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Nur kein Zipfelchen der Macht abgeben!

Dieses „Demokratiepaket“ als „umfangreich“ zu bezeichnen, ist reichlich kühn. Aber der Konsens zwischen den beiden Regierungsparteien reicht halt offensichtlich nicht für mehr. In Wahrheit hat dieses Paket nichts mit direkter Demokratie zu tun. Es ist Kosmetik, die nichts an den Machtmechanismen ändert. Erstaunlich ist nur, dass die Volkspartei so kampflos auf eine Umsetzung ihres ambitionierten Vorstoßes verzichtet, den Parteiobmann und Jugend-Chef noch vor ein paar Monaten präsentiert haben.

Über allen Paragraphen dieses Mini-Pakets ist Ruh. Nur kein Zipfelchen der Macht abgeben, lautet seine eindeutige Devise.

Weniger eindeutig ist das Verhalten der ÖVP: War ihren Funktionären der eigene Ruf nach einer echten direkten Demokratie selbst unheimlich geworden? Oder haben ihr die in der Umgebung von Politikern besonders häufigen dümmlichen Ratgeber (also vor allem die geschniegelten und halbgebildeten Kabinettsmitarbeiter mit einem Pseudo-Studium à la Politologie oder Publizistik) und Kronenzeitungs-Gläubigen wieder einmal einen Unsinn eingeredet? Nämlich dass es der ÖVP irgendetwas nutzen würde, wenn sie Wonne und Eintracht mit der SPÖ simuliert (während deren Chef den Schwarzen soeben „Unanständigkeit“ vorgeworfen hat)? Begreifen die Schwarzen denn nicht, dass sie nur dann noch eine Überlebens-Chance haben, wenn sie endlich ein eigenes Profil demonstrieren, das in etwas mehr bestehen müsste als in neuen Jungunternehmerförderungen?

Warum beharrt die ÖVP nicht auf einem echten Paket zur Einführung der direkter Demokratie? Dieses könnte aber auch rund um den Wahltermin gemeinsam mit zwei Oppositionsparteien beschlossen werden. Am besten zusammen mit einer Privatisierung des ORF, mit echten Studienzulassungs-Regeln und einer Abschaffung des staatlich verordneten Genderismus. Das wäre ja durchaus legitim, hat doch beim letzten Mal die SPÖ diesen Zeitraum im politischen Niemandsland nach Platzen einer Koalition ihrerseits für einen milliardenschweren Raubzug aufs Budget ausgenutzt. Da könnte man ja diesmal den Spieß umdrehen und mit dem gleichen Recht auch einmal etwas Sinnvolles machen. Wenn man noch irgendeinen Mumm in den Knochen hätte.

Aber, so werden manche einwenden, bringt das Paket nicht doch etliches?

Nun ja, es ist ganz nett, wenn ein Nationalratskandidat mit sieben Prozent der Stimmen von einem hinteren Listenplatz aus nach vorne rutschen kann. Nun ja, es ist ganz nett, Volksbegehren künftig auch elektronisch unterstützen zu können. Nun ja, es ist ganz nett, dass es jetzt zu jedem Volksbegehren mit mehr als 100.000 Unterschriften eine Sondersitzung in Nationalrat geben wird. Nun ja, es ist ganz nett, dass künftig 10.000 Bürger eine Anfrage an einen Minister stellen können.

Aber auch in der Summe ist das alles unbedeutend und ändert nichts an der Qualität unserer von schwerem Vertrauensmangel erschütterten Demokratie.

Man nehme nur den letztgenannten Punkt und vergleiche: In Skandinavien braucht man keine 10.000 Unterschriften; dort kann jeder einzelne Bürger eine Anfrage stellen; er bekommt dann sogar volle Akteneinsicht und nicht nur die hierzulande üblichen Schmecks-Antworten von Ministern, mit denen schon seit vielen Jahren die jeweiligen Oppositionsabgeordneten abgespeist werden.

Vor allem aber fehlt das entscheidende Vorhaben aus dem einstigen ÖVP-Papier: Dass nämlich so wie in der Schweiz die Bürger eine bindende Volksabstimmung erzwingen können; dass nach einem ausreichend unterstützten Volksbegehren das Parlament diesem entweder zustimmen oder ein Entscheidungsreferendum ausschreiben muss.

Nur solche Maßnahmen wären eine echte Rückgabe eines Teils der Macht von der Politikerklasse an den Souverän gewesen. Aber dem trauen die Parteien halt auch weiterhin nur Unsinn zu – während sie sich insgeheim vor allem vor der eigenen Entmachtung fürchten.

Dabei stoßen wir ständig auf Beweise für die Dummheit, Schmierigkeit und Ahnungslosigkeit der politischen Klasse. Nur ein paar Exempel aus den letzten Stunden:

  • Da behauptet etwa Bundeskanzler Faymann, dass „ganz Skandinavien“ bei den Pisa-Tests „die ersten Plätze“ gewinne. Das ist freilich völliger Holler. Das stimmt bloß für Finnland. Schweden ist hingegen seit neun Jahren nicht mehr unter den ersten Zehn gewesen. Dänemark, Island und Norwegen sind noch nie in einer Pisa-Gesamtwertung unter den ersten Zehn gelandet.
  • Da erlässt Wirtschaftsminister Mitterlehner eine Verordnung, dass die öffentliche Hand Aufträge bis zu 100.000 Euro freihändig, ganz ohne Ausschreibung vergeben kann (früher war die Grenze bei 40.000!). Das bedeutet nichts anderes als die weite Öffnung der Tore für kleine und große Korruptionisten in Politik, Verwaltung und Wirtschaft. Diesen kann man bei ihrem schmierigen Agieren so gut wie nie auf die Schliche kommen, solange sie nur die geschobenen Aufträge auf fünfstellige Zahlen aufteilen.
  • Da zeigt die erste Veröffentlichung gemäß dem Medientransparenzgesetz, dass dieses Gesetz – wie im Tagebuch prophezeit – keinerlei Rückgang des korrumpierenden Inseratenstromes aus öffentlichen Kassen Richtung Medien ausgelöst hat. Dieser Strom erreicht statt dessen im Jahresschnitt satte dreistellige Millionenzahlen, also ungefähr das Zehnfache der offiziellen und sauberen Presseförderung. Bei Medien müssen ja nicht einmal 100.000-Euro-Aufträge ausgeschrieben werden. Bei Medien bleibt nicht nur die Höhe der Zahlung dubios, sondern vor allem die Frage, ob die Leistung überhaupt notwendig ist.
  • Da wird uns in Wien ziemlich unverhohlen angedeutet, dass nach der „Heizsaison“ die Preise für Strom, Gas und Fernwärme wieder einmal steigen werden. Der Grund ist nicht etwa die Entwicklung der Weltmarktpreise – diese sinken ja derzeit zum Teil kräftig! – sondern das Vorhaben der Rathausbosse, die üppigen Pensionen der dortigen Gemeindeangestellten (und zugleich letzten sicheren SPÖ-Wählergruppe) mit höheren Rücklagen abzusichern. Das sind Pensionen, die weit höher sind als jene der meisten Strom- und Gaskunden.
  • Da ärgert sich ganz Wien über die Fragen für die Wiener Volksbefragung, die nur noch als Pflanz und Ablenkungsmanöver zu verstehen sind.

Und die für all das verantwortliche Politik wagt es  – samt ihren medialen Wasserträgern –, die Bürger weiterhin als unfähig darzustellen, über ihre eigenen Angelegenheiten zu entscheiden. Ob sie solche Behauptungen wenigstens noch selber ernst nehmen kann?

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