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Christen glauben an die Auferstehung. Aber nicht einmal mehr die Wähler der beiden Koalitionsparteien haben noch an ein Post-mortem-Lebenszeichen dieser Koalition geglaubt. Umso mehr muss dieses fast wie ein Wunder vermerkt werden – vor allem weil es sich nicht nur um ein, sondern gleich zwei Lebenszeichen handelt, die beide diese Woche zu beobachten sind. Irgendwie ist man verwirrt: nicht einmal auf den Tod ist mehr Verlass.
SPÖ und ÖVP sind also doch noch imstande, über ihre üble Rolle als Abwürger des U-Ausschusses hinaus auch noch positive Sacharbeit zustandezubringen. Sie haben sich gleich in zwei wichtigen Fragen geeinigt: Bei der Neuregelung der Kinder-Obsorge nach Scheidungen und Trennungen wie auch bei der elektronischen Gesundheitsakte Elga.
Beide Einigungen scheinen fix zu sein, auch wenn bis zum Abdruck eines Gesetzestextes im Bundesgesetzblatt noch viele Schritte zu erledigen sind. Dabei waren beides Fragen, um die schon jahrelang gerungen worden ist. Dabei haben sich beide Male kleine, aber parteiintern einflussreiche Wählergruppen quergelegt: in einer Frage die radikalen Feministinnen auf Seiten der SPÖ und in der anderen die Ärztekammer auf Seiten der ÖVP.
Beide Male hat man den Bedenkenträgern lange zugehört. Am Schluss aber sind die Feministinnen ganz auf der Strecke geblieben. Und die querschießenden Ärztevertreter großteils.
Was aber am Wichtigsten ist: Beide Male sind letzten Endes sogar sehr brauchbare Lösungen mit nur kleinen Schönheitsfehlern herausgekommen. Was ja alles andere als koalitionstypisch ist.
Gewiss: Eigentlich sollte man mit einem Urteil noch warten, bis beide Regelungen wirklich in Tücher gewickelt sind. Denn in der Politik ist bis zuletzt jedes Unheil möglich. Aber dennoch sei schon jetzt zumindest eine erfreute Zwischenbilanz gezogen. Offenbar steckt den Regierungsparteien im letzten Jahr vor der Wahl nun doch ein großes – und heilsames – Maß an Angst vor einem Debakel in den Gliedern.
Die positive Energie von Rot und Schwarz darf man aber auch nicht überschätzen. Denn zugleich wird ja von einer saftigen Erhöhung der Grundbuchgebühren bis zur geplanten Transaktionssteuer wieder heftig an neuen Dummheiten gebastelt. Die uns in der nächsten Zeit noch genug befassen werden.
Zumindest bei der Einigung über das Obsorgethema muss man auch klarmachen, dass diese wohl nicht zustandegekommen wäre, wenn nicht der Europäische Menschenrechtsgerichtshof die einseitig Frauen privilegierende Justizpraxis in Österreich verurteilt hätte (und dann in der Folge auch der sonst ja weniger mutige Verfassungsgerichtshof). Die heftigen Querschüsse der männerhassenden Grünen zeigen jedenfalls, dass da ein wichtiger und positiver Schritt gesetzt worden ist.
Hinter allen koalitionären Wortkaskaden, mit denen getarnt werden soll, dass da eine Seite nachgeben musste, ist doch eines Faktum: In Österreich gibt es künftig so etwas wie die gemeinsame Obsorge als Normalfall, die von der SPÖ lange bekämpft worden war.
Es gibt künftig keine automatische Bevorzugung der Mütter ehelicher wie auch unehelicher Kinder mehr. Ganz eindeutig haben die Familienrichter künftig den Auftrag, das Kindeswohl im Zentrum zu sehen. Sie können daher im Gegensatz zur Gegenwart auch ledigen Vätern die Obsorge zusprechen. Sie können im Gegensatz zur Gegenwart auch dann eine gemeinsame Obsorge dekretieren, wenn sich eine Seite dagegen ausspricht. Das haben ja in so manchen Fällen vor allem Mütter gemacht, sei es um damit sonstigen finanziellen Forderungen Nachdruck zu verleihen, sei es um Rache für empfundenen Schmerz zu nehmen. Was natürlich nichts daran ändert, dass wohl auch künftig zu Recht ein wenig öfter Mütter als Väter die Obsorge erhalten dürften, wenn die Gemeinsamkeit absolut nicht funktioniert.
Die nun beschlossene Phase der „vorläufigen elterlichen Verantwortung“ für (mindestens) die ersten sechs Monate nach einer strittigen Trennung bedeutet de facto eine Fortsetzung des Zustandes vor der Trennung (also meist: gemeinsame Obsorge) und keinen plötzlichen Bruch. Beide Seiten haben in dieser Zeit das Recht auf Kontakte zu den Kindern. Und beide Seiten können und sollen in dieser Zeit zeigen, ob sie ihrer Verantwortung für die Kinder ordentlich nachkommen.
Wenn das, was politisch jetzt vereinbart worden ist, von den Gerichten auch ordentlich (und nicht bequem) umgesetzt wird, dann haben Kinder künftig auch eine viel bessere Chance, dass keine Seite mehr die Kontakte zum anderen Elternteil unterbinden kann. Gleichgültig ob das nun rechtlich oder „nur“ durch praktische Schikanen versucht wird. Wobei ja Besuchsrechte wohlgemerkt auch jenen Elternteilen zustehen, die aus welchen Gründen immer keine Obsorge haben. Dazu soll es nun sogar Besuchsmittler geben, die bei Konflikten angerufen werden und auch überprüfen können, ob das Besuchsrecht eingehalten wird.
Lediglich zwei Details an der Neuregelung sind unbefriedigend: Erstens können nun Kinder auch die Doppelnamen bekommen, die ihre Eltern (oder Mütter) tragen. Diese Doppelnamen sind zweifellos in vielen Fällen nicht nur grotesk und umständlich, sondern oft auch eine Last, die den Kindern als Folge der Entscheidungsunfähigkeit der Eltern auferlegt wird. Wer die Einigung auf ein Ja-Wort schafft, sollte auch die auf den Familiennamen der Kinder schaffen.
Zweitens werden die Familienrichter jetzt zwar angeblich durch Psychologen entlastet. Was auch immer deren Hilfe außer einer Job-Beschaffung wirklich wert sein mag, bleibe offen. Aber nicht offen kann bleiben, dass die Familienrichter keine Aufwertung erfahren. Dadurch bleiben sie meist ungeliebte Anfangs-Posten in einer Richter-Karriere, von denen sich fast jeder möglichst rasch wieder wegbewirbt.
Familienrichter zu sein, erfordert aber viel mehr Lebenserfahrung als etwa die Beurteilung eines Verkehrsunfalls. Und Rosenkriege sind zweifellos auch für den Richter emotional belastender als jene Justizbereiche, wo es etwa „nur“ um Geld geht. Überdies sind ja auch die rein wirtschaftlichen Kosten eines Scheidungs- und Unterhalts-Urteils im Lauf der Jahrzehnte oft viel höher als in klassischen Zivilprozessen. Daher wäre ein Aufwertung der Familienrichter in finanzieller und karrieremäßiger Hinsicht zweifellos ein noch wichtigerer Beitrag zur Hilfe für auseinanderbrechende Familien.
Aber zumindest in diesem Punkt ist Nachbesserung ja noch jederzeit möglich. Und wahrscheinlich ist bei einer besseren Auswahl der Familienrichter auch das Geld besser investiert als bei dem nun geplanten Einsatz von Psychologen auf Staatskosten.
Ebenso im Wesentlichen tauglich erscheint die Lösung rund um die elektronische Gesundheitsakte. Dass alle teuren Befunde wie Röntgen oder Labor-Ergebnisse künftig zentral gespeichert werden müssen (und weitere ärztliche Diagnosen je nach Entscheidung des Arztes gespeichert werden können), kann zweifellos einige Einsparungen bringen. Aus Erfahrung wissen wir freilich, dass Einsparungen selten so groß sind, wie von der Politik anfangs erhofft beziehungsweise versprochen werden.
Zweifellos werden nur sehr wenige Österreicher das ihnen nun zugebilligte Opting-out wahrnehmen. Warum sollten sie auch? Alle Umfragen sprechen für eine Popularität dieser zentralen Speicherung. Damit ist auch ein Opting-out unbürokratischer und billiger als das von den Ärzten vorgeschlagene Opting-in. Schon bei der Organspende-Regelung hat sich diese Lösung als überlegen gezeigt (wie etwa heute auch fast alle deutschen Experten und Ärzte zugeben, die in diesem Bereich mit einem Opting-in leben müssen).
Lediglich in einem Punkt ist den Bedenken der Ärzte voll zuzustimmen. Das ist die unzureichende Nutzerfreundlichkeit der vorgeschriebenen Software: Die Daten eines Patienten können nicht gezielt nach relevanten Informationen durchsucht werden. Sie müssen daher bei jedem Patientengespräch im Grunde von A bis Z durchgeschaut werden, soll der Arzt nicht haftbar werden. Das ist unzumutbar und würde die Ordinationszeiten unendlich ausdehnen. Da hat die Politik noch einen gewaltigen Verbesserungs- oder zumindest Erklärungsbedarf.
Weitgehend unsinnig sind hingegen die lange vorgeschobenen Datenschutz-Bedenken mancher Ärzte. Erstens teilen die Bürger diese mehrheitlich nicht. Zweitens sind die wichtigsten Gesundheitsdaten ohnedies längst über die Krankenkassen gespeichert, ohne dass der Datenschutz dabei irgendwie zu einem Thema gemacht worden wäre; von den Computern der Spitäler und Arzt-Ordinationen gar nicht zu reden, die mit Sicherheit noch viel leichter für neugierige Hacker zu knacken sind. Und drittens kann man sich immer für die Rolle eines Privatpatienten entscheiden, der ja keine Leistungen auf Kosten der Allgemeinheit in Anspruch nimmt und sich daher röntgenisieren lassen kann, so oft er will – und sooft es sein Körper aushält.
Vor einem sollte sich die Politik aber hüten: zu glauben, dass damit die Explosion der Gesundheitskosten wirklich eingedämmt wäre. Ohne eine Ersetzung des negativen Kostenzuschiebungs-Wettbewerbs zwischen Ordinations- und Spitals-Medizin durch einen positiven Effizienz-, Qualitäts- und Sparsamkeits-Wettbewerb zwischen alternativ wählbaren Krankenversicherungen wird das nie und nimmer gelingen. Denn sonst werden Patienten weiterhin bloß deshalb in Spitäler abgeschoben, weil das dort die Länder und nicht mehr die Krankenkassen belastet. Österreich kann es sich nicht mehr lange leisten, die Weltrekordzahl in Sachen Spitalsaufenthalte zu halten.