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In Deutschland müsste man daheim sein: Es gibt ja doch Alternativen

Beim großen Nachbarn gibt es erstmals eine ernsthafte Alternative zum finanziellen Selbstmord, den dort alle im Bundestag sitzenden Parteien offenbar wollen. Offen ist freilich, ob es den Machtstrukturen gelingen wird, die binnen weniger Tage aufgeflammte begeisterte Zustimmung so vieler Menschen für diese Alternative durch eine mit den üblichen Strategien entwickelte mediale Kampagne zu töten (oder zumindest totzuschweigen). Man darf gespannt sein.Immerhin hat mit Zypern ja am Wochenende ein weiterer Euro-Staat eine lebensrettende Geldtransfusion erhalten - wenn auch diesmal unter etwas anderen Umständen.

Die neugegründete „Alternative für Deutschland“, die diese Woche an die Öffentlichkeit getreten ist, ist jedenfalls von eindrucksvoll viel ökonomischem Sachverstand wie auch Nüchternheit getragen. Damit zeigt erstmals eine politische Gruppierung, dass es eine bessere Alternative als die „Alternativlosigkeit“ gibt, welche die deutsche Politik der letzten Jahre geprägt hat. Denn eine alte, lange verdrängte Weisheit sagt: Alternativlos ist im Leben bis auf den Tod gar nichts.

Dabei ist die reale Politik der schwarz-gelben Regierung in Deutschland noch immer viel besser, als es ein Machtwechsel zur einzigen bisher real existierenden Alternative wäre. Rot-Grün(-Rot) würde ja all die Fehler noch vervielfältigen, zu denen sich Angela Merkel – wenn auch zeitweise erkennbar widerwillig – hinreißen hat lassen. Oder gezwungen worden ist.

Gezwungen haben sie unter anderen viele nach deutschem Geld gierende Miteuropäer mit Sarkozy an der Spitze, bisweilen sogar unter Einsatz der Faschismuskeule. Gezwungen haben sie die laut „Rettet Griechenland“ schreienden Mainstream-Medien, die in ihrer gutmenschlichen (in Wahrheit linken) Kurzsichtigkeit keine Rücksicht auf die Folgen genommen haben. Gezwungen hat sie der aus seinem Altenteil grummelnde Helmut Kohl, dem auf Kosten seiner Nachfolgerin keine Geldverbrennung zu teuer ist, um neben seinen unbestreitbar großen Verdiensten für die Wiedervereinigung auch als „Großer Europäer“ in die Geschichtsbücher eingehen zu können. Gezwungen hat sie auch die Dummheit der eigenen Minister, die wie Schäuble oder Westerwelle geglaubt haben, dass man mit dem Pochen auf einen angeblichen Primat der Politik die Grundrechnungsarten außer Kraft setzen kann.

Erfolg der "Rettungs"-Kritiker: Bei Zypern sind die Bedingungen strenger geworden

Gerade der jüngste EU-Gipfel hat erneut gezeigt, dass der Druck in Richtung noch mehr Schulden nie aufhört. Dass da wieder einmal der Österreicher Werner Faymann einer der lautesten Rufer nach Geld für das Schwarzgeldparadies Zypern war, erstaunt zwar nicht, bleibt aber trotzdem ein besonders pikanter Irrsinn.

Die neue Partei sagt als erste – offenbar – chancenreiche Bewegung zu den diversen Eurorettungsaktionen genau das, was ein Großteil der deutschen (und österreichischen) Bundesbürger und ein noch größerer Teil der Ökonomen denkt. Der Parteigründer Bernd Lucke drückt das mit größerer Sachkompetenz aus als alle anderen in der politischen Arena. Der Volkswirtschaftsprofessor aus Hamburg analysiert messerscharf die verheerenden Wirkungen der europäischen Währungs- und Finanzpolitik. Und er kann seine Positionen überdies mit Charme und Charisma kommunizieren.

Lucke hat zwei zentrale Themen. Das eine sind die großen Schäden für Südeuropa durch den Euro, weil diese wettbewerbsunfähigen Länder nicht mehr wie früher ihr Geld abwerten und so die verderblichen Folgen des „Primats“ der Politik auf den Geldwert kompensieren können. Wird doch in Südeuropa der Geldwert seit Generationen durch die vereinten Aktionen von Gewerkschaften, Politikerpopulismus, Gutmenschen und lebensfrohem mediterranen Lebensstil regelmäßig erodiert.

Sein zweites Thema sind die katastrophalen Folgen dieser Politik für den Norden Europas, vor allem Deutschland. Der Norden hat sich mit riesigen Haftungen, Krediten und Zuschüssen für die Südländer untragbar überladen, die niemals zurückfließen werden. Das gilt natürlich auch für Österreich – nur wird es da von Regierung und Medien noch mehr totgeschwiegen als in Deutschland.

Lucke kämpft nicht mit Phrasen gegen eine phrasenüberladene Politik, sondern mit nüchterner Logik. Er ist durchaus kein Chaot, sondern weiß, dass Verträge einzuhalten sind. Deshalb verlangt er eine saubere vertragliche Verankerung des Austrittsrechts aus dem Euro. Und er betont auch die zweite notwendige Strategie – die insbesondere für den Fall wichtig ist, dass die anderen Mitgliedsstaaten ein solches Austrittsrecht ablehnen: Es müsse jedenfalls einen absoluten Stopp für das Eingehen weiterer, höherer Haftungen via ESM oder über andere Kanäle geben.

Diese Doppelstrategie würde die Überlebens-Chancen der Geberländer massiv erhöhen. Zugleich wählen Südeuropas Massen ohnedies immer mehr jene Listen, die für einen Austritt aus dem Euro plädieren, siehe etwa Beppe Grillo. Das heißt: Auch dort wird ein Weitermachen wie bisher zunehmend als sinnlos empfunden.

Natürlich kommt Lucke mit seinem Vorstoß im Grund reichlich spät. Schon das, was jetzt schon auf Deutschland (und Österreich sowie den Niederlanden) lastet, ist eigentlich längst untragbar.

Nur: Bei der letzten Bundestagswahl war das Thema „Bail-Out für Schuldenstaaten wider alle wirtschaftliche Vernunft sowie wider die EU-Verträge“ noch überhaupt nicht auf dem Tisch, da war diese neue Alternative daher auch noch nicht notwendig. Damals gab es zwar die Konjunkturkrise, aber noch nicht den seit Mai 2010 laufenden billionenschweren Verstoß gegen das ausdrückliche Verbot, Staaten finanziell zu helfen, das sich in EU-Verträgen und EZB-Statuten findet. Bei der letzten Wahl versprachen sowohl CDU wie FDP noch vertragsgetreue und marktwirtschaftliche Politik. Das schien damals noch ganz selbstverständlich und glaubwürdig.

Nachher setzten sich jedoch die Parteiführungen beinhart darüber hinweg. Der Widerstand jeweils einer Minderheit mutig aufbegehender Abgeordneter wurde überrollt. Und die Opposition verlangte ohnedies immer noch mehr und frühere Hilfe für die Schuldnerstaaten.

Luckes Positionierung erinnert lebhaft an den Kurs des Briten David Cameron: Nein zum Euro, Nein zur Überregulierung durch Brüssel, aber ein großes Ja zur Rettung des wichtigen EU-Binnenmarkts, der genau durch Schuldenkatastrophe und Überregulierung nun mit in den Strudel zu geraten droht. Und genau das ist die einzige Politik, die Europa retten kann.

Nach ersten Umfragen hat Lucke ein bis 26 Prozent gehendes Wählerpotenzial. Dieses wird dadurch vergrößert, dass er in seinen ersten Auftritten mehr Charme und Eloquenz als die Altpolitiker gezeigt hat. Sein Antreten könnte daher noch sehr spannend für den Wahlausgang werden.

Natürlich sind die Dirty-Campaigning-Abteilungen aller Parteien seit dieser Woche im vehementen Einsatz. Sie forschen, ob der Mann nicht vielleicht vor 30 Jahren irgendwo abgeschrieben, seine Frau betrogen oder einen silbernen Löffel eingesteckt hat. Oder ob das zumindest einem seiner Mitstreiter nachgewiesen werden kann (als ob auch nur ein einziger der derzeitigen Abgeordneten ein lebenslanger Heiliger wäre). Aber man kann dennoch fast wetten, dass der Zorn der Wähler ob der Fehler der letzten Jahre viel größer als die Wirkung solcher Versuche ist. Daher werden solche jetzt mit hoher Wahrscheinlichkeit auftauchenden Beweise wenig Wirkung haben.

Merkel lässt die Linkswende links liegen

Angela Merkel hat in den letzten Wochen erkannt, dass die Bedrohung ihrer Partei durch die unzufriedenen Bürgern auf der liberalkonservativen Rechten und nicht durch die drei Linksparteien erfolgt. Die Linke kann Merkel trotz der auch in Deutschland vehementen medialen Unterstützung ignorieren. Sie spürt zunehmend, dass sie der Linken schon bei der „Energiewende“ viel zu weit entgegengekommen ist.

Aus dieser Erkenntnis heraus hat Merkel plötzlich in einer Reihe von Fragen liberalkonservative Alternativen zu ihren bisher alternativlosen Positionen gefunden und eingenommen. Die überraschenden CDU-Alternativen bestehen etwa in der erfreulichen neuen Haltung der CDU in der Quotenfrage; in der Ablehnung der Schwulenehe; in der Bremse für die ökologisch ins Unermesslich steigenden Strompreise; im Nein zu den EU-Plänen, Zigarettenpackungen mit Ekel-Bildern zu versehen; oder eben im längere Zeit hinhaltenden Kampf der Deutschen dagegen, deutsches (und damit automatisch immer auch österreichisches) Geld nun auch für Zypern leichtfertig auszugeben.

Bei der nun - vorerst - gefundenen Hilfsregelung für Zypern geht Euroland jedenfalls auf deutschen Druck (der ganz offensichtlich in Hinblick auf die neue parteipolitische Herausforderung entstanden ist) ganz anders vor als bisher: Wie im sonstigen Wirtschaftsleben müssen nun sofort die Gläubiger bluten, die Forderungen gegen einen Bankrotteur haben. Und diese Gläubiger sind in der Bankenwelt vor allem die Sparer. Also: Bei Zypern passiert zumindest zum Teil das, was absolut logisch ist, was aber in den letzten drei Jahren undenkbar schien: Ersmals verlieren sämtliche Sparer einen spürbaren Teil ihrer Einlagen, weil Banken und staaten crashen. Das wird dazu führen, dass sich Sparer nun in ganz Europa die Banken viel genauer anschauen, bei denen sie ihr Geld hinterlegen. Das ist jetzt schon ein historischer Erfolg der hartnäckigen Kritiker der ständigen Rettungsaktionen - trotz der Tatsache, dass auch in Zypern jetzt zehn Milliarden der anderen Europäer verbrannt werden. Statt alles den Gläubigern des bankrotten Schuldners aufzubürden.

Man fragt sich zwar, warum nicht gleich und warum nicht ganz. Aber Tatsache ist: Merkel geht unter dem Druck der Alternative wieder nach rechts, statt wie in den letzten Jahren ständig nach links.

Aber kann sie damit noch einmal glaubwürdig werden? Der Unmut der sich in den letzten Jahren durch Merkels Linkskurs verraten fühlenden Bürger ist jedenfalls groß. Und es ist zu durchsichtig, dass sie nun die Rechtswende so knapp vor dem Wahlen macht.

Der FDP wird es angesichts der neuen Gruppierung noch schwieriger werden, eine glaubwürdige Position zu finden. Es gibt in den Augen der Wähler fast nichts, wofür einzig, konsequent und glaubwürdig die FDP stünde. Die FDP-Wähler werden massenweise zu Lucke wechseln. Und die linksliberalen Ideen der FDP-Justizministerin haben längst schon bei Rot und Grün eine Heimat gefunden, sind also für die FDP mehr schädlich als nützlich. Und seit der Gründung der „Alternative“ kann die FDP wahrscheinlich auch nicht mehr auf sonderlich viel Leihstimmen der CDU zählen. Die könnten am Wahltag zur Alternative wechseln. Das macht die FDP-Führung erkennbar nervös, wie etwa Bundestagsdebatten in dieser Woche gezeigt haben.

Natürlich hat Lucke noch nicht offengelegt, wo er in den vielen anderen politischen Fragen steht. Wenn er seine Chancen schlau analysiert, wird er das auch nicht tun. Es ist gar nicht mehr schlau, in einem modernen Wahlkampf Stellung zu allem und jedem zu beziehen. Lucke wäre mit folgender Strategie gut beraten: „Wir unterstützen jede Regierung, die in Europa- und Währungsfragen konsequent unsere Positionen umsetzt; aber wir unterstützen sie eben nur dann, wenn sie das ohne Abstriche tut. Schwulenehen, In-vitro-Fertilisation, Quotenzauber, Atomausstieg und all die anderen so heftig politisch diskutierten Themen sind für uns nicht so wichtig wie die Rettung von Wirtschaft sowie Währung und damit Arbeitsplätzen sowie Ersparnissen.“

Nur mit diesem Kurs vermeidet die „Alternative“ den Verlust wichtiger Wählergruppen. Die Zeiten von Volksparteien, die homogene Gruppen mit gleichen Ansichten in allem und jedem dargestellt haben, sind ja ohnedies schon lange vorbei.

Die österreichischen "Alternativen"

Die Alternative für Deutschland ist damit jedenfalls ziemlich genau das Gegenteil von dem, was in Österreich als Alternativen zum Bestehenden vorliegt:

Da gibt es etwa eine Bobo-Partei der Berater-Generation, die sich vom Gendern bis zur Schwulenunterstützung um die alten linksliberalen LIF-Positionen schart; und die überdies – ausgerechnet in Zeiten wie diesen – einen absurden Europafanatismus betreibt. Da ist nicht viel politische Intelligenz daheim.

Da gibt es einen 80-Jährigen, der mit viel Geld zwar viel Wind machen kann, der aber von Währungsfragen nicht den blassesten Schimmer hat, der in seinen langen Wortkaskaden nur hohle Phrasen abzusondern vermag, und der bisher auch keinen einzigen Experten mit ordnungspolitischem Wirtschaftsverständnis für sein „Team“ gefunden hat. Das ist kein Wunder, duldet der alte Patriarch doch nur totale Jasager und Befehlsempfänger in seiner Partei. Zwar glauben erstaunlich viele Menschen, dass jemand doch auch von Währung oder Ordnungspolitik eine Ahnung haben müsse, wenn er erfolgreich Autozuliefer-Fabriken aufgebaut hat. Das ist aber falsch. Bei ihm kann genauso Unsinn herauskommen wie beispielsweise bei einem Industriellenchef, der im Hauptberuf Überwachungs- und Mautanlagen verkauft, womit er total von guten Beziehungen zur öffentlichen Hand (und Stadträtinnen) abhängig ist. Aber nicht von einem ordnungspolitischen Sachverstand. Dieser ist in beiden Fällen katastrophal dünn. Auch wenn das aus Respekt vor der jeweils akkumulierten Geldmacht kaum jemand offen sagen will.

Da gibt es noch die beiden existierenden Oppositionsparteien, die zwar stammtischartig gegen Europa hetzen, die aber in jeder wirtschaftlichen und europapolitischen Sachfrage ebenfalls total unbedarft sind.

Von Schmeißfliegen mit heftigen Anklängen an braune oder rote Totalitarismen wollen wir gar nicht reden, die sich bisweilen aufdrängen.

Dieser Rundblick auf die österreichische Politiklandschaft kann eigentlich nur einen Wunsch auslösen: Ich möchte lieber in Deutschland leben. Da gibt es in der bürgerlichen Welt neben einer starken Frau jetzt wenigstens eine überaus sinnvolle Alternative. Bei uns hingegen . . .

 

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