort haben Kirche und konservative Parteien einen mächtigen Schulterschluss vorgenommen und die größten Massenkundgebungen der Geschichte veranstaltet. Freilich warten viele Spanier heute schon ungeduldig darauf, dass sich nach dem Machtwechsel in Madrid dieser Schulterschluss in konkreten Beschlüssen umsetzt.

Das Selbstbewusstsein der Katholiken hat in letzter Zeit auch durch den neuen Papst Auftrieb erfahren. Dieser verwendet gerade zum Thema Schwulenehe mehr als deutliche Worte (während das Gerede mancher „Experten“ etwa über Frauenpriesterinnen als mediale Blase längst wieder geplatzt ist).

Umso beschämender ist es freilich, dass sich die Kirche in Österreich derzeit nur als Wurmfortsatz der Linken präsentiert. Das zeigt sich bei jedem einzelnen politischen Auftritt des österreichischen und des Wiener Caritas-Chefs. Das zeigt sich an der erzbischöflichen Unterstützung für die Votivkirchenbesetzer. Das zeigt sich am Nichtstun gegen rebellische Linkspriester bei gleichzeitig scharfen Disziplinierungsmaßnahmen gegen ungeschickt formulierende konservative Kirchenmänner. Das zeigt sich am weitgehenden Desinteresse der österreichischen Amtskirche an allen Solidaritätskundgebungen für die verfolgten Christen (immerhin werden derzeit weit mehr Christen verfolgt und umgebracht als in den heroischen Zeiten der Katakomben).

Umso erstaunlicher sind die Signale anderswo. Auf vielen Gebieten, bei denen die Konservativen früher nur deprimiert geschwiegen hatten, sind sie nun mutiger geworden. So ist auch im laizistischen Berlin jetzt die Auszeichnung Daniel Cohn-Bendits mit einem linksliberalen Preis auf heftige Proteste gestoßen. Mit gutem Grund: Hat der grüne Vormann doch in einem Buch selbst von – vorsichtig ausgedrückt – erotischen Begegnungen mit Kindern geschwärmt. Gegen einen Grünen ging aber natürlich – natürlich? – bisher kein Staatsanwalt vor. Grüne werden vielmehr noch immer mit Preisen geziert.

Mit größerer Ambivalenz ist ein anderer Vorgang in Berlin zu bewerten. Da ist es zwar an sich sehr positiv, dass CDU/CSU und FDP im Bundestag den Vorstoß der Linken abgeschmettert haben, eine verpflichtende Frauenquote in Aufsichtsräten einzuführen. Die Mühe und die Not und die Begleitumstände, wie das geschehen ist, zeigen aber: In der CDU sind noch immer manche von linken Dummheiten erfasst, obwohl Angela Merkel seit ein paar Monaten angesichts nahender Wahlen verzweifelt wieder nach rechts schwimmt.

Ein CDU-Parteitag hatte die Quote zwar vor kurzem strikt abgelehnt. Dennoch hat ein parteiinternes Grüpplein jetzt durchgesetzt, dass sich die CDU-Fraktion zugleich mit der Ablehnung des linken Antrags ausdrücklich für die Androhung einer Quote ab 2020 ausspricht. Diese Gruppe wird von der Ministerin von der Leyen angeführt. Ihr ist es egal, was ein Parteitag sagt. Und ebenso, dass die Mehrheit der Deutschen strikt gegen die Quote ist.

Das ist bei Männern wie Frauen der Fall. Bei den Frauen sehen die einen die Aufsichtsrats-Debatte als absurdes Elitenthema; die anderen sehen, wie ihre Männer und Söhne jetzt schon allerorten diskriminiert werden, weil ja die Ausschreibungen schon überall im öffentlichen Bereich Frauen bevorzugen; und die Frauen, die längst interessante Karrieren machen, erkennen, dass sie nun als Quotenfrauen diskriminiert sind. Aber Frau von der Leyen ist halt bei linken Medien sehr beliebt; das war ihr oft wichtiger als die eigenen Wähler.

Wie das alles zusammenhängt? Nun jedenfalls insofern, als die schweigende Mehrheit in Europa immer weniger schweigt; als die Linke geistig überall in der Defensive ist; als nur jene Bürgerlichen, die sich so gern dem Zeitgeist anpassen, das noch nicht gemerkt haben; als Europa in Wahrheit mehr mit einem christlich-jüdischen Abendland und dessen traditionellen Werten als mit hektischen Schuldenmachereien zu tun hat; als immer mehr grundsätzlich konservative Menschen auf der Suche nach einer neuen geistigen Heimat sind; als viele in den einst so großen Parteien der rechten Mitte, aber auch manche Amtsträger der Kirche, noch immer nicht erkennen, wo ihre Gefolgschaft steht; und als viele von ihnen daher immer stärker von Orientierungslosigkeit gepackt werden.

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