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Ich verlange ein Jahr ohne Tage

Wir hatten gerade den Nationalfeier-Tag, jetzt steht uns der Reformations- und Weltspar-Tag ins Haus. Das ist aber nur die Spitze des Eisbergs.

Jedes Jahr gibt es Dutzende zusätzliche Tage mehr. Natürlich nicht Tage im Sinne eines Schaltjahres, sondern weil halt irgendein Verein, eine internationale Organisation oder – gegen teures Geld – eine PR-Agentur im Namen kommerzieller Interessen einen „Tag des . . .“ ausgerufen hat. Längst ist der Überblick verloren gegangen. An manchen Tagen wären eigentlich schon mehr als zehn solcher verschiedener „Tage“ zu feiern oder zumindest zu erwähnen, wenn es nach dem Willen der Organisatoren ginge.

Nur ein paar wenige Gustostückerln allein aus dem laufenden Monat: Tag der Katastrophenvorbereitungen, Tag des Bieres, Tag des Tieres, Weltnudeltag, Tag des Stotterns, Tag der Epilepsie, Welttag gegen die Todesstrafe, Welttag des Wohn- und Siedlungswesens, Tag des Handwerks, Tag des Kaffees, Tag des Bades, Tag des offenen Denkmals, Coming out day, usw. usw.

Wie gesagt: Das ist nur eine winzige Auswahl aus nur einem Monat. Dazu kommen natürlich die nationalen Feiertage der einzelnen Nationen, die meist an irgendwelche Schlachten oder Umstürze erinnern.

Zugleich drängen sich immer mehr politisch inszenierte Tage in den Vordergrund. Allein im November stehen sowohl der Welt-Männertag am 3. November wie auch der Internationale Männertag am 19. November auf dem Programm. Was auch immer der Unterschied sein mag. Noch viel häufiger sind die diversen feministischen Tage, von denen jeder einzelne von feministischen Journalisten benutzt wird, um jedes Mal dieselbe unwahre Behauptung zu verbreiten; solange halt, bis wirklich jemand glaubt, dass Arbeitgeber Männern für die gleiche Arbeit freiwillig um weit mehr als 20 Prozent höhere Löhne zahlen.

Damit sind wir aber auch schon beim wahren Grund der Tages-Inflation: Praktisch alle „Tage“ wurden geschaffen, um sich gratis die Plattform zur Verbreitung irgendwelcher Botschaften durch die Medien zu schaffen. Durch „Tage“ stellt man eine Scheinaktualität her, um uralte Behauptungen neuerlich als scheinaktuell verbreiten zu können. Und die Medien sind oft und gerne so blöd, sich dafür auch noch herzugeben, diese Behauptungen unentgeltlich und ungeprüft zu veröffentlichen. Statt eigene Artikel und Fakten zu recherchieren, gibt man halt einfach die Aussendungen zum „Tag des . . .“ wider.

Das wird natürlich auch von reinen kommerziellen Lobby-Gruppen benutzt. Sie sehen dadurch die Chance, Gratis-Berichterstattung zur Bewerbung des Bier-, des Kaffee- oder des Brotkonsums zu erlangen, für die sonst mit teuren Anzeigen geworben werden müsste.

Und wem das alles zu wenig ist, der ruft halt nicht nur einen „Tag“, sondern auch gleich ein „Jahr“ aus. Sei es das Jahr des Glaubens oder das Jahr der Behinderten oder das Jahr der Forschung.

Auch ich verlange jetzt, endlich auch einmal ein solches Jahr ausrufen zu dürfen: nämlich ein Jahr ohne "Tage"! Oder zumindest die Realisierung des biblischen Befehls: Am siebenten Tag da sollst du ruhen! Es wäre zweifellos extrem erholsam. Nur die Journalisten müssten wieder selbst nachdenken, wie sie ihre Medien füllen. Daher werden sie das nicht sehr mögen.

 

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