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Den Zustand der EU nicht als Satire zu beschreiben, wird immer schwieriger. Denn Europas Entscheidungsträger streiten wie Bauherren eines Gebäudes über Farbnuancen des Anstrichs, während schon die Konstruktion kollabiert.
So stritt man monatelang um die Höhe von Manager-Boni, als ob es überhaupt Aufgabe der EU wäre, private Entlohnungen zu regeln. Damit vertreibt man nur die besten Experten aus Europa. Das beklagt der Bürgermeister Londons – also aus Europas wichtigstem Finanzplatz – durchaus zu Recht. Damit haben die regulierungswütigen EU-Parlamentarier einen weiteren Schritt gesetzt, der die Briten aus der Union jagt.
Zugleich will die EU von Banken und Versicherungen ständig etwas anderes: Höhere Eigenkapital-Quoten, damit diese konkurssicher werden? Oder Kredite für Wirtschaft und Staatsfinanzierung? Oder mehr Geld für die Staaten durch Banken- und Finanztransaktionssteuern? Was sie halt nicht versteht: Jedes einzelne dieser Ziele kommt den anderen beiden total in die Quere.
Bei der Finanztransaktionssteuer ist das Chaos besonders schlimm. Täglich zeigt sich mehr, dass populistische Forderungen in der Praxis nicht funktionieren. Die EU will ja allen Ernstes, dass – beispielsweise – die Voest jedes Mal Abgaben zahlen muss, wenn etwa eine Singapur-Bank in New York Voest-Aktien kauft. Kein Mensch weiß, woher die Voest das überhaupt erfahren sollte. Kein Mensch weiß, welcher Ausländer so dumm sein soll, dann noch in eine Aktie aus diesen elf Transaktionssteuer-Ländern zu investieren. Kein Mensch weiß, wie man Aktiengesellschaften dann davon abhalten will, ihren Hauptsitz in ein anderes, steuerfreies Land zu verlegen. Das geht nämlich durchaus, ist nur mit etlichen Anwaltskosten verbunden (die darauf spezialisierten Kanzleien freuen sich schon).
Während sich die Eurokraten in solche Projekte versteigen, bricht in den Mitgliedsstaaten die noch immer entscheidende Basis weg: nämlich die Regierungsfähigkeit. Das schockierende italienische Wahlergebnis ist da nur die Spitze des Eisbergs. Aber auch Frankreich muss schon bald nach Beginn des Jahres zugeben, dass es seine der EU gegebenen Sparverpflichtungen auch 2013 nicht halten kann; amerikanische Firmenchefs machen sich nur noch lustig über die Arbeitsmoral in Frankreich, wo Arbeiter höchstens drei Stunden pro Tag arbeiten würden; und Gutverdiener verlassen der Reihe nach das Land. Anderen Schuldenstaaten wie Portugal und Irland wird schon ein Aufschub ihrer Rückzahlungspflichten versprochen. In Slowenien tritt der Premier unter Korruptionsvorwürfen und nach heftigen Demonstrationen zurück. In Rumänien blockieren einander Premier und Präsident. In Bulgarien gibt es überhaupt keine Regierung mehr, sondern nur noch abstruse Forderungen der Straße, die auch die Ideen eines Beppe Grillo weit übertreffen. Usw.
Kann diese Konstruktion noch aufrechterhalten werden? Kann sie ein neuer Außenanstrich zusammenhalten? Die Zweifel wachsen.
Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.