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Frank Stronach hat nun unter lautem Trommelwirbel seinen welthistorischen Tag gehabt. Der Inhalt dieses Tages: Er hat die bekannten und zwei, drei weitere Überschriften seiner neuen Bewegung verkündet. Das versprochene Programm blieb hingegen weiterhin aus, ebensowie die Nennung von gewichtigen Mitstreitern. Erst recht sind die Antworten auf einige zentrale Fragen ausgeblieben. Das stört massiv den positiven Eindruck, den einige der Überschriften an sich durchaus erwecken könnten.
Ganz offensichtlich versucht Stronach eine alte politische Erkenntnis zu nutzen: Je weniger konkret du bist, umso sympathischer bist du den Menschen. Dann kann jeder etwas ganz anderes in dich hineinprojizieren. Jeder konkrete Satz mit wirklichem Gestaltungsanspruch würde hingegen zwangsläufig bei einem Teil der Wähler auf Ablehnung stoßen. Daher der Ratschlag jedes Spin Doctors: Schau, dass du viel in die Medien kommst, aber bleib möglichst unkonkret und mach dir in keiner Wählergruppe Feinde.
Die Befolgung dieses Ratschlags ist Hauptergebnis der Stronach-Auftritte nach seiner langen Absenz aus Österreich. In dieser Zeit hätte er sich – neben seinen Pferden und sonstigen Vorlieben – eigentlich dem Nachdenken über zentrale politische Fragen widmen können. Da er das nicht getan hat, bleibt die Substanz des Hypes rund um den Austrokanadier sehr dünn.
Im wesentlichen finden wir weiterhin nur die recht holzschnittartigen und meist absolut nichtssagenden Phrasen des Austrokanadiers, die dann in schriftlicher Form von Werbeagenturen auf Hochglanz geglättet werden. Ist beispielsweise jemand imstande, in Stronachs Lieblingsphrase „Sozialökonomische Gerechtigkeit“ irgendeine konkrete Aussage zu erkennen? Was heißt „sozialökonomisch“? Was bedeutet Gerechtigkeit für Stronach?
Am meisten fällt inmitten dieser heißen Luft auf, dass zwei zentrale Fragen weiterhin offen und unbeantwortet sind:
Erstens ist unklar: Wer folgt Stronach, wer hat das Sagen, wenn dieser nicht mehr dazu imstande ist? Das ist eine mehr als legitime Frage, wenn ein über 80-Jähriger ohne irgendeine geordnete Struktur hinter sich plötzlich beschließt, Politiker zu werden. Stronach-Stimmen drohen daher für die nächsten fünf Jahre in einer undurchschaubaren Black box zu verschwinden. Wenn der Chef ausfällt, kommen dann plötzlich drittklassige Jasager mit einem Hang zum opportunistischen Parteiwechsel an die Macht.
An diesem großen Risiko können auch die Bemühungen der Werbeagenturen nicht vorbeischwindeln. Dass diesen das Defizit bewusst ist, zeigt jedenfalls die Homepage der Neobewegung: Dort wird Stronachs Leben zwar breit präsentiert, aber sein Geburtsdatum einfach verschwiegen. Das erinnert lebhaft an die Lücken in den Lebensläufen von Werner Faymann und Kurt Waldheim. Aus diesem Grund ist auch Stronachs runder Geburtstag völlig übergangen worden.
Das heißt nun nicht, dass sich ein 80-Jähriger nicht in der Politik betätigen darf oder soll. Ganz im Gegenteil. Aber wer eine so auf einen einzelnen Menschen zentrierte One-Man-Show aufzieht, muss sich schon die Frage gefallen lassen: Und was ist nach ihm? Ist da wer? Ein paar Kärntner Sonnenstudio-Besucher sind alles andere als eine ausreichende Antwort.
Auf diese Frage gibt es vor allem deshalb keine Antwort, weil praktisch jeder relevante Kopf, der bisher in die Nähe Stronachs gekommen ist, von der Schlichtheit und Beratungsresistenz des Ex-Industriellen in seiner hermetisch abgeschlossenen Phrasenwelt abgestoßen worden ist.
Zweitens: Wenn jemand sowohl ein ausgeglichenes Budget wie auch einen einheitlichen Steuersatz wie auch ein Freiwilligenheer ankündigt, ist er absolut unglaubwürdig, solange er keinerlei konkrete Einsparungsmaßnahme ankündigt, mit der das alles finanziert werden könnte. Denn die Ankündigung, bei der Verwaltung sparen zu wollen, haben wir nun bei Gott schon von allen Parteien gehört. Solange da nichts Konkreteres kommt, ist das bloß das Blaue vom Himmel. Da ist ja noch die SPÖ glaubwürdiger, die wenigstens offen ihre Steuererhöhungspläne zugibt.
Es wird spannend, ob es noch klare Antworten auf diese beiden Fragen geben wird. Was ich derzeit für eher unwahrscheinlich halte. Denn es ist ja bezeichnend, dass die Vorstellung des für September angekündigt gewesenen Programms nun gleich auf April verschoben worden ist. Sobald die Dinge über Schlagzeilen hinaus konkret werden müssten, tut sich Stronach offenbar enorm schwer.
Es ist daher spannend zu beobachten, wie lange der Hype um den Mann noch anhält. Normalerweise flaut so etwas in der schnelllebigen Medienwelt ja nach einigen Wochen total ab. Selbst Kriege wie jener immer blutigere in Syrien rutschen recht rasch aus dem Visier der Medien.
Manches deutet aber darauf hin, dass der SPÖ-gesteuerte ORF und der SPÖ-finanzierte Boulevard aus zwei Gründen den Hype noch länger fortsetzen werden. Erstens deuten Umfragen an, dass der Mann den rechten Parteien mehr schadet als den linken; während die Faymann-Medien umgekehrt die Piraten weitestgehend totschweigen, weil diese vor allem bei den Grünen, den eigentlichen Wunschpartnern ernten könnten. Zweitens hebt sich der Mann deutlich von der Fadesse des sonstigen politischen Personals ab. Damit ist er so gut für die Lese- und Einschaltquoten, wie es seit Jörg Haider keiner war.
Trotz all dieser kritischen Anmerkungen ist klar festzuhalten: Viele der Stronach-Überschriften klingen positiv und sympathisch. Freilich hat man die meisten schon in dem einen oder anderen Parteiprogramm und erst recht bei vielen Bürgerinitiativen gelesen. Pensionskonto, strengere Asylregeln, Absetzbarkeit von Sponsoring, Studiengebühren bei sinnlosen Studien, Flat tax, Gewinnbeteiligung. Diese Überschriften sind an sich ja durchaus erfreulich.
Sie heißen aber nicht viel, solange das Kleingedruckte fehlt. Solange Stronach die Frage beiseiteschiebt, wie dann bei einer staatlichen verordneten Gewinnbeteiligung etwa eine Verlustbeteiligung aussieht - oder ob das nur eine weitere Belastung der Wirtschaft ist. Sie heißen nicht viel, wenn Stronach keine konkrete Berechnung einer Flat tax vorlegt. Sie heißen nicht viel, solange er nicht laut zu sagen wagt, dass das von ihm verlangte „Pensionskonto“ ein deutliches Minus an Pension für jene bedeutet, die nicht viel und lange eingezahlt haben. Sie heißen nicht viel, solange er nicht klar sagt, ob er in der Asylfrage auch bereit ist, in Konfrontation mit europäischen und österreichischen Höchstgerichten samt deren asylantenfreundlicher Judikatur zu gehen.
Nichts anzufangen ist auch mit Stronachs Absage an die Wehrpflicht. Diese – im Parteienspektrum nicht ganz neue – Position würde nur dann Respekt verdienen, wenn Stronach auch mutig dazusagen würde, dass das nur mit einem gleichzeitigen Eintritt in ein Sicherheitsbündnis funktionieren kann. Und geradezu lebensgefährlich für die österreichische Wirtschaft ist sein Gerede von einem Austro-Euro. Angesichts des heutigen Misstrauens in den Finanzmärkten würde nämlich eine Katastrophe auf Österreich zukommen, sobald es nicht mehr dieselbe Währung wie vor allem Deutschland hätte. Daher ist es ziemlich bedrückend, dass Stronach in diesem Punkt nicht lernfähig ist. Oder aber, dass er sich nach der Stimmung an einigen provinziellen Wirtshaustischen richtet. Einfach statt Schilling Austro-Euro zu sagen ist ein ziemlich peinlicher Schmäh.
Trotzdem ist in der Summe Stronachs Antreten erfreulich. Denn endlich wird die außerparlamentarische Arena nicht nur von ein paar medial bejubelten Linkschaoten a la Occupy oder Attac beherrscht, sondern von einem, der – von allen kritischen Einschränkungen einmal abgesehen – prinzipiell den Mut hat, das Thema „Wirtschaft“ zum zentralen zu erklären.
PS.: Einen konkreten Verdacht muss man jedenfalls haben, seit man Stronachs jüngste Auftritte beobachten konnte: Ist das Hauptmotiv seines Auftreten etwa gar die Rache am Niederösterreicher Pröll, weil dieser einst die Genehmigung von Stronachs Mega-Kugel mitten im niederösterreichischen Flachland verhindert hatte? Pröll gegen Stronach: Das wird zur Brutalität.