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Im Baskenland haben separatistische Parteien klar die Regionalwahl gewonnen. Darauf ist in Spanien – das ohnedies viele andere Sorgen hat – Katastrophenstimmung ausgebrochen. In Wahrheit grundlos.
Basken wie Katalanen wollen nicht mehr mit Spanien verbunden sein. Für die in Madrid regierende Rechtspartei droht damit die Welt unterzugehen. Sie will die Sezession mit allen Mitteln verhindern. Wobei völlig unklar bleibt, ob darunter am Ende sogar auch militärische Mittel zu verstehen sind. Der spanische Nationalismus ist jedenfalls so groß, dass selbst ein neuer Bürgerkrieg nicht auszuschließen ist, um Sezessionen zu verhindern.
Gewiss spielen beim Sezessionswunsch und bei dessen Gegnern auch ökonomische Argumente eine Rolle. Die beiden trennungswilligen Regionen zahlen mehr in die gesamtspanischen Kassen ein, als sie herauszubekommen glauben. Aber primär geht es um spanischen wie regionalen Stolz, um Emotionen, um Ehre, um Geschichte. Dabei hätte die derzeit regierende Rechtspartei durch eine Sezession sogar Vorteile: Sie würde viel sicherer bei Wahlen reüssieren, wenn die primär mit den Sozialisten koalitionswilligen Sezessionisten aus dem spanischen Parlament ausscheiden sollten.
Aber in Wahrheit sind all diese Argumente läppisch. Es gibt überhaupt keinen zwingenden Grund, weshalb ganze geschlossene Regionen nicht das Recht auf einen eigenen Staat haben sollten. Noch dazu, wenn sie sich sprachlich mehr (Basken) oder weniger (Katalanen) vom restlichen Staat unterscheiden.
Nach einer solchen Trennung stehen die einzelnen Teile nämlich oft viel stabiler da. Die angestrebte Größe eines Staates ist in Wahrheit meist nur eine Last. Das haben die Österreicher am Beginn des letzten Jahrhunderts mit vielen Schmerzen gelernt. Das haben die Tschechen und Slowaken am Ende desselben Jahrhunderts überraschend schnell und leicht gelernt. Etwas mühsamer, aber letztlich ebenso unvermeidlich, positiv und notwendig war die Neugestaltung des ehemaligen Jugoslawiens und der ehemaligen Sowjetunion.
Wenn Völker auf keinen Fall mehr miteinander leben wollen, dann soll man sie nicht dazu zwingen. Und es ist absolut unverständlich, dass weder EU noch Menschenrechtskonvention noch UNO das Recht auf Unabhängigkeit einzelner Völker vorsehen. Geschweige denn, dass sie einen geordneten rechtlichen Weg zur Ausübung der Selbstbestimmung eröffnen würden. Sie sehen jede noch so zufällig oder gewaltsam gezogene Grenze als heilig an.
Klar sollte aber auch sein: Für eine Sezession muss es gewiss mehr als eine momentane Stimmung brauchen. Nötig ist neben detaillierten Trennungsverhandlungen und -verträgen vor allem eine Volksabstimmung. Wobei durchaus qualifizierte Anforderungen sinnvoll wären – etwa ein doppeltes Referendum, wobei es mindestens ein oder zwei Jahre Abstand zwischen zwei Wahlgängen geben muss, - oder ein Mindestquorum.
Aber es ist jedenfalls Tatsache, dass niemand ernsthaft von einer Herrschaft des Rechts in Europa reden kann, solange nationalistische Zentralregierungen ganze Regionen wie ein Kolonialvolk unterjochen können und niemand etwas dagegen unternehmen kann. Außer er riskiert als Revolutionär und Verfassungsbrecher Kopf und Freiheit.
Interessant ist, dass ausgerechnet die größte ehemalige Kolonialmacht, nämlich Großbritannien, da geistig schon weiter ist. Sie ermöglicht ihren einzelnen Teilen ganz offiziell die Sezession, ob das nun Nordirland oder Schottland ist. Interessant ist aber, dass insbesondere die schottischen Nationalisten an Zuspruch verlieren, seit der Weg zur Unabhängigkeit offen erscheint. Es ist also auch durchaus möglich, dass es etwa die Katalanen letztlich dann doch nicht so ernst meinen. Denn natürlich kostet Sezession etwas: Vom Aufbau eigener Regierungs- und Gesetzesstrukturen bis hin zur Entlohnung eigener Diplomaten.
Das größte Problem stellt eine Sezession aber für die EU dar: Denn dort weiß niemand, wie man eigentlich damit umgehen soll. Insbesondere auch deshalb, weil die EU-Verfassung eine massive Bevorzugung der kleinen Staaten vorsieht. Vor allem das EU-Parlament ist absolut undemokratisch zusammengesetzt. Dort muss beispielsweise jeder deutsche Parlamentarier mehr als zwölf Mal so viele Wähler vertreten wie einer aus Malta.
In dieser Frage herrscht längst aus vielen Gründen dringender Handlungsbedarf – aber eben auch deswegen, damit klar wird, dass ein etwa in drei Teile zerfallenes Spanien nicht plötzlich weit mehr Abgeordnete ins EU-Parlament entsenden kann als heute. Bekämen die künftigen Teile aber keine zusätzlichen Vertreter, wären sie wiederum gegen andere gleichgroße Mitgliedsstaaten benachteiligt. Aber daran darf der Freiheitsdrang von Basken&Co nicht wirklich scheitern – sondern nur daran, dass er möglicherweise nicht ernsthaft genug ist, auch alle Nachteile der Unabhängigkeit zu tragen.