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Manches Mal bin ich froh, nicht überall die Qual der Wahl zu haben. An diesem Wochenende bin ich sogar sehr froh, weder Niederösterreicher noch Kärntner zu sein. Denn in beiden Bundesländern muss man sich über unglaublich Vieles ärgern, mehr als in allen anderen Bundesländern (bis auf Wien). Deswegen würde ich aber doch auch in diesen Ländern bei der Devise bleiben, jede der wenigen demokratischen Mitentscheidungs-Möglichkeiten auch wirklich zu nutzen, die einfache Bürger haben. Selbst wenn es sehr schwer fällt.
Besonders verärgert wäre ich zweifellos als Kärntner. Dort haben die bisherigen Machthaber in aller Heimlichtuerei zehnmal so viel Haftungen für die Hypo Alpen-Adria unterschrieben, wie das gesamte Landesbudget ausmacht. An der Empörung darüber können die Streitereien überhaupt nichts ändern, ob dann später die Kärntner die Bayern oder die Bayern die Republik Österreich über den Tisch gezogen haben. Tatsache ist nur, dass bei dieser vorerst der Schaden gelandet ist. Was sie damit begründet hat, dass sie doch Kärnten nicht in Konkurs gehen lassen wollte.
Die einstige grob fahrlässige Haftungsübernahme ist jedenfalls unabhängig von der späteren Schadenstragung ein Faktum und ein politisches Verbrechen. Ebenso ist das der Zynismus, mit dem sich der einstige Landeshauptmann Haider ständig bei der Landesbank für parteipolitische Zwecke bedient hat (dass mir da gerade wieder die Wiener Volksbefragung einfällt, bei der provozierenderweise ein Privatisierungsschutz für Landesbetriebe verlangt wird, ist alles andere als ein Zufall).
Diese hemmungslose Verantwortungslosigkeit in Sachen Hypo stellt alles in den Schatten, was aus anderen Bundesländern an riskanten Geschäften bekannt ist. Sie übertrifft auch bei weitem alles, was an sonstigen Kärntner Geschichten in letzter Zeit durch Medien oder Staatsanwaltschaft hochgespielt worden ist: ob es die Verwendung des Wortes „Kröte“ für einen Richter oder die Art der Verleihung einer Staatsbürgerschaft ist.
Das sind Peanuts im Vergleich zum hemmungslosen Umgang mit den Landesfinanzen. Vor allem wegen jener Haftungen für die Hypo hat sich die blaue FPK-Partie eine kräftige Strafe verdient. Das gilt ebenso für die Kärntner Orangen, die noch heute als ihren offensichtlichen Hauptberuf täglich demutsvoll die Kranzschleifen des Jörg Haider streicheln.
Aber auch die Schwarzen haben schwer gefehlt. Sie haben das kriminelle System ermöglicht und zumindest zu guten Teilen mitgetragen. Sie haben zwar seither zum Unterschied von Blau und Orange wenigstens die alte Mannschaft hinausgeworfen. Nur ist völlig rätselhaft, wofür das neue Team eigentlich steht. Außer für Harmlosigkeit und als Steigbügelhalter für einen roten Landeshauptmann.
Also werden die Roten wieder an die Macht kommen. Nur: Soll man das mit seiner Stimme (ob rot, ob schwarz, ob grün) auch selbst mitunterstützen? Immerhin war Kärnten vor den Haider-Zernatto-Dörfler-Jahren bis zum letzten Landeslehrer hinunter fast totalitär rot beherrscht. Immerhin bedeutet ein roter Landeshauptmann eine noch tiefere Einzementierung der roten Macht im ORF. Immerhin hat in jenen Jahren die SPÖ genauso hemmungslos auf Deutschnationalismus gemacht, wie sie es später den Freiheitlichen vorgeworfen hat. Und vor allem hat die SPÖ – wenn auch mehr die in Wien als in Klagenfurt – jahrelang die Lösung der Ortstafelfrage blockiert, obwohl diese zwischen Heimatdienst, den meisten Slowenenverbänden, Schüssel und Haider ausverhandelt war. Die damals ausverhandelte Lösung war praktisch identisch mit jener, die dann später unter einem neuen Bundeskanzler beschlossen werden durfte. Das war damals reinster Macht-Zynismus, der etwas Sinnvolles nur deshalb blockiert hat, um Schwarz-Blau den Erfolg zu nehmen.
Aber auch Grün ist keine gute Entscheidung, trotz einiger Verdienste um Korruptionsbekämpfung. Einerseits weil man damit automatisch rot wählt. Und andererseits haben sich die Grünen in den letzten Jahren im Wiener Rathaus als so willenlose Erfüllungsgehilfen erwiesen, dass man sie nicht mehr als eigenständige Kraft wahrnehmen kann. Wo sie in Wien überhaupt eigenständig aufgefallen sind, haben sie durch Postenbeschaffung für Parteifreunde und durch Parkpickerl- sowie Straßenlahmlegungs-Chaos ihre Regierungsunfähigkeit bewiesen.
Also Stronach? Der Mann ist von der Vergangenheit nicht belastet. Er sagt mitten in seinem sinnfreien Kauderwelsch auch drei oder vier durchaus richtige Sätze. Aber sonst herrscht in dieser Partei ein absolutes geistiges Vakuum. Stronach erinnert stark an den italienischen Anarchisten Beppe Grillo, der vor allem deshalb Zulauf gefunden hat, weil er gegen alles und alle ist; und dessen jeweilige Meinung von allen anderen Figuren in seiner Partei als Evangelium akzeptiert werden muss, auch wenn sie oft eher plakativ als irgendwie durchdacht ist. Stronach ist ebenso wie Grillo nie und nimmer selbst zu regieren imstande. Das aber ist ja noch immer die eigentliche Aufgabe der Demokratie.
Ich würde aber trotz all dem hingehen und eine der Parteien korrekt ankreuzen. So schwer es mir auch fällt.
Das gilt auch für Niederösterreich, wo ich mit der Entscheidung ein ähnliches Dilemma hätte. Wenn auch aus ganz anderen Gründen.
Dort geht alles um eine einzige Person. Dort heißt es nur: Wollt ihr wieder den Grölaz haben oder nicht? Den größten Landeshauptmann aller Zeiten. Viele Menschen sehnen sich in der Tat geradezu nach einem starken Mann. Es spricht in der Tat an sich auch nichts gegen eine starke Persönlichkeit oder gegen Politiker, die schon Jahrzehnte regieren, oder gegen solche, die ganz auf einen simplen Landespatriotismus setzen. Für Pröll spricht auch, dass Niederösterreich etwa im Schulwesen ein wesentliches und positives Gegengewicht gegen die verheerende rote Dominanz in Wien und Bund ist.
Schon viel problematischer ist die Tatsache, dass Prölls Knappen seit Jahren binnen knappster Frist automatisch jedem mit dem Bihänder eine überziehen, der auch nur die leiseste Kritik am Herrscher wagt. Daher haben in Niederösterreich jene Medien heftige Probleme, die nicht bei der Hofberichterstattung für Pröll servil mitmachen. Der diesbezügliche Machtmissbrauch grenzt fast schon an Wiener Dimensionen.
Zentrales Thema des Wahlkampfs war die Veranlagung von niederösterreichischen Geldern. Dabei gingen jedoch die Attacken der Opposition völlig daneben. Denn im Nachhinein zu stänkern, dass diese oder jene andere Veranlagung mehr Zinsen gebracht hätte, ist läppisch. Auch wenn man noch so oft „Pfui, Spekulation!“ ruft.
Viel schlimmer ist hingegen die zugrundeliegende Tatsache, dass Niederösterreich die Einnahmen aus den vergebenen Wohnbaukrediten überhaupt vorzeitig verpfändet und versilbert hat. Damit ist das sichere Landeseinkommen kommender Jahrzehnte vorzeitig zur kurzfristigen Erhöhung des Pröllschen Glanzes verschwendet worden. So als ob nicht auch Niederösterreich ein demographisches Problem hätte, weshalb man in kommenden Jahrzehnten viel mehr Geld brauchen wird als heute.
Dabei ist die Tatsache, dass mit diesen Geldern „spekuliert“ worden ist, nicht das Problem. Da hat man wenigstens versucht, Geld im Interesse des Landes gut anzulegen. Es geht einem aber wirklich das Geimpfte auf, wenn ein ÖVP-Nationalratsabgeordneter aus dem Waldviertel, der noch dazu ein Wirtschaftsspezialist sein will, sogar öffentlich rühmt, dass man einen Teil des Geldes für soziale Zwecke ausgegeben habe. Das aber ist in Wahrheit ein Verbrechen: Künftige Einnahmen schon jetzt zu konsumieren. Und Sozialausgaben sind eben nichts anderes als Konsum.
Schamhaft verschwiegen wird das Thema Semmeringtunnel. Mit seinem zum Teil paralegalen Kampf gegen diesen Tunnel hatte Pröll hingegen noch frühere Wahlkämpfe bestritten. Jetzt aber darf der Tunnel auf einmal doch gebaut werden – allerdings in einer viel teureren und längeren Variante. Der blutende Steuerzahler kann sich bei Pröll bedanken. Doch die Opposition wagt diese milliardenschwere Geldverschwendung nicht einmal zu thematisieren. Offenbar fürchtet auch sie einen der berüchtigten Zornesausbrüche Prölls.
Besonders widerlich an dessen Politik ist, wie viel niederösterreichisches Geld er dubiosen oder echten Künstlern und Seitenblickestars hineinsteckt. Einziger Zweck: Diese mussten vor der Wahl für Pröll Propaganda machen. Was sie nicht hindert, anderswo für die SPÖ zu marschieren. Anderswo sitzt freilich die rote Unterrichtsministerin am Geldhahn. Künstler sind ganz offensichtlich fast alle in hohem Ausmaß käuflich. Sie haben politisch und ökonomisch meist weniger Ahnung als die Durchschnittsbürger. Sie wollen nur Aufträge, also Geld.
Angesichts der hohen Schulden des Landes sind solche Aktionen in Niederösterreich jedenfalls genauso verwerflich wie bei der roten Unterrichtsministerin.
Daher würde sich die Wahl einer anderen niederösterreichischen Partei als logisch aufzwingen. Jedoch: Diese sind durch die Bank inhaltlich wie personell so brustschwach, dass ich bei ihnen weit und breit niemandem sehe, dem ich mein eigenes Bundesland gerne anvertrauen würde.
Vor allem lässt ein ganz anderer Aspekt zögern, irgendeine dieser Parteien zu wählen: Falls Pröll die absolute Mehrheit verlieren sollte, wird er doch nur knapp unter dieser bleiben. Ein nicht-schwarzer Landeshauptmann in Niederösterreich bleibt daher absolut unmöglich. Die Hinzunahme einer Kleinpartei (Rot, Blau, Grün, Stronach) in eine Koalition mit der mächtigen ÖVP würde aber nur dasselbe bewirken, was wir aus Wien oder Oberösterreich oder auch Kärnten kennen: Die Sache würde noch teurer, weil auch der kleine Koalitionspartner seine Leute versorgen und ein paar Duftmarken hinterlassen will. Ansonsten wird aber die alte Mehrheitspartei fast ungehindert, nur mit etwas mehr noch teurerem Sand in ihrem professionellen Getriebe weiterregieren.
Also auch hier: eine extrem schwere Entscheidung. Vor der ich mich aber auch als Niederösterreicher nicht drücken würde. Ein Wahllokal ist ja kein Schlaraffenland.