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Wenn alle paar Jahre in der EU der Megakrieg ums Budget tobt, dann geht es in Wahrheit vor allem um sie, um die Bauern. Die Zahlungen für die Landwirtschaft sind zweifellos im EU-Budget einer der fragwürdigsten Brocken. Nirgendwo sonst wird so energisch gekämpft, verteidigt und angegriffen. Nirgendwo sonst wird es so emotional. Nirgendwo sonst geht es aber auch um so viel Geld: Macht doch das Agrarbudget auch nach dem am jüngsten Gipfel erzielten Konsens noch immer deutlich mehr als ein Drittel des gesamten EU-Haushalts aus.
Und auch wenn es in diesem Bereich künftig den heftigsten Einschnitt geben wird, wird sich die Landwirtschaft mehr denn je nicht nur wegen des „Wie viel?“, sondern auch wegen des „Warum überhaupt?“ rechtfertigen müssen. Da geht es um grundsätzliche Fragen, welche die EU im Grund seit ihrer Gründung als EWG oder EG ungelöst vor sich herschiebt. Diese Grundsatzfragen sind wegen der Lautstärke der einschlägigen Lobbys und der regelmäßigen Bauerndemonstrationen nie in Ruhe ausdiskutiert worden. Sie werden aber in Zeiten der Krise immer drängender.
Für das EU-Budget sind im Vergleich dazu die in letzter Zeit ebenfalls viel diskutierten fetten Beamtenbezüge nur Peanuts. Auch wenn außer Zweifel steht: Tausende EU-Beamte mit fünfstelligen Netto-Bezügen pro Monat und vielen sonstigen Privilegien sind extrem ärgerlich. Dies gilt umso mehr, seit sie ihre Existenz mit völlig überflüssigen Regelungen unseres Lebens zu rechtfertigen versuchen. Über die PR-Reportagen von Brüssel-Korrespondenten zugunsten dieser Beamten kann man hingegen nur lachen, versuchen sie damit doch nur recht vordergründig ihren Informanten und Party-Kollegen zu helfen.
Im Vergleich zum Agrarbudget sind auch die EU-Ausgaben für Forschung nur Peanuts. Dennoch sollte man festhalten: Jene Projekte, für die EU-Forschungsgelder fließen, werden oft immer fragwürdiger. So gibt es etwa eine Milliarde(!) Euro für ein Projekt, das vorgibt, das menschliche Gehirn via Computer simulieren zu können. Sowohl die elektronische wie auch die biologische wie auch die medizinische Forschergemeinschaft halten das jedoch für Scharlatanerie. Natürlich kann ich das selbst nicht wirklich beurteilen, aber es wäre zweifellos viel gesünder, wenn bei solchen hochriskanten Projekten privates und nicht Steuergeld verbrannt werden würde.
Wo es aber in Zeiten des europaweiten Sparens wirklich ums Eingemachte geht, ist eben die Landwirtschaft. Lange hatte sie diese Diskussion vermeiden können, weil vor der Krise genug Geld da war und weil die Steuerzahler sich nicht wirklich auskennen, wie die Agrarbürokratie das Geld verwendet.
Zweifellos profitierte die Landwirtschaft auch von einem emotionalen Faktum: Bauern mag man eben. Schließlich weiß noch der Großteil der Europäer, dass ihre Eltern, Groß- oder Urgroßeltern fast alle Bauern gewesen sind. Das schafft viel Empathie. Und ebenso unbestreitbar ist der hohe emotionale Stellenwert, den das Bild vom sauberen Bauernhof mit glücklichen Hühnern, Schweinen und Kühen in den Gemütern von Städtern genießt. Das muss uns doch etwas wert sein, denken viele – auch wenn die Landwirtschaft in Wahrheit heute meist ganz anders aussieht und die Grenze zur Industrie sehr fließend geworden ist.
Angesichts von all der Nostalgie und Sympathie für die Bauern wird oft versucht, die Fakten vergessen zu machen. Eine dieser Fakten ist, dass sich die Weltmarktpreise für fast alle Agrarprodukte in den letzten Jahren signifikant erhöht haben. Bauern können also heute mit ihren Produkten viel mehr verdienen. Der Appetit einer wachsenden Weltbevölkerung und insbesondere der immer besser verdienenden Chinesen, Inder und Vietnamesen hat die Preise und Produktionsmengen in die Höhe getrieben. Zugleich sorgt der wachsende globale Wohlstand dafür, dass der Anteil der Menschen immer größer wird, die sich diese höheren Preise auch leisten können.
Ein weiteres Faktum ist, dass der Großteil der Ökonomen der Dritten Welt in der europäischen (und amerikanischen) Agrarpolitik die wahre Katastrophe für die Entwicklungsländer sieht. Die relativ geringen Entwicklungshilfezahlungen wären überhaupt kein Problem, wenn Europa und Nordamerika ihre gesamte Landwirtschaftshilfe einstellen würden. Dann hätte nämlich die Dritte Welt erstmals eine faire Chance im Wettbewerb, die sie mit den hochsubventionierten Lebensmitteln aus dem Norden bisher nie hatte.
Ebenso Faktum ist, dass die europäischen Bauern in den letzten Jahren noch aus ganz anderen Budgettöpfen profitiert haben: nämlich aus jenen der Energiepolitik. Jeder Bauer, der auf seinen Feldern eine der derzeit wie Schwammerl sprießenden Windmühlen aufstellen lässt, hat für die nächsten Jahre ein absolut sicheres und arbeitsfreies Einkommen. Ähnliches gilt für den neuen Erwerbszweig der Bioenergie-Saaten.
Aber, so werden manche jetzt einwerfen, die Bauern sind doch so enorm wichtig für die Umwelt. Ach ja wirklich? Sind riesige Monokulturen, Versteppungen, Vergiftung des Grundwassers und vieles andere mehr wirklich in irgendeiner Hinsicht gut für die Umwelt? Man darf zweifeln, auch wenn diese kritischen Hinweise keineswegs auf alle Bauern zutreffen.
Dennoch könne man doch nicht wirklich wollen, dass Bergbauern aufgeben und immer mehr Bauernhöfe dem Verfall preisgegeben werden, lautet der nächste Einwand. Das ist nun in der Tat eine wenig erfreuliche Perspektive. Tatsache ist aber, dass dieser Prozess auch trotz der gewaltigen Agrarbudgets der letzten Jahre weitergegangen ist.
Aus all dem gibt es eine klare Konklusion: Unsere Gesellschaft soll die Bauern durchaus entlohnen – aber eben nur für das, woraus die Gesellschaft oder die Umwelt irgendeinen Nutzen zieht. Selbst wenn das nur ein optischer Nutzen einer gepflegten Landschaft ist, von dem etwa der Tourismus sowie die vielen neuen Magazine und Fernsehserien profitieren, welche mit großem Erfolg eine heile bäuerliche Welt in Schönbildern vermarkten.
Förderungen sind also durchaus berechtigt für die Bebauung von Feldern anstelle von Aufforstung oder Versteppung, für Landwirtschaft ohne Monokultur, für die Erhaltung von Bergbauernhöfen (die nicht zu bloßen Ferienwohnungen umgewandelt werden), für Düngungsmethoden ohne Schädigung des Grundwassers, für Verzicht auf unerwünschte Methoden der Tierhaltung, für Verzicht auf sonstige Belastungen von Gesundheit und Umwelt (womit aber nicht die von ein paar Grünen und der Kronenzeitung geschürte Panik gegenüber genveränderten, aber völlig harmlosen Pflanzen gemeint ist).
Alle anderen Förderungen – derzeit der Großteil! – sollten hingegen abgeschafft werden. Es gibt keinerlei Rechtfertigung für Direktzahlungen und für Abnahme-Garantien der landwirtschaftlichen Produkte. Das wäre nichts anderes als eine Angleichung an das normale Leben: Auch die Erzeuger von Schwedenbomben, edlen Vorhängen oder billigen Autos gehen in Konkurs, wenn ihre Produkte nicht genug nachgefragt werden. Auch für sie gibt es bekanntlich keinerlei Abnahmegarantien oder dauerhafte Direktzahlungen.
Von den gegenwärtigen Methoden zur Ausschüttung des EU-Agrarbudgets profitieren die industriellen Großbetriebe am meisten. Auch diese sollten zwar vollen Anspruch auf gesellschaftlichen Schutz gegen die Attacken der wirren Tierschützer oder militanten grünen Gen-Kämpfer haben. Es gibt aber absolut keinen legitimierbaren Anspruch auf Direktzahlungen oder Abnahmegarantien.
Nur eine Einstellung dieser spezifischen Förderschienen wird die Bauern zu Umstellungen zwingen. Diese würden entweder darin bestehen, ihre Betriebe ganz nach den echten Anforderungen von Sauberkeit, Gesundheit und Umwelt zu orientieren, oder aber Dinge zu produzieren, die von den Konsumenten wirklich zu guten Preisen nachgefragt werden.
Gleich folgt der nächste Einwand: Davon werden aber nicht alle leben können; dann gibt es ein Bauernsterben. Ja das kann man nicht ausschließen. Aber das Bauernsterben, also die Abwanderung in andere Berufe, findet trotz vielfältiger Förderungen schon seit rund 200 Jahren statt. Sonst würde heute noch der Großteil der Europäer mit der Beschaffung des täglichen Brotes befasst sein. Aber zum Glück können dank der ständigen naturwissenschaftlichen und technischen Fortschritte immer weniger Bauern immer mehr (und meist bessere!) Lebensmittel erzeugen.
Auch die Gewerkschaften mussten einsehen, dass es nicht geht, die Beschäftigung von Heizern in E-Loks durchzusetzen. Oder von Bleisetzern in Zeiten des Computerdrucks.
Es gibt also absolut keinen Grund, dass sich die europäischen Staaten zur „Rettung“ von nicht gesunden bäuerlichen Betrieben immer weiter verschulden. Vor allem kann die immer wieder vorgeschobene bäuerliche Armut kein Grund dafür sein. Diese gibt es zwar sicher in einzelnen Bereichen. Aber Armutsbekämpfung ist in allen Branchen und Bereichen eine Aufgabe der Sozialbudgets oder der Familienpolitik. Es gibt ja auch für Schuster oder Greißler oder konkursgefährdete Rechtsanwälte keine Direktzahlungen oder Garantien, dass man ihnen ihre Schuhe oder Lebensmittel abkauft oder ihnen Klientenmandate gibt.
Warum aber gibt es dann immer einen solchen Wirbel gerade um das Agrarbudget? Nun, das hängt zweifellos neben der angesprochenen emotionalen Dimension mit der sehr erfolgreichen Politik der Bauernvertreter zusammen. Auch sozialistische Regierungen wie etwa die jetzige in Frankreich wagen es nicht, die Bauern wie jede andere Berufsgruppe zu behandeln. Und das tun erst recht nicht jene Regierungen, die von bäuerlichen Mandataren mitgetragen werden. Diese gibt es in fast jedem Parlament deutlich überproportional. Auch in Österreichs Nationalrat und den Landtagen sind die Bauern – so wie Beamte und Kammerangestellte – weit stärker vertreten, als es ihrem Anteil an der Bevölkerung oder der Gesamtproduktion entsprechen würde.
PS.: Genauso fragwürdig und fast ähnlich groß wie die Ausgaben für die Agrarpolitik sind übrigens jene für die sogenannte Kohäsionspolitik. Das sind die Unterstützungen für die ärmeren Regionen, die im Wettbewerb mit den erfolgreichen Teilen Europas unterzugehen befürchten. Die Eurokrise zeigt aber, dass diese Kohäsionspolitik absolut nichts bewirkt hat. Denn trotz der Kohäsions-Billionen im Laufe der Jahrzehnte sind gerade die davon profitierenden Länder heute jene, die am schwersten verschuldet sind und die sich am wenigsten wettbewerbsfähig gemacht haben. Sie haben es sich mit den Kohäsionsgeldern gut gehen lassen und müssen nun in ihrer Schuldennot mit neuerlichen Billionen aufgefangen werden. Aber dennoch wird eine kritische Diskussion über die Kohäsionspolitik nicht einmal versucht. Was natürlich den Bauern gegenüber ein wenig ungerecht ist, die immer kritischer beäugt werden.
Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.