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Italien darf wieder lachen – auf unsere Kosten

Die Zinsen der Schuldenstaaten sind als Folge der leichtfertigen Anleihenaufkauf-Ankündigung der Europäischen Zentralbank ein wenig gesunken. Ein wenig. Aber schon mehren sich die Anzeichen, dass umgehend auch die Reformbereitschaft der Schuldenstaaten sinkt. Als drastisches Beispiel möge diesmal nicht Griechenland, sondern Italien dienen.

Dabei hat die EZB noch gar nichts aufgekauft. Dabei sind die Marktzinsen für zehnjährige italienische Anleihen bloß von 6,1 (am Höhepunkt vor einigen Wochen) auf 5,1 Prozent gesunken, womit sie also noch immer ein Vielfaches der deutschen Zinssätze von 1,6 Prozent ausmachen. Und sie werden wohl bald wieder steigen. Dabei hat die Unicredit, die größte, selbst ums Überleben kämpfende Bank des Landes, verlauten lassen, dass sie weiterhin keine italienischen Anleihen mehr kauft.

Dabei ist zugleich nun auch Deutschland selber in erste Anzeichen der Bedrängnis geraten: Hat es doch zum ersten Mal seine langfristigen Anleihen nicht mehr im gewünschten Umfang an den Mann gebracht. Das heißt: Auch der deutschen Stabilität wird von den Geldgebern nur noch kurzfristig getraut (denn irgendwelche Anleihen müssen ja zum Beispiel die Lebensversicherungen auf Grund rechtlicher Pflichten kaufen), nicht aber langfristig.

Trotz all dem mehren sich rund um den seit Tagen erwarteten EZB-Beschluss die Anzeichen, dass die anfänglich große Reformbereitschaft in Italien wieder nachlässt. Am schlimmsten ist es, dass italienische Zeitungen sofort von „großer Zufriedenheit“ Mario Montis ob des EZB-Beschlusses berichtet haben. Das ist alleine schon psychologisch ein schlimmes Signal. Zwar war dieses Signal für die Märkte gedacht, also potenzielle Geldgeber, aber hören tun es vor allem die Italiener selber. Die ziehen sofort ihre Schlüsse daraus.

Dieses Signal fügt sich nahtlos in etliche Meldungen der vergangenen Tage aus Italien.

Da protestieren die Gewerkschaften nun wild gegen Sparmaßnahmen des maroden Fiat-Konzerns, obwohl Fiat an der Kippe von tot oder lebendig steht. Da bekämpfen Konsumentenschützer wie Medien wie Rechtsparteien heftig die geplante Pflicht für Kaufleute, Zahlungen über 50 Euro auch mit Bankomat- oder Kreditkarten anzunehmen. Dabei ist in Italien der Bargeldumlauf viel intensiver als in den meisten anderen Ländern. Das ist ein starkes Indiz, dass solcherart viele Geschäfte an der Steuer vorbei geleitet werden.

Besonders ärgerlich ist, dass der italienische Ministerrat selber, also das von Monti geleitete Gremium, nun eine verpflichtende Frauenquote für börsenotierte Unternehmen des Landes beschlossen hat. Das heißt, schon wieder werden sozialromantische Ideen durchgepeitscht, die keinesfalls die Wettbewerbsfähigkeit der italienischen Wirtschaft – also das Zentralproblem des Landes – verbessern. Vielmehr verschlechtern sie diese sogar mit großer Wahrscheinlichkeit. Denn jede Maßnahme, die externen Zielen, wie etwa dem Genderismus dient, steht automatisch im Widerspruch zu Zielen der Unternehmen, ihrer Eigentümer, Mitarbeiter und Kunden.

Aber jetzt kann man es sich ja schon wieder leisten. Italien kann sich wieder ein paar Monate mit Anleihen finanzieren. Und die EZB kauft diese dann auf, wenn sie keine Abnehmer finden. Und Deutschland und Österreich haften dann für die dadurch explosiv wachsenden EZB-Schulden. Was zumindest Angela Merkel äußerst distanziert kommentiert, während „unser“ Werner Faymann skandalöserweise jubelt.

PS.: Italienische Pointe am Rande: Die gleiche Spannung, die sich zwischen den sparsameren Europäern und den Italienern aufbaut, besteht auch zwischen Nord- und Süditalien. Etwa die Region Venetien weigert sich nun offiziell, künftig „auch nur mit einem Euro für die Misswirtschaft des Südens aufzukommen“. Insbesondere Sizilien ist seit Jahrzehnten ein Fass ohne Boden. Die Insel mit ihren fünf Millionen Einwohnern hat allein von der EU in den vergangenen zehn Jahren ganz unabhängig von der Schuldenkrise 20 Milliarden bekommen. Kein Cent davon – oder aus den vielen anderen Hilfen für den Mezzogiorno – hat dort irgendeine strukturelle Verbesserung ausgelöst. Das sizilianische Bruttoinlandsprodukt pro Kopf ist von 75 auf 66 Prozent des italienischen Schnitts gesunken. Warum sollten die Sizilianer auch etwas ändern, wenn das Geld eh weiter fließt? In Palermo gibt es Busfahrer, die keinen Führerschein haben. Im öffentlichen Dienst der Insel kann man schon mit einem Lebensalter von 46 Jahren nach 17 meist nicht sehr arbeitssamen Dienstjahren in Pension gehen. Zum Vergleich: Diese 20 EU-Milliarden an EU-Geldern sind fünfmal so viel wie der ganze, viel größere italienische Norden von Brüssel bekommen hat. Dafür verdient der sizilianische Regionspräsident doppelt so viel wie sein Kollege in der industriell reichen Lombardei. Geringer Trost, dass dieser Präsident soeben zurückgetreten ist – weil er von den Gerichten wegen Mafia-Kontakten verfolgt wird. Jetzt soll ihm ein TV-Showmaster folgen. The Show must go on . . .

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