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SN-Kontroverse: Welcher Papst wird benötigt?

In jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten gibt es eine Doppelkolumne mit dem Titel „Kontroverse“, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Braucht die Kirche jetzt einen Reformpapst?

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Der Reformstau ist groß

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Die katholische Kirche hat Reformen bitter nötig. Der Reformstau ist groß. Das bedeutet nicht, dass sie ihre christlichen Werte über Bord wirft, sondern diese mit realitäts- und lebensnahen Inhalten, denen sie sich seit ihrer Gründung zutiefst verpflichtet fühlt, mehr als dies derzeit der Fall ist, lebt. Um es mit profanen, politischen Worten auszudrücken: Die katholische Kirche sollte sich wieder mehr den grundsätzlichen Überlegungen des Zweiten Vaticanums (1962- 1965) zuwenden, das als erstes ökumenisches Konzil gilt. An diesem - das mag als Paradoxon des nun zu Ende gehenden Pontifikats von Benedikt XIV. gelten - hat Joseph Ratzinger als junger und "rebellischer" Theologe selbst teilgenommen.

Der Reformstau in der katholischen Kirche betrifft nicht nur ihr Verhältnis zu anderen Religionen, sondern auch gegenüber ihren eigenen Mitgliedern. Zu nennen ist hier u. a. das Verhältnis zur Sexualität, zur Empfängnisverhütung, zur Abtreibung. Es betrifft die Zulassung Geschiedener zur Kommunion, die Frauenordination, die Mitsprache der Laien bei Bischofsernennungen. Helmut Schüller, der Sprecher der österreichischen Pfarrerinitiative, bringt es auf den Punkt, wenn er jene warnt, die meinen, die Kirche könne sich eine Auseinandersetzung mit der modernen Zeit ersparen, oder die gar glauben, sie könnten diese blockieren. Der Sprecher der deutschen Reforminitiative "Wir sind Kirche", Christian Weisner, fordert im "Handelsblatt" ebenfalls massive Reformen ein. Seine Begründung könnte selbst so profan orientierten Menschen wie Frankfurter Bankern einleuchten: "Bei den Banken wird immer gesagt, sie seien ,too big to fail‘, zu groß, um zu scheitern. Bei der katholischen Kirche ist es genau so. Sie gibt sehr vielen Menschen Hoffnung. Es wäre katastrophal, wenn die katholische Kirche zusammenbrechen würde wie der Ostblock."


Was die Kirche wirklich braucht

Andreas Unterberger

Es ist amüsant, wie jetzt alle Welt der katholischen Kirche erklärt, was sie tun soll. Am lautesten sind jene, die am allerwenigsten mit der Kirche am Hut haben. Mit Sicherheit wird aber die Wahl der Kardinäle am Ende ganz anders ausfallen als jene der selbst ernannten Ratgeber.

Denn die Bedürfnisse der Weltkirche unterscheiden sich in jeder Region dramatisch. Der Krise in Österreich oder Deutschland steht etwa ein gewaltiger Boom des Katholizismus, aber auch mancher evangelikaler Gruppen in Afrika, Lateinamerika und Vietnam gegenüber. Gerade in diesen Boom-Ländern ist der Katholizismus viel konservativer, als es bei uns der Zeitgeist meint, der ja in Wahrheit ein letztes Auströpfeln der Altachtundsechziger ist. Auch das Konzil hat zwar viele positive und wichtige Anstöße gebracht, aber es hat auch eine schwere Desorientierung, innere Spaltung und Glaubensverlust in Europa ausgelöst. Deshalb führen die Versuche ins Leere, den Glauben ans Evangelium durch jenen ans Konzil zu ersetzen.

Besonders grotesk sind "Experten"-Ratschläge des Papstattentäters Ali Agca, des Ungehorsampriesters Schüller oder des seit Langem kirchenfernen Adolf Holl, die jetzt auch mit wüsten Verschwörungstheorien zum (zweifellos freiwilligen) Papstrücktritt mancherorts Gehör finden.

Die Kirche hatte zuletzt einen Charismatiker und dann einen Jahrhunderttheologen als Papst. Jetzt spräche viel für ein führungs- und organisationsstarkes Oberhaupt. Das Chaos im Vatikan ruft - übrigens so wie jenes in der heimischen Kirche - nach dem, was man Leadership nennt. Wenn er das schafft, wird sich der neue Papst auch mit den Geschiedenen und dem Zölibat befassen können, wo ja auch gemäßigte Katholiken mit Änderungen rechnen. Alle anderen Ideen, eine zweitausendjährige Institution auf den Kopf zu stellen, sind hingegen Geschwätz von Menschen, denen die Kirche völlig egal und fremd ist.

 

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