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Roter Blecha-Beton und schwarzer Berater-Schwampf

ÖVP und SPÖ wenden sich endlich wieder Grundsatzfragen zu. Das klingt prinzipiell gut und erfreulich. Es hapert aber sehr beim Wie.

Das trifft besonders auf die SPÖ zu: Diese lässt allen Ernstes einen Karl Blecha das Grundsatzprogramm schreiben. Das macht absolut fassungslos. Nicht wegen Blechas Alter; schon viel mehr wegen der schwarzen Punkte in Blechas Lebenslauf, in dem er auch unrühmliche Bekanntschaft mit Strafgerichten machen musste; vor allem aber wegen des politischen Stils und praktisch sämtlicher Inhalte, für die Blecha in den letzten Jahren gestanden ist.

Kaum einer verkörpert so brutal den Stil des Auf-den-Tisch-Hauens, der machtbewussten Unnachgiebigkeit und des Beharrens auf unfinanzierbaren inhaltlichen Forderungen. So ist die Person Blecha das entscheidende Hindernis gegen die zweifellos wichtigste Reform, vor der Österreich steht: Das wäre ein Hinaufsetzen sowohl des realen wie auch des gesetzlichen Pensionsantrittsalters. Wenn sich jetzt die Faymann-SPÖ ausgerechnet auf diesen Blecha als Programmschreiber festlegt, dann zeigt sie den Rückzug auf die letzte verbliebene Wagenburg: Pensionisten und Arbeitsunwillige.

Dagegen klang das Projekt der ÖVP mutig und progressiv: Parteichef Spindelegger hat rund 300 Experten vor allem aus der Wirtschaft werken lassen. Diese haben nun ihr Produkt vorgelegt.

Aber auch das enttäuscht enorm. Zwar scheint es in den letzten Wochen gelungen, besondere Dummheiten abzubiegen, die etliche linke Manager ins Programm zu schmuggeln versucht hatten, wie etwa die Gesamtschule. Aber zugleich ist der Beweis erbracht, dass 300 mehr oder weniger selbst ernannte Experten noch keineswegs eine Garantie für einen großen Wurf sind, geschweige denn einen konsistenten oder konkret umsetzbaren.

Stehsätze aus den Power-Point-Präsentationen von Unternehmensberatern und die Aufsummierung von undurchdachten Schlagworten, die Arbeitskreisteilnehmer auf eine Flip-Chart schreiben, rechtfertigen vielleicht das Honorar eines Seminarveranstalters (Standardangebot für ein Wochenende: „Wie stellen wir uns unsere Firma im Jahr 2025 vor“ samt Luxushotel mit Wellnessbereich und Barbetrieb bis 3 Uhr früh). Sie bringen aber niemanden weiter. Das Ergebnis ist ein atemberaubender Offenbarungseid der Berater- und Manager-Klasse: verschwurbelte Zukunfts-Phantasien statt konkrete Lösungen.

Irgendwie kann man bei Durchlesen der Texte verstehen, dass selbst Initiator Spindelegger das Papier nur mit zwei sehr spitzen Fingern angreift: „Vieles gefällt, manches gar nicht.“ Eigentlich sei es ihm ja ohnedies nur um die Anregung der politischen Diskussion gegangen.

Irgendwie schade. Denn gerade Spindelegger hätte externe Dynamik sehr gut brauchen können, nachdem er sie ja in seiner desorientierten Partei derzeit kaum vorfindet.

Freilich: Ausgerechnet jener Punkt, von dem sich Spindelegger sofort expressiv verbis distanzierte, wäre absolut sinnvoll, nämlich eine Aufweichung des Kündigungsschutzes für über 50-Jährige. Offenbar begreift der ÖVP-Chef so wie viele andere nicht: Dieser Kündigungsschutz ist die zweitwichtigste Ursache (nach den absurden Kollektivverträgen und Gehaltsschemata, die ältere Arbeitnehmer viel zu teuer machen), weshalb man oft schon nach dem 45. Geburtstag nur noch viel schwerer denn in jüngeren Jahren einen neuen Arbeitsplatz findet, und weshalb Endvierziger überdurchschnittlich oft gekündigt werden.

Viel ärgerlicher sind die Vorschläge der Expertengruppe in zwei anderen Bereichen: Der erste betrifft die Anhebung der Lehrerarbeitszeit auf 40 Wochenstunden. Zwar kann und soll man die Lehrer-Urlaube deutlich reduzieren. Zwar kann man auch bei der Wochenarbeitszeit ein bisschen drehen. Aber wer einmal Erfahrung darin gesammelt hat, ein paar Stunden lang pubertierende Knaben und Mädchen zu unterrichten, der weiß, dass das eine viel erschöpfendere Tätigkeit als fast jede andere ist. Lehrer-Bashing ist noch kein Bildungskonzept.

Ansonsten wimmelt es gerade in diesem Kapitel von Schlagworten praxisfremder Theoretiker, wie es etwa der Ruf nach einer Umstellung des Unterrichts von Fächern auf einen Fächerkanon ist. Gerade bei Wirtschaftsleuten wäre man auch für Antworten dankbar, wie denn etwa die Reduktion der Schulklasse auf 15 Schüler und die als Voraussetzung für jede erhöhte zeitliche Präsenz notwendige Verbesserung und räumliche Vergrößerung der Lehrerarbeitsplätze finanziert werden soll. Das deutet darauf hin, dass die noble Träumergruppe die Lehrer wirklich 40 Stunden in Klassen stellen und nicht „nur“ im Schulgebäude anwesend haben will.

Der zweite absolut dumme Vorschlag betrifft das bei großen Managern schicke Verlangen nach einer erleichterten Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis für Ausländer. Offenbar ist an den noblen Damen und Herrn in ihren Nobelvillen vorbeigegangen, was in Österreich wirklich los ist: Das Land hat heute schon – nicht erst 2025 – einen der höchsten Anteil von Ausländern in ganz Westeuropa!

Die den "Experten" offenbar unbekannten Zahlen: 1,6 Millionen der hier lebenden Menschen sind Migranten. Bei den 1- bis 2-Jährigen sind es gar schon über 40 Prozent. Noch schlimmer ist der Umstand, dass die Migranten in keinem Land in so hohem Ausmaß eine andere Familiensprache sprechen: Laut Pisa sind das über 77 Prozent. Oder wenn wir konkret von türkischen Zuwandererfamilien reden: Da wird bei uns in 89 Prozent der Familien nicht deutsch gesprochen, in Deutschland beträgt der Vergleichswert für Familien mit türkischer Abstammung hingegen 66 Prozent, in Dänemark 34. Und unter den in Österreich lebenden Menschen im arbeitsfähigen Alter liegen unter Zuwanderern aus der Türkei bei Männern und Frauen die Werte der auch wirklich Berufstätigen weit unter dem Prozentsatz der im Land Geborenen.

Es ist eine absolute Zumutung, wenn da nach noch mehr Zuzug gerufen wird. Und wenn sich eine Gruppe, die das dennoch tut, als „Experten“ zu bezeichnen wagt. Es kann nur ein Haufen wirklichkeitsfremder Sozialutopisten sein, die offenbar noch mehr Zuwanderung schlecht gebildeter und kulturell nicht integrationsbereiter Sozialmigranten in das aufgeblähte Wohlfahrtssystem Österreichs wünschen. Denn genau das hat nachweislich die Zuwanderung der letzten drei Jahrzehnte gebracht.

Aber neben dem Beweis der Ahnungslosigkeit von Managern zu Migrations- und Bildungsthemen sollte man gewiss auch die positiven Punkte des Papiers „Unternehmen Österreich 2025“ nicht vergessen:

  • Ein Börsegang aller öffentlichen Unternehmen und Beteiligungen: Dieser wäre nach den Skandalen rund um Telekom, ÖBB & Co dringender denn je.
  • Abschaffung von Steuerbegünstigungen (vom Gewinnfreibetrag bis zur Begünstigung des 13. und 14 . Gehalts).
  • Ein vereinfachtes Tarifmodell mit einem niedrigeren Eingangs- aber auch einem niedrigeren Spitzensteuersatz von 43 und langfristig 40 Prozent.
  • Einbeziehung der Sozialversicherung in die Einkommensteuer.
  • Direktoren suchen sich die Lehrer frei aus, Eltern suchen sich die Schule frei aus (wenigstens ein brauchbarer Schul-Vorschlag).
  • Abschaffung einer der fünf Verwaltungsebenen (Gemeinde/Bezirk/Land/Bund/EU).
  • Mehr direkte Demokratie.
  • Anhebung des Pensionsantrittsalters.
  • Mehr Möglichkeiten für Betriebsvereinbarungen zur Abweichung von Kollektivverträgen.

Aber auch in all diesen lobenswerten Punkten darf man anmerken: Neu ist da nicht viel. Leser des Tagebuchs kennen praktisch all diese Ideen schon lange.

Wirklich ernst zu nehmen wäre das alles erst, wenn man von der blumigen Unverbindlichkeit der Utopie auch zumindest ein wenig in die haarigen Details gegangen wäre, also wenn man beispielsweise konkret gesagt hätte, welche der fünf Verwaltungsebenen denn auf welche Art und Weise abgeschafft werden soll. Wer nicht mehr Konkretheit zu bieten hat als ein Frank Stronach, der langweilt nur noch.

Die Weltverbesserungspläne aus noblen Herrenklubs werden im Licht der wirklichen Welt in Zeiten wie diesen recht fadenscheinig. Vor allem wenn die Fülle an Phrasen und nett klingenden Allgemeinplätzen locker die schon sonst sehr schmerzhafte Lyrik von Parteiprogrammen übertrifft. Ich kann sie gar nicht alle aufzählen, die hundert Mal gehörten Schlagworte: „Paradigmenwechsel“, „Bereitschaft zur Änderung“, „Fokus und Effizienz“, „ein neues Selbstverständnis unserer Innivationskultur“, „eine Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen innovativer Bereiche“, „eine positive Einstellung der Gesellschaft“, „ein schlanker Staat“, und so weiter, und so fort. Gewäsch, Gewäsch, Gewäsch.

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