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Niederlande: eine Lehrstunde

Das niederländische Wahlergebnis ist überaus lehrreich. Es zeigt vor allem eine signifikante Differenz zwischen momentanen Meinungen und Haltungen bei Umfragen einerseits und dem wirklichen Verhalten andererseits, wenn dann in der Wahlzelle der Ernst der Tat kommt. Dies gilt insbesondere in kritischen Zeiten wie diesen. Sowohl für Deutschland wie auch Österreich lassen sich daraus einige wichtige Erkenntnisse ableiten.

Aber zuvor kurz die wichtigsten Ergebnisse:

  • Die rechtsliberale VVD steigt von 31 auf 41 Mandate (von 150).
  • Die sozialdemokratische PvDA steigt von 30 auf 39.
  • Die Wilders-Partei PVV fällt von 24 auf 15.
  • Der christdemokratische CDA fällt von 21 auf 13.
  • Die Links-Sozialisten können entgegen den Umfragen ihre 15 Sitze nicht vermehren.
  • Die Linksliberalen D66 steigen von 10 auf 12.
  • Die Grünen fallen von 10 auf 3.
  • Etliche Kleinparteien (Tierschützer, eine weitere Christenpartei) bleiben unbedeutend.

Die Erkenntnisse daraus:

1. In der Schuldenkrise rücken die Menschen eher in die Mitte. Zumindest solange der große Crash vermieden wird (und darum bemühen sich alle Regierungen heftig, wenn auch mit einem wachsenden Risiko für die Zukunft), drängt man sich eher ängstlich in der Mitte zusammen.

2. Auch der – etwa in Österreich – scheinbar unumkehrbare Abstieg der beiden traditionellen Großparteien ist durchaus reversibel. In den Niederlanden sind sie fast die einzigen Wahlsieger. Dort ist es erstmals seit langem wieder möglich, das für eine Regierungsmehrheit bloß zwei Parteien ausreichen. Was wohl auch passieren wird, auch wenn dem Österreicher ein Zurück zu großen Koalitionen ein wenig anachronistisch erscheinen mag. Dennoch ist das auch in Deutschland das mutmaßliche Ergebnis der nächsten Wahl – außer Skurril-Parteien wie die Linke oder die Piraten kommen nicht ins Parlament. Dann gäbe es dort entweder ein Rot-Grün oder wieder ein Schwarz-Gelb.

3. Die These von den beiden wiederkehrenden Großparteien ist etwas ungenau. Denn im Lager rechts der Mitte hat es im Lauf der Jahre einen signifikanten Wechsel von den Christdemokraten als wichtigster Partei zu den Rechtsliberalen gegeben. Das beweist nicht nur eine rasche Abnahme christlicher Prägungen in Europa, sondern auch eine rasch wachsende Skepsis dagegen, wenn manche Politiker mit oft naiven Ableitungen aus der Bibel politische und wirtschaftliche Rezepte gewinnen wollen.

4. Die triumphierenden Rechtsliberalen sind nicht nur wirtschaftsliberal, sondern haben auch von ihrem bisherigen Mehrheitsbeschaffer Wilders eine ordentliche Skepsis gegen Zuwanderer übernommen.

5. Das Schicksal von Wilders zeigt auch die großen Probleme von rechtspopulistischen Parteien. Sie können zwar in der Opposition reüssieren. Aber sobald sie eine Regierung tragen sollen, brechen sie zusammen. Das ist mit Wilders genauso passiert, wie es beim Knittelfeld der Freiheitlichen war. Bei beiden Wendepunkten war die Ursache dieselbe: Die Wähler haben sich nicht deshalb abgewendet, weil sie plötzlich für die massenweise Immigration wären, sondern weil FPÖ wie Wilders nicht zum Sparen bereit waren. Die Menschen mögen zwar (verständlicherweise) das Sparen nicht, sehen es aber in der großen Mehrheit dann letztlich doch als notwendig an.

6. Auch bei den linken Sozialisten haben sich die Rezepte des ständigen Nein-Sagens als nicht ernsthaft glaubwürdig erwiesen, obwohl sie eine Zeitlang bei den Umfragen gut gelegen sind. Wie bei den Rechten hat sich das hetzerische Kampagnisieren gegen angebliche Spekulanten als nicht glaubwürdig erwiesen.

7. Nichts wäre falscher, als daraus nun einen Freibrief für die europäische Schuldenpolitik abzulesen. Bis auf die PvDA haben alle Parteien ein weiteres Hilfspaket für Griechenland ausgeschlossen. Wenn der liberale Rutte wie allgemein erwartet weiter Premier bleibt, dann gibt es zusammen mit Deutschland und Finnland zumindest drei Euro-Länder, die diese Schuldenpolitik wenigstens prinzipiell ablehnen und zu bremsen versuchen (wenn auch oft mit unzureichenden Mitteln). Österreich zählt da seit dem Hollande-Schwenk der SPÖ leider nicht mehr dazu.

8. Und last not least haben sich auch grüne Parteien als eine vorübergehende Modewelle erwiesen. Sie verlieren dramatisch an Stellenwert, wenn es um die wirklichen Probleme geht.

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