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Europa kann nur gut überleben, wenn es der Welt hochqualitative und intelligente Produkte oder Dienstleistungen anbietet. Nur dann können wir es uns leisten, weiterhin Autos, Computer, Benzin, Textilien, Lebensmittel und noch Tausend andere Dinge aus aller Welt zu importieren. Deshalb herrscht verbreiteter Konsens, dass Bildung, Forschung und Wissenschaft für die Zukunft der ganzen EU, aber auch jedes einzelnen Staates die entscheidende Herausforderung sind. Ist das aber auch richtig?
Dieser Konsens ist zwar im Prinzip richtig, jedoch absolut falsch, wenn damit auch die Forderung verbunden wird, noch mehr Geld in diesen Bereiche zu lenken. Die gebetsmühlenartig vorgebrachte Forderung nach noch mehr Geld klingt zwar aufs erste Hinhören plausibel, ist aber dennoch unrichtig. Nicht nur, weil Europa kein Geld hat. Darüber hinaus gibt es in den meisten EU-Staaten bei der absoluten oder relativen Höhe der Bildungsausgaben kein Problem. Sie sind längst schon sehr hoch, relativ wie absolut. Das Problem liegt im WIE, nicht im WIEVIEL. Wenn Geld falsch ausgegeben wird, dann hilft es nichts, es noch zu vermehren. Es schadet oft sogar mehr, als es nutzen könnte.
Die Forderungen nach noch mehr Geld kommen ganz zufällig fast immer von Personen, die davon durchaus persönlich profitieren würden, auch wenn sie es als „objektive“ Notwendigkeit formulieren. Von Universitätsprofessoren, von Leitern irgendwelcher „Forschungs“-Institute, von Unternehmen, die Forschungsgelder lukrieren.
Statt über noch mehr Geld, müsste aber sehr intensiv darüber nachgedacht werden, wie man das Geld am besten einsetzt, wo man die Hebel besser umlegt, wo man durch richtige Steuerung falsch verwendete Ausgaben streichen kann. Die Eckpfeiler einer besseren Bildungspolitik:
Erstens und vor allem anderen brauchen wir viel mehr Autonomie und Vielfalt für Schulen und Universitäten. Bei den Schulen sind Autonomie und Vielfalt jedoch statt dessen in den letzten Jahrzehnten immer mehr eingeschränkt worden. Der Höhepunkt war der parteipolitische Trend zur zwangsweisen Einheitsschule (Gesamtschule); während Autonomie und Vielfalt bei den Universitäten immerhin erweitert worden sind. Freilich liegen die Zeiten noch gar nicht lange zurück, da Politiker bestimmt haben, wer Universitätsprofessor wird! Die verheerenden Spuren dieser langen Epoche sieht man noch heute an vielen Fakultäten. Bei den Schulen ist es noch schlimmer. Da ist ungebrochen und sogar mehr denn je die zentrale Planwirtschaft üblich. Jedoch sollte uns spätestens der Kommunismus gelehrt haben, dass Planwirtschaft immer an den wirklichen Bedürfnissen der Menschen, also der „Märkte“ vorbeiproduziert. Genauso können heute zentrale Lehrpläne und Schulorganisationsgesetze niemals die Vielfalt von regionalen, intellektuellen, ethnischen und vor allem individuellen Bedürfnissen der Schulen gut und einheitlich regeln.
Dem Staat muss prinzipiell jedes Kind gleich viel Geld wert sein, egal ob es in eine staatliche, in eine religiöse oder sonstwie private Schule geht. Durchaus möglich ist aber, dass der Staat unter genau geregelten Bedingungen in bestimmten Fällen mehr zahlt: etwa wenn ein Kind benachteiligt ist (wenn es etwa aus bildungsfernen Familien kommt, wenn es behindert ist) oder wenn sich eine Schule auf eine teure und anspruchsvolle, aber von der Gesellschaft dringend benötigte Ausbildung konzentriert. Die gilt etwa für technische oder naturwissenschaftliche Schulen oder solche für Hochbegabte. Unter Umständen kann es auch mehr Geld für eine hochwertige künstlerische Spezialisierung oder eine wirklich zweisprachige Schule geben.
Auf Grund der gewwachsenen Traditionen der letzten Jahrhunderte wird sich der Staat in den meisten europäischen Ländern nicht so rasch aus dem Schulwesen zurückziehen können. Aber dennoch gibt es jetzt schon keinen Zweifel, dass Privatschulen bessere Antworten auf die Probleme unseres Bildungssystems sind als ein vom Beamtentum geprägtes Schulwesen.
Eine andere Verpflichtung des Staates wird hingegen sogar zunehmen: Das ist die Herstellung von Transparenz und die Organisation externer Leistungsfeststellungen. Denn die globale Erfahrung zeigt, dass private Schulen und Universitäten einerseits die weltbesten sind, dass es bei ihnen aber auch bisweilen betrügerisches Herschenken von Abschlüssen gibt (insbesondere in Osteuropa). Diese Transparenz muss vor allem in der Veröffentlichung von seriösen staatlichen Rankings der verschiedensten Art bestehen. Nur so können sich Schüler und Eltern bei der Schulwahl orientieren. Nur so wird aber auch Druck auf uninteressierte Lehrer hergestellt und auf solche, die Noten und Zeugnisse aus pseudosozialen Motiven herschenken (Typische Antwort: Man wolle den Kindern nicht schaden). Bei dieser Transparenz können und sollen aber sehr wohl – zusätzlich – auch Spezialisierungen oder soziale Benachteiligungen intensiv berücksichtigt und klargemacht werden.
Jede Schulreform kann nur dann bessere Ergebnisse bringen, wenn sie wieder die Erbringung von Leistung forciert – zumindest ohne Hindernisse ermöglicht; wenn sie die Rechte und Pflichten von Eltern, Direktoren und Lehrern erhöht; und wenn sie Politik, Verwaltung und Justiz wieder weitestgehend aus Schulen hinausdrängt.
Schulen müssen auch ohne schlechtes Gewissen die Möglichkeit bekommen, Schüler sitzenbleiben zu lassen. Es gibt immer mehr Indizien, dass eine Klassenwiederholung von den Betroffenen sehr häufig auch als Chance und als Möglichkeit wahrgenommen wird, sich von einer Überforderung zu befreien. Und jedenfalls führt diese Möglichkeit auch dazu, dass Leistung im Klassenzimmer wieder etwas ernster genommen wird.
Die in den letzten Jahren modisch gewesene Inklusion hat sich in weiten Bereichen als Fehlschlag erwiesen. Während die Integration körperlich behinderter Kinder durchaus weiter vorangetrieben werden soll, soweit es technisch und organisatorisch halbwegs machbar ist, darf es keiner Schule, keiner Klasse mehr aufgezwungen werden, auch geistig behinderte oder das Gemeinschaftsleben aggressiv störende Schüler aufzunehmen.
Die in Österreich neuerdings forcierte Idee einer Änderung der Schupflicht hat viel für sich: Ihr zufolge sollen Kinder bis zur Erreichung des Schulziels in die Schule gehen und nicht, bis sie eine bestimmte Anzahl von Jahren abgesessen haben. Das gibt Zuwanderern viel bessere Chancen, ebenso wie das ein Deutschlernjahr (oder vielleicht auch: Englischlernjahr) VOR dem Besuch des normalen Unterrichts tut.
Sinnvoll ist auch der Vorschlag, dass Maturanten binnen eines Jahres einen Lehrabschluss machen können. Denn die Matura selbst hat ja am Arbeitsmarkt kaum mehr einen Wert. Zugleich überfordern viele ernsthafte (also über Politologie, Publizistik oder Geschichte nach Art der Wiener Uni hinausgehende) Studienrichtungen so manche junge Menschen. Trotzdem könnten diese in Gewerbe oder Industrie eine brillante Karriere machen und mehr verdienen als Akademiker.
Dringend wäre es, aus allen OECD- oder EU-Überlegungen das zuletzt politisch so modische Denken in Akademikerquoten zu eliminieren. Die südeuropäischen Arbeitsmärkte zeigen, dass ein akademischer Abschluss trotz seiner hohen Kosten für Familien und Staat den jungen Menschen überhaupt nichts hilft.
Dafür sieht man derzeit europaweit eine sensationell hohe Anerkennung des österreichisch/deutschen/Schweizer Systems der Lehre und der berufsbildenden Schulen. Dabei ist klar, dass dieses System nur auf einer guten und anspruchsvollen Pflichtschule, wie sie in weiten Gegenden Österreichs lange die Hauptschule gewesen ist, aufbauend funktionieren kann. In einem Einheitsschulmodell wählen nämlich viel weniger Jugendliche dieses „duale System“ (also betriebliche Lehre plus Berufsschule). Denn entweder werden dort die künftigen Maturanten noch viel schlechter ausgebildet oder die anderen statt auf eine lebensnahe Ausbildung auf eine solche in Richtung theoretischer und geisteswissenschaftlicher Fächer hin umorientiert. Dann gilt jeder, der dann in die Lehre wechselt, als Versager.
Schulerhalter und Leiter brauchen die Freiheit, sich mit ihrer Schule nach guten und erfolgreichen ausländischen Beispielen zu orientieren, wie es etwa das bayrische System mit seinen leistungsorientierten und oft strengen Schulen ist. Der Vorsprung solcher Schulen zeigt sich vor allem im Vergleich zu jenen Schulsystemen, wo Bildung mit Sozialpolitik verwechselt wird, und wo daher eine allgemeine Nivellierung nach unten stattfindet. Diese nivellierenden Schulen (Gesamtschulen) sind dabei zumindest in der österreichischen Version noch dazu besonders teuer.
Eine Selektion durch jede Schule, jeden Schultyp ist etwas Gutes. Denn, so der führende Pädagogikprofessor an der Wiener Uni, Stefan Hopmann: „Wenn sich ein Lehrer auf den Durchschnitt konzentriert, würden beide zu kurz kommen: die besonders guten wie die schwachen Schüler.“ Auf Grund von finanziellen Anreizen wird es hingegen in einem differenzierten und selektiven System auch viele Schulen geben, die sich ganz – und erfolgreich – auf schwächere Schüler konzentrieren.
Besonderes Augenmerk brauchen Kindergarten und Volksschule. Denn bei der Erziehung werden die allermeisten Fehler in diesen Lebensjahren gemacht. Schon mit dem vierten Lebensjahr sind für Kinder so viele lebenswichtige Weichen gestellt, dass später kaum mehr ein Umlenken möglich ist. Daher kann und soll man durchaus die Kindergartenpflicht für jene nach vorne verschieben, wo das Elternhaus unfähig oder unwillig ist, die intellektuellen oder sprachlichen Fähigkeiten seiner Sprösslinge gut zu entwickeln.
Umgekehrt muss auch die Wirtschaft begreifen, dass möglichst viel freie Eltern-Kinder-Zeit vor allem bei gut gebildeten Müttern die beste Investition für die Zukunft ist. Jedes Drängen auf Mütter, möglich rasch wieder zu arbeiten, ist extrem kurzsichtig. Auch wenn dadurch kurzfristig wertvolle Arbeitskräfte gewonnen würden.
Die finanziellen Rahmenbedingungen der Schulen müssen so sein, dass sie um dieses Geld auch ausreichend nichtpädagogisches Hilfspersonal beschäftigen können. Denn Lehrer sind weder Sekretärinnen noch Portiere noch Reinigungspersonal noch Kriseninterventionszentren.
Die Schulen müssen auch das Recht bekommen, gegen drogenkonsumierende Schüler vorzugehen, etwa auch durch Haartests und Schulverweise.
Zumindest die nichtstaatlichen Schulen müssen sich künftig der lähmenden Einmischung juristischer Instanzen entziehen können. Wenn jedes Zeugnis durch gefinkelte Juristen als Bescheid beeinsprucht werden kann, zertrümmert das die entscheidende Autorität der Lehrer.
Der derzeit politisch modische Streit um Kompetenz versus Wissen ist absurd. Es kann keine Kompetenz ohne breites Faktenwissen geben. Jedes bloße Faktenwissen ist umgekehrt sinnlos, wenn es nicht in Zusammenhänge eingeordnet werden kann, oder wenn man es nicht in einem verständlichen Aufsatz mit Hand, Fuß und rotem Faden darstellen kann. Es braucht also unbedingt beides.
Kaum intelligenter ist der lautstarke Konflikt Bildung versus Ausbildung. Natürlich muss Schule immer auch das wirkliche Leben und die dort benötigten Kenntnisse ganz stark im Auge haben. Schulabsolventen aus dem Wolkenkuckucksheim vollgestopft mit ethischen Sprüchen braucht niemand, sie werden auch selbst immer unglücklich sein. Umgekehrt braucht jede Ausbildung auch einen möglichst breiten Allgemeinbildungs-Zusammenhang, um wirklich flexibel eingesetzt zu werden. Selbst der beste Ausbildner weiß ja nicht, was in zehn oder zwanzig Jahren an bloßer Ausbildung verlangt wird. Und eine breite Allgemeinbildung ist auch für die Schüler selbst das wichtigste Geschenk ihrer Schuljahre. An dieser Tatsache ändert sich auch dadurch nichts, dass es logischerweise immer Debatten über den Kanon, den Inhalt der unverzichtbaren Allgemeinbildung geben wird und muss.
Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.