Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Es ist die liebste Freizeitbeschäftigung an Österreichs Stammtischen geworden: über neue Parteien zu diskutieren. Der Frust mit dem Istzustand ist groß, obwohl Umfragen (noch) eine erstaunliche Zufriedenheit der Bürger mit ihren eigenen Lebensumständen zeigen. Aber SPÖ und ÖVP strahlen deutliche Ermüdungserscheinungen aus. Auch die drei Oppositionsparteien haben Attraktivität und Schwung verloren. Da wenden sich naturgemäß viele Blicke der großen Zahl neu entstehender Parteien zu. Diese Neugründungen sollten freilich froh sein, wenn die potenziellen Wähler nicht allzu genau hinschauen. Denn auch bei ihnen stößt man auf viel Ernüchterndes. Und ihre primäre Stärke scheint nur darin zu bestehen, dass sie halt selber noch nie zur Wahl gestanden sind.
Bei Frank Stronach, dem Mann mit dem großen Inseratenbudget, scheint es ja sogar durchaus bewusste Strategie zu sein, nicht sonderlich präzise zu klären und erklären, wofür er eigentlich genau steht. Denn kaum wird der Ex-Industrielle genauer, muss er seine Slogans gleich mehrmals grundlegend ändern. Siehe seine Euro-Vorschläge.
Für rund zehn Prozent der Österreicher scheint es aber ohnedies zurm Verfall in Begeisterung zu genügen, dass Stronach für eine Flat tax und ein ausgeglichenes Budget eintritt (was bei genauerem Hinhören auf seine Wortkaskaden freilich auch wieder nicht so wörtlich gilt), und vor allem, dass er halt sein eigenes Geld ausgibt. Was im Vergleich zum Faymannschen Inseraten-Skandal ja schon eine ziemliche Leistung ist.
Die Korruptionsvorwürfe gegen Stronach rund um ein Schloss am Wörthersee (die auch die Kärntner Freiheitlichen treffen) sind zwar anrüchig – aber wirkungslos. Sind sie doch allzu auffällig unmittelbar nach Bekanntgabe seiner Kandidatur hinausgespielt worden. Was naturgemäß den Vorwürfen die Glaubwürdigkeit nimmt, selbst wenn sie stimmen sollten.
Ansonsten präsentiert der Austrokanadier einige sympathisch klingende Überschriften. Aber bei vielen der Wortkaskaden Stronachs weiß man auch beim zwanzigsten Mal nicht, was Phrasen wie „sozialökonomische Gerechtigkeit“ eigentlich heißen sollen. Und nie wird klar, wie und wo er denn die bei einem ausgeglichenen Budget nötigen Einsparungen konkret vornehmen will, oder was Stronach unter einem „zivilisierten“ Verwaltungsabbau eigentlich versteht.
Aber warten wir halt voller Skepsis bis aufs Frühjahr. Denn dann soll es von ihm endlich Konkreteres geben. Dann müsste Stronach endlich auch halbwegs interessante Persönlichkeiten gefunden haben, die hinter ihm die Nummer 2 und 3 spielen. Bei einem 80-Jährigen wäre es ja schon eine Zumutung, wenn die Partei nur aus einem einzigen Mann besteht, und wenn für seine Partei im Parlament nur willenlose Befehlsempfänger ohne Profil sitzen sollten, die bisher als Hinterbänkler und Befehlsempfänger anderer noch keinem Wähler aufgefallen sind.
Keine Chance, der Bedeutungslosigkeit zu entkommen, hat hingegen der Versuch einer weiteren Gruppierung, durch eine gemeinsame Kandidatur einen Bogen von den Piraten über die Christen und noch viele andere bis zu den sogenannten Mutbürgern zu ziehen. Piraten wie Christen werden, so viel man hört, nun wohl doch getrennt in die Schlacht ziehen. Und solcherart natürlich auch chancenlos bleiben.
Die verbleibenden „Mutbürger“ müssen zunehmend erkennen, dass die verbreitete, aber dumpfe Wut noch keine tragfähige und gemeinsame Basis für Politik ist. Denn unter dieser Überschrift haben sich sowohl sehr weit rechts wie sehr weit links stehende Gruppierungen zusammengefunden. Phrasen wie „Neue politische Kultur schaffen“ oder „Sicherung von Arbeit und Wohnen“ sind genauso langweilig wie die Altparteien.
Diesen Altos versucht sich nun auch eine neue Gruppe von „Neos“ gegenüberzustellen. Auch diese hat vor ihrem Start wohl mehr Sympathie gefunden als nachher. Denn der Blick auf das Programm der Neos rund um den Vorarlberger Matthias Strolz reißt nicht gerade vom Sessel.
Ganz abgesehen davon, dass die Gruppe ohne Geld dasteht; dass auch bei ihr zumindest vorerst kein bekannter Name zu finden ist („Details zum Team folgen“, liest man auf der Homepage – jedoch nicht, wann denn das sein wird); und dass die Parteigründung an einem toten Samstag eines langen Wochenendes keine sonderliche Kommunikations-Professionalität signalisiert.
Auch ist die Selbstdefinition der Neos ziemlich wirr: Sie sprechen davon, dass sie zu einem Drittel aus bisherigen Grünwählern bestehen, einem weiteren Drittel aus „vor allem ÖVP“ und dem Rest aus LIF, heimatlosen Liberalen, SPÖ und Wechselwählern. Also alles, nur nicht Blau oder Orange. Diese wilde Mischung zeigt zwar den gemeinsamen politischen Frust einer Sandwich-Generation, aber keinen klaren politischen Standort.
Stronach hat hingegen instinktiv (oder gar nach Studium der demoskopischen Daten?) richtig erkannt, dass der größte freigewordene Platz im Wählerspektrum jener rechts der ÖVP ist. Hat diese doch in der großen Koalition ihre Identität verloren. Er fordert daher strengere Regeln für Asyl und Zuwanderung (wie immer freilich ohne jede Präzisierung) und er zeigt sich sehr EU-skeptisch (wie immer freilich ohne jede Präzisierung).
Dieser politische Grundinstinkt fehlt den Neos hingegen. Sie sind überall und nirgends. Am ehesten trifft noch das Vokabel linksliberal auf sie zu. Das ist jene kleine Nische, in der schon Heide Schmidt untergegangen ist.
Dafür haben die Neos unter den Neugründungen wenigstens das erste ausführlichere Programm, mit dem es sich auseinanderzusetzen lohnt. Da gibt es, auf einen Nenner gebracht, etliche tolle und sympathische Ideen, aber auch etliches Abschreckendes und Ernüchterndes.
Zuerst seien einige der besonders auffälligen Negativa aufgezählt:
In der Summe: Neos bietet das typische Kunterbunt-Produkt von Brainstormings, ebenso wie auch das jüngste von Michael Spindelegger beauftragte Expertenpapier. Darin findet sich immer Vielerlei Gutes wie Blödes aufaddiert. Aber das Endergebnis ist nicht aus einem Guss, es entbehrt der in der Politik immer entscheidenden Emotion, und es zeigt keinen klaren, konsistenten und widerspruchsfreien politischen Gestaltungsanspruch. Das Neos-Papier klingt eher nach einem Zusammentreffen offenbar von ein paar Lehrern, Steuerberatern, Managern und EU-nahen Jungdiplomaten in einem Berater-Seminar. Interessante Menschen, aber halt nicht wirklich eine Basis für einen politischen Start.