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Die Postgewerkschaft droht wieder einmal mit Streik. Sie fürchtet sich vor Mehrarbeit, während sich kaum noch jemand vor der Postgewerkschaft fürchtet. Wie aber sieht nun wirklich die Post-Realität aus?
Am Tag der Streikdrohung stehe ich in der Schlange vor den drei Schaltern meines Postamtes. Bei meinem Eintreten wird auch noch überall gearbeitet. Aber während dieses Wartens fällt mir mit zunehmender Nostalgie der Supermarkt und das dortige Arbeitstempo ein, das ich eine halbe Stunde vorher erlebt habe. Denn: Eine Postlerin schließt trotz der Warteschlange plötzlich – um 10,20Uhr vormittags – ihren Schalter und taucht in der Folge nie wieder auf. Am zweiten Schalter beginnt der dahinter sitzende Amtsträger eine Plauderei mit einem Pensionisten, der offensichtlich vor Jahrzehnten selber Postler gewesen ist. Eine Viertelstunde lang können die wutschnaubenden Wartenden der lauten Unterhaltung darüber zuhören, wie gut es einst bei der Post gewesen sei. Und wie sehr deren Mitarbeiter heute ausgebeutet werden. Der Schalterbeamte sieht die erzürnten Kunden – und genießt ganz offensichtlich darob die gemütliche Plauderei doppelt. Ach ja, die Dame am dritten Schalter. Sie schickt eine Kundin wieder zurück in die Warteschlange, weil sie noch etwas zu tun habe. Nach drei Minuten beginnt sie aber dann tatsächlich in aller Ruhe die Wünsche der Kunden aus der Warteschlange zu bearbeiten. Diese wird freilich immer länger. Warum wohl?
Und das alles war wohlgemerkt noch nicht der Streik. Auch wenn der Unterschied nicht sehr auffällt.